weitere Infos zum Beitrag
Lyrik
Zivilisationsgeruch und tanzende Haine - drei Gedichtbände der silver horse edition
Auf meinem Schreibtisch liegen drei schmale Bände der Silver Horse Edition in zurückhaltender schwarz weiß Broschur. Der Nährwert des Kiesels (Christa Wißkirchen), Fremdglanz über dem Teich (Monika Petsos) und Stillstand der Gräser (Klara Hurková). Alle Titel implizieren den Topos der Naturlyrik, und in der Tat bewegen sich die Gedichte der drei Zeitgenossinnen auf vordergründig ähnlichem Terrain, allerdings mit höchst unterschiedlichen Variablen: Themen, Duktus.
Eines von Petsos‘ Mond - Gedichten bspw. ist die minimalistische „Handnahme des Monds“ ... / handzahmer Mond / auf dem Papier / ein Hätscheltier / im Zoo des Dichters
Dass solcherart Hätscheltiere der DichterInnen nicht domestiziert und oft alles andere als harmlos sind, zeigt Wißkirchen mit ihrer „Trabantenbeschimpfung“, in dem sie dem zunächst heiter besternten, ausdeutbaren Nachthimmel den Mond wie eine Laus in den Pelz setzt: dieses ... auftauchende aufdringliche / tückisch trübglimmende Blindgesicht ... Ein Gedicht der aus Prag stammenden Lyrikerin Klara Hurkova eignet sich hingegen den (Novembervoll-) Mond kurz und bündig als metaphorische Projektionsfläche an (sitzt gar Charon in der Mond-Barke?): Die Kürbisbarke / auf dem bewegten Nachtmeer / Gruß aus dem Jenseits Hurkowas Gedichte bedürfen keiner Entschlüsselung. In klar umrissenen Bildern spiegeln ihre Texte „Freundschaft“, „Zwischenräume“, „Alltage“. Hurkowa operiert mit durchaus überraschenden Bildern, gerade dann, wenn sie Größenordnungen verdreht und voneinander Unabhängigem eine kausale Verbindung andichtet. Im Fenster gegenüber / bügelt jemand / den Abend / zu einer Horizontale / mit Honiglicht
Klangfiguren wie eingestreute Alliterationen und Assonanzen tragen durch ihre Texte. Der eine oder andere Vers allerdings ist vielleicht etwas nah am ersten gemütvollen Empfinden der Autorin kleben geblieben, ohne eine Metamorphose durchlebt zu haben.
Wißkirchen, die bisher hauptsächlich als Kinderbuchautorin in Erscheinung getreten ist, überraschte mich mit ihren leichtfüßigen Gedichten, die oft in einer tragikomischen Patina stecken. Ironische Inversion ist eine der Stärken Wißkirchens. Ein Gedichttitel „comcom“ tritt humorvoll Assoziationen los: Computer, Kommunikationsnetze, Tempo. Eine Stimme agiert in einem einsamen, immer stiller werdenden Tal, der Tag verschwindet und mit ihm alle - vielleicht bloß imaginierten (?) - Freunde. Die Stimme versucht in oberflächlich flapsiger Sprachvarietät Kommunikation - mithin Verbindung - zu den anderen aufrechtzuerhalten, kollidiert jedoch mit der Stille, um zuletzt in einem überstürzten: nein bloß nicht hier / zwischen abgestandenen Fichten / unmittelbar zu Gott sein / und das auf Dauer ich komme - die Flucht anzutreten. Der Natur ist unsere Vergänglichkeit immanent. Hinter rasch konsumierter Natur - Romantik lauert ein Schaudern. Sprache ist nur ein Vehikel. Auch in „Grüne Walnuß“ spinnt Wißkirchen lakonisch ihren Faden der Verunsicherung weiter: „Sie meldet mir: außen grün / Was grün wo außen / Sie meldet mir gar nichts ... um dann durch eine als: das eine vorm anderen verbergende, trennende aber auch schützende - Haut - verstandene Schale, ins Innere vorzudringen: programmdurchmurmelt / strukturinsigniert / haltlos-präsent / und gesättigt in Symmetrie / Prozesskugel grün, ab / perlender Regen / Ich geh
Monika Petsos wählt in Fremdglanz über dem Teich die knappe Form. Ihre kompakten Gedichte sind beobachtend, manchmal schwärmerisch, mitunter ironisch gebrochen. Mit dem wachen Blick der Reisenden bebildert sie Nepal, Kathmandu; „vertont“, ohne es explizit zu benennen, ihre Idee von: panta rhei. Einige ihrer Texte sind von Arbeiten bildender KünstlerInnen inspiriert, auch (namenlose) DichterInnen und die Dichtung selbst werden von Petsos ins lyrische Auge gefasst, wie in: „Kopfstand ohne Krone“
Der Künstler kopfüber gerichtet / zur Welt mit leichten Taschen /
immer auf dem Weg / geboren zu werden
Alles in allem erwarten die LeserInnen in keinem der Bände idyllisierte Naturbetrachtungen. Die Gedichtbände zeigen einmal mehr, dass es auch abseits der großen Verlage Poesie zu entdecken gibt.
Originalbeitrag
Klara Hurková: Stillstand der Gräser
Monika Petsos: Fremdglanz über dem Teich
Christa Wißkirchen: Nährwert des Kiesels
alle Bände erschienen in der silver horse edition, Marklkofen 2007/2010.