im schwerefeld des mondes

Erzählung

Autor:
Maja-Maria Becker
Besprechung:
Elke Engelhardt
 

Erzählung

Von der Anziehungskraft der Farben. »im schwerefeld des mondes» von Maja-Maria Becker.

07.05.2013 | Hamburg

Von März bis Mai letzten Jahres kreisten von der Nasa ins All geschickte Sonden in einer Höhe von 55 km über der Mondfläche, um Daten zur Schwerkraft des Mondes aufzuzeichnen. Nach Auswertung der Daten, haben Wissenschaftler eine Schwerefeldkarte des Mondes erstellt, wobei die unterschiedliche Stärke der Schwerkraft durch Farben gekennzeichnet ist.

Mit Farben und Fotos beginnt auch die Erzählung Maja Maria Beckers, „Im Schwerefeld des Mondes“: „menschen sind auf dem mond. ich habe photos gesehen. Die farben. hell, fast schon blendend, weiß wie in ganz reiner medizin.“

Die Menschen, sowie die gesamte Szenerie ist also deutlich erkennbar, aber gleichzeitig unverständlich, wie ein wenig später eingeflochtenes Zitat von Maurice Blanchot andeutet:  „gleißen, der brandende widerhall einer sprache ohne verständigung.“

Der Blick zoomt von den Menschen in ihre Wohnungen. Auch hier spielen Farben eine Rolle. Hat doch jede Wohnung ihre ganz eigene Beleuchtungsstärke.

Nach diesem beschreibenden Betrachtungen erfolgt die „Zündung“. In diesem „Kapitel“, ich setze das in Anführungszeichen, weil die ganze Erzählung aus höchst verdichteten, sehr kurzen Texten besteht, werden Vater und Mutter, Rosen und die Asche des Todes mit dem Mond in Verbindung gebracht, bis Stufe eins folgt. Zu diesem Zeitpunkt gibt es schon kein zurück mehr.

„eine schlange rollt sich vor uns aus. aus vollem hals bellt sie uns entgegen.“

Während Stufe eins mit Warten endet: „waiting for the sun. waiting. waiting.“, beginnt Stufe zwei mit der Feststellung: „der raum erwartet uns.“ Jetzt geht es um die Mutter, die von sich selbst sagt, sie sei belastend geworden: „dabei habe sie sich doch jahrzehntelang aufopferungsvoll verkümmert.“

Es geht um Entfernungen, sowohl räumliche als auch die metaphysischen zwischen Menschen. Vom Ende ist die Rede und vom Schweben der Erde, nah am Kraterrand.

In Stufe Drei taucht erstmals ein Du auf. Ein Du und ein Er, von dem schließlich nur ein kahl geschorener Kopf bleibt, „darin ein stiller countdown läuft.“

Der Traum endet, oder die Wirklichkeit ersteht wieder auf. Der Kreis schließt sich mit den Farben.

Maja-Maria Becker studiert zurzeit am Literaturinstitut in Leipzig, hat aber bereits ein Studium der Germanistik, Philosophie und Kulturwissenschaft abgeschlossen. Mit „im schwerefeld des mondes“ legt sie eine Erzählung aus Miniaturen vor, die vom Mond handeln, von den Eltern, von Beziehungen und Entfernungen. Obwohl alles in einer science fiction anmutenden surrealen Umgebung stattfindet, sind die Themen dieselben, wie immer und überall auf der Erde, die Mutter opfert sich auf, der Vater pflanzt Rosen und die Tochter liegt „da wie ein vogel, der in feinem leim gefangen ist, und wo der leim nicht reicht, gibt es hände.“

Zitate von Barthes, Blanchot, Mayröcker u.a. werden in die Erzählung eingeflochten, als würde es sich um eine Collage handeln, eine Collage aus Bildern und Zitaten.

Es ist dennoch eine traumhaft schwebende Erzählung, in der das Schwerefeld des Mondes den Geist von den Beschränkungen durch die Vernunft enthebt.

„der schwindel wird stärker. es kitzelt im bauch. ich sehe farben.“


Exklusivbeitrag

Maja Maria Becker. im schwerefeld des mondes.
Erzählung. ISBN 978 3 902871 14 5. 6 Euro. Hochroth Verlag Leipzig 2013.

Elke Engelhardt hat zuletzt über »Einsamkeitswandern» von Gutti Alsen auf Fixpoetry geschrieben.