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Gedichte
Der Klang des Wassers - Gedichte von Marianne Hofmann
Eigentlich gäbe es keinen zwingenden Grund den vorliegenden Band für eine Rezension zu ordern. Marianne Hofmann (Jahrgang 1938) debütierte 1997 mit einem „großen niederbayerischen Erinnerungsroman“ (Reinhard Baumgart in der ZEIT) und ihre literarische Bedeutung lag bislang wohl eher im Lokalkolorit. Sie legt nun erstmals Gedichte vor. Allerdings in einem Verlag, der in den letzten 10 Jahren mit bayrischer und oberpfälzischer Mundart-Lyrik vom Feinsten, bspw. von Harald Grill oder Margret Hölle, auf sich aufmerksam machen konnte. Dort ist das Leben lakonisch, deftig und direkt, aber bisweilen auch streichelnd, zärtlich, irdisch und herrlich menschlich. Und in einem Verlag, in dem letztes Jahr der „Kernbestand des lyrischen Werkes“ von Anton G. Leitner aus den Jahren 1980-2005 als knapp 200 Seiten starker Band erschienen ist: „Im Glas tickt der Sand“. Jener Leitner, der mit der Herausgabe seiner Zeitschrift DAS GEDICHT vor 15 Jahren etwa das bundesdeutsche lyrische Geschehen in einer einzigen Zeitschrift aufzufangen versuchte, was ihm anfangs recht gut gelang, weil viele verschiedene Rezensenten viele verschiedene Bücher besprachen und so ein buntes Bild wiedergaben, das der Mannigfaltigkeit der Szene nahe kam. Heute ist daraus eher eine von Leitner zusammengestellte Anthologie geworden, von begrenzter Sicht und Wirkung, und frische, netzgestützte Unternehmungen finden mittlerweile einen Platz viel näher am Puls der modernen Lyrik. Leitner hat mit den Jahren auch immer wieder eigene Gedichtbände veröffentlicht, die in der Kritik alle guten Widerhall fanden, mich persönlich allerdings kaum zum Wiederlesen reizten, da die lyrische Qualität eher eine handwerkliche war und kaum mit außergewöhnlich poetischem Esprit geladen. Trotzdem: Leitner hat im Lyrikbetrieb Gewicht - Grund genug, die in der Heimstatt seiner Werkauswahl, dem Lichtung Verlag in Viechtach, sonst noch erschienene Lyrik einer genaueren Inspektion zu unterziehen. So also gelangte der Band „Der Klang des Wassers“ von Marianne Hofmann zu mir.
Weitgereist, das lese ich und soll ich lesen, von der Normandie nach Rajasthan und von Rom nach Guillin. Da erzählen Gedichte von betenden Menschen im Orient und staunen über verebbende Rinnsale in Luxors Bewässerungsgärten. In Biarritz dann steht Marianne Hofmann am Meer: ich hörte hin und es kam her. Es bleibt nicht dabei: Ich habe im Winter --- Dort wo ich herkomme --- Ich suche --- alles Gedichttitel, fast direkt hintereinander --- ich lese die Worte Ich und Wir und überlese nicht, daß es hier um jemanden geht. Und genau das stört m i c h - dieses immer anwesende Ich, das einen Vertrag mit der Wirklichkeit hat, das aus dieser Wirklichkeit berichtet und sie darlegt in Versen und insgeheim sagt: seht euch an mir satt, wie ich mich satt sehe an der Wirklichkeit. Mir ist das zuviel Ich. Sicher, Marianne Hofmann kann richtig gut schreiben, sich gewählt ausdrücken, da gibt es einige tolle Bilder und Vergleiche, und es gibt sogar wirklich gute Gedichte, aber insgesamt bleibt ein Geschmack nach ausuferndem, fremden Ich, das gut schreiben kann, dessen Ton aber wie aus einem Besinnungstagebuch angestimmt wirkt, und das Bemühen bleibt sichtbar. Insgesamt sind das private Gedichte einer sympathischen Frau, das durchaus, aber nicht die Verse einer poetisch Besessenen. Da ist noch zuviel Wollen und kaum Gnade, zuviel Konstrukt und nicht Musik, zuviel Alltags-Ich und kaum das andere, das überweltliche, poetische Ich. Das allerdings zwischendurch immer wieder für gute Gedichte sorgt, gerade wenn dann jedes Ich komplett verschwindet, in den wenigen gerafften, konzentrierten Texten, so wie in diesen:
Auf der Herdplatte
Das Zischen des Wassers
Perlen rollen
aus
der Zeit
oder:
Wasser des Bergsees
gekräuselt vom Wind
geschorenes Lammfell im Juni
In solchen Gedichten sieht man ihr Können, zu dem sie zu selten durchdringt.
Das Wasser ist das Element ihrer Gedichte, in sehr vielen Texten spielt es eine zentrale Rolle - wie auch in einem Gedicht über die Allhambra, wo Plätschern aus einem Brunnen durch die Stille bricht. Auch in diesem Gedicht, stellvertretend für viele andere Passagen des Buches, fällt die eigentümliche Ich-Haftigkeit oder besser: das Ich-Verhaftet-Sein auf. Menschen ziehen plappernd und geschäftig durch die Hallen, während das Wasser in dem Brunnen plätschert - niemand hört hin, nur ich, also die Autorin Hofmann, höre es - was aber m.E. nicht das Entscheidende ist. Entscheidend für die Situation des Gedichtes ist, die gleichzeitige Wahrnehmung eines Gegensatzes: der Mensch könnte auch, wie das Wasser in der Stille, bedächtig durch die Hallen plätschern, aufgelöst in seine Natur, aber sein Tun ist ein ganz anderes, seine Natur ist eine ganz andere - er ist nicht fähig wie Wasser zu sein, er überdeckt alles und jeden, seine und die übrige Natur. Darum geht es. Dabei ist es relativ belanglos, ob ich, also die Autorin Hofmann, als einzige das Wasser höre und diese Wahrnehmung in einem Gedicht überhöhe, als sage es etwas über mich aus - das ist das Ich, das wir nicht gebrauchen können, obgleich wir in der Lyrik jede Menge Ich gebrauchen können in allen bunten Farben dieser Welt, frei klingendes, schwingendes Ich, für das der Lyriker nichts kann, außer sich ihm geöffnet zu haben – es ist nicht sein Besitz, sondern es bemächtigt sich seiner. Der Klang des Wassers ist bisweilen noch zu sehr nur von Marianne Hofmann zu hören.
Marianne Hofmann - Der Klang des Wassers. Gedichte. edition lichtung, Viechtach 2007.