Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird

Sachbuch

Autor:
Harald Welzer
Besprechung:
Thomas Hummitzsch
 

Sachbuch

Kriegerisches Klima - die Überschwemmung der Welt durch den Menschen

Überschwemmungen und Dürreperioden, Hungerkatastrophen und Epidemien sind die Folgen des Klimawandels. Sie lassen die Lebensräume für eine stetig wachsende Weltbevölkerung schwinden. Die Konkurrenz um die lebensnotwendigen Ressourcen wächst. Das Zeitalter der »Klimakriege« hat bereits begonnen.

Staaten wie auch Individuen werden stets bemüht sein, den Eigennutz ihres Handelns stetig zu maximieren. So oder ähnlich könnte man das wirtschaftsphilosophische Credo umschreiben, welches Adam Smith in seinem Aufsatz zum „Wohlstand der Nationen“ festgehalten hat. Wenn diese Parole weiter Geltung behalten soll, so besteht doch die Frage, wie dies in Anbetracht der jetzt schon absehbaren Folgen des Klimawandels und des nach wie vor steigenden weltweiten Bevölkerungszuwachses möglich sein soll? Die Prozesse der Globalisierung machen deutlich, dass Entwicklungs- und Schwellenländer, allen voran die sog. Vierergruppe um China, Indien, Brasilien und Südafrika, nicht auf ihren wirtschaftlichen Aufstieg verzichten werden, selbst wenn sich dieser zu Lasten der Umwelt vollzieht und damit zu einem weiteren Anstieg der Erdtemperatur beiträgt. Der moralische Appell der fortschrittlichen Länder vergisst meist den Aspekt, dass sie selbst den größten Teil der Schuld am Klimawandel tragen, während die nun aufstrebenden Länder bisher die wenigsten Treibhausgase emittiert haben. Darüber hinaus verschärfen die tiefgreifenden Folgen des Klimawandels (eingehend belegt von den Erkenntnissen des Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) das bereits bestehende Ungerechtigkeitsphänomen der Lebenschancen. Diejenigen mit den geringsten Lebenschancen, werden am meisten unter den Folgen leiden, während die größten Verschmutzer wohl am wenigsten von den direkten Folgen spüren werden. Sie verfügen über die besten Kapazitäten, klimabedingte Problemen zu bewältigen, während die voraussichtlich am stärksten vom Klimawandel betroffenen Menschen die geringsten Möglichkeiten haben, den Folgen Herr zu werden.

Das Ansteigen der globalen Durchschnittstemperaturen um lediglich zwei Grad bis zum Jahr 2050 ist bereits jetzt nur noch mit großem technischen Aufwand und enormem politischem Wille aller Länder möglich. Eine solche oder noch stärkere Erderwärmung wird unweigerlich zu einem verstärkten Abschmelzen der Polareiskappen, einem Ansteigen des Meeresspiegels und Überschwemmungen in den weltweiten Küstenregionen führen, aber auch zu Veränderungen der Weltklimaperioden und damit zu größeren Dürrekatastrophen in den Trockengebieten, zur Ausweitung der Wüstenregionen, grassierendem Wassermangel und enormen Hungerkatastrophen. Dies sind nur einige wenige Folgen, die laut Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) auf die Menschheit zukommen werden, denn die einzelnen Effekte des Klimawandels kumulieren und verstärken sich. Die Lebensräume und die Lebensressourcen für immer mehr Menschen (bis 2050 werden geschätzte 9 Mrd. Menschen die Welt bevölkern) werden schwinden und der Kampf um die lebensnotwendigen Ressourcen wird immer härter werden. Die Folgen der Erderwärmung werden daher zu einem direkten Beschleuniger des gewaltsamen Austragens von Konflikten, so der Direktor des Essener Center for Interdisciplinary Memory Research Harald Welzer. Aufgrund des Klimawandels wird es im 21. Jahrhundert zur verstärkten Gewaltanwendung und gewiss auch zu weiteren Massenmorden kommen, denn massive Gewalt sei ein oft erprobtes Mittel, gefühlten sozialen Bedrohungen zu begegnen, so der Soziologe in seinem aktuellen Buch „Klimakriege - Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird“.
 
Man darf sich von dem Titel des Buches nicht in die Irre führen lassen. „Klimakriege“ ist keine politologische Analyse der kriegerischen Konfliktaustragung der Zukunft, wie z.B. Herfried Münklers „Die neuen Kriege“. Die Studie ist auch keine strikte Untersuchung der Konfliktursachen im 21. Jahrhundert, wie es der Untertitel vermuten ließe. Welzers Metier sind Gewaltexzesse und deren subjektiv empfundene Wahrnehmung. Daher beschäftigt ihn als Soziologe weniger die konkrete Gestalt künftiger (Klima-)Kriege, sondern vielmehr die äußeren Bedingungen für kriegerische Konflikte sowie die Antwort auf die Frage, was Gesellschaften als eine Ansammlung von Individuen grundsätzlich zur Gewaltanwendung motiviert.

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