Am Erker

Literaturzeitschrift

Autor:
Gründer: Joachim Feldmann Michael Kofort
Besprechung:
André Schinkel
 

Literaturzeitschrift

EXKLUSIVBEITRAG: Von der Freundschaft Literaturzeitschrift „Am Erker“ widmet sich einem großen Thema

22.03.2012 | Hamburg

Ganz frisch ist die Themenwahl nicht. Der zarte Hautgout der Freundschaft ist allerdings in Zeiten, da Lady Gagas zugegebenermaßen aufregender Hintern von Abermyriaden ‚Friends‘ in einem ominösen digitalen Gesichtsbuch beäugt und besuckelt werden kann, beinahe schon wieder ein anarchischer Anachronismus und geht somit in Ordnung. Es soll sie ja geben, die Freundschaft unter Schreibern, nicht nur als Relikt in den zunehmend alberner und zugleich bedrohlicher werdenden Kavalkaden einer aus der Bahn geratenden spätimperialen Präsenz-Idiotie, in der ein Hintern zuweilen größere Relevanz hat als das, was dem Hirn seines Trägers entspringt. „Am Erker“, die mittlerweile selbst in Ehren zur Tradition gewordene Literaturzeitschrift aus Münster, tritt mit der Vorgabe in die großen Fußabdrücke des seligen „Castrvm Peregrini“, und sie tut dies mit Verve und dem einen oder andern Augenzwinkern. Köstlich – der so kleine wie zärtliche Schusswechsel zwischen Simon Urban und Christian Kreis: nach den Möglichkeiten der Freundschaft befragt, zeigen sich recht ausgeprägt, dass eben diese sich wenigstens zum Teil übers Kulinarische und das eine oder andere gemeinsame Feindbild geriert. Warum nicht, wenn man sich so unverräterisch über seine Zuneigung verständigen kann. Bemerkenswert auch die Erzählung „Hochzeitsvorbereitungen“ von Katharina Bendixen, als Vorab-Auskopplung ihres zweiten Prosabuchs „Gern, wenn du willst“ – die Leipzigerin hat, darin ist sie in der Nähe des wunderbaren Stefan Petermann zu sehen, ein untrügliches Gespür für surreale Verwicklungen, die kühl und formstreng referiert und abgehandelt werden. Von einiger Tiefe und Faszination das Schildern der  inneren Kreise des Protagonisten in Steffen Royes Text, der gegen die Panik im Ringen ums Gegenüber anzählt. Etwas aus dem Konzept fallen die Erwägungen zu Erich Mühsam und Rolf Dieter Brinkmann, man mag diesen beiden Schillernden zugetan sein, ob man sich in ihrer Nähe die Freundschaft vorstellen kann, sei dahingestellt. Allerdings ist der Platz, den „Am Erker“ dem Essay wie der ausgiebigen Besprechung neuer Bücher einräumt, hervorzuheben: etwas mehr Stimmenvielfalt wünschte man sich, etwas mehr kritisches Hinschaun und ein Gran weniger Lobesamkeit für eine sich zunehmend um sich selbst drehende „BELLA triste“ in der Zeitschriften-Schau.

Und, in aller Freundschaft zum Schluss: wenn man sich dazu durchringen muss, dem Metier der Lyrik zwei halbe und zudem nicht glücklich bestückte Seiten zu überlassen, wäre es dann nicht besser, seiner Neigung gegen’s Gedicht durch konsequentes Vermeiden Ausdruck zu geben? Oder aber man ringt sich durch und gibt diesem Fundament aller Literatur einmal ein ganzes Heft. Was würden den Machern von „Am Erker“ dafür die Herzen der Lyriker zufliegen! Die Freundschaft, sie ist ein Phänomen unter den Menschen, an dem man hart zu arbeiten hat ...


Am Erker. Zeitschrift für Literatur, 34. Jg., Heft 62. Münster: Daedalus Verlag 2011.