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Russland schafft Fakten: Die sieben wichtigsten Fragen zum Krim-Referendum
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AFP Ein Wahlplakat in Sewastopol: links ein Hakenkreuz, rechts die Farben der russischen Flagge, darüber steht: "Am 16. März werden wir entweder ... oder ... wählen".
  • FOCUS-Online-Autorin

Der Krim-Konflikt hält Europa im Atem. Heute hat die Bevölkerung der Halbinsel für einen Anschluss an Russland gestimmt. Der Westen will dies nicht akzeptieren. Kommt es zur Eskalation? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Weichen sind gestellt: Das Parlament der Krim hat am Dienstag praktisch geschlossen für die Unabhängigkeit der Halbinsel gestimmt. Im zweiten Schritt hat die moskautreue Führung in der Krim-Metropole Simferopol am Sonntag die Bevölkerung in einem Referendum befragt, ob sie der Unabhängigkeit sowie einem Anschluss an die russische Föderation zustimmt. Mit überwältigenden 93 Prozent haben die Wähler ersten Hochrechnungen zufolge dies bestätigt. FOCUS Online beantwortet die sieben wichtigsten Fragen.

1. Warum haben die Einwohner der Krim so deutlich für den Anschluss an Russland gestimmt?

Für die hohe Zustimmung gibt es mehrere Gründe: Die Mehrheit der Krim-Bevölkerung ist russischstämmig. Etwa 60 Prozent haben russische, etwa 25 Prozent ukrainische Wurzeln. Dazu kommen Tataren (12 Prozent), Bulgaren und weitere Minderheiten. Die Führung in Kiew ruft die Krim-Ukrainer außerdem auf, sich nicht an dem „illegalen“ Referendum zu beteiligen. Milizen schüchtern seit Tagen die Ukrainer ein – insofern ist fraglich, ob sie sich überhaupt an die Urne trauten.

Video: Kiew droht Krim-Regionalparlament Auflösung an

2. Verstößt die Abstimmung gegen das Völkerrecht?

Das Referendum verstößt sowohl gegen die ukrainische Verfassung als auch gegen Völkerrecht. Die ukrainische Verfassung erlaubt in der Autonomen Republik der Krim Volksentscheide zu politischen Fragen. Gebietsänderungen sind dagegen nationalen Referenden vorbehalten, wie der Bonner Völkerrechtler Stefan Talmon erläutert. „Das bedeutet, dass die gesamte Ukraine über eine Abspaltung der Krim abstimmen müsste.“ Gegen das Völkerrecht verstößt das Referendum, weil es zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, zu dem die Halbinsel quasi militärisch von Russland besetzt ist – russische Truppen kontrollieren strategisch wichtige Einrichtungen. „Eine rechtlich wirksame Ausübung eines Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung ist deshalb nicht mehr möglich“, so Talmon zu FOCUS Online. Nach seiner Einschätzung wäre es sogar völkerrechtlich gedeckt, wenn die Regierung in Kiew militärisch eingreift, um die territoriale Integrität wiederherzustellen  – obwohl jene selbst nicht demokratisch legitimiert ist.

3. Wann würde der Anschluss an Russland erfolgen?

Ziel der moskautreuen Regierung der Krim und des Regionalparlaments ist es, den Anschluss noch diesen Monat zu vollziehen. Die Chancen dafür stehen gut: Auch Russland hat die entsprechenden Weichen gestellt. Das Präsidium der Staatsduma beschäftigte sich bereits mit einem Sondergesetz, das eine unkomplizierte Aufnahme der Krim in die Russische Föderation ermöglichen soll: War bisher nötig, dass der Staat, zu dem das Gebiet bis dato gehörte, ebenfalls dem Beitritt zustimmt, soll dieser Schritt künftig wegfallen. Am Freitag, 21. März, beschäftigt sich die zweite Kammer, der Föderationsrat, erstmals mit dem Sondergesetz. Sie Kammer hat bereits Zustimmung zu dem „historischen Schritt“ signalisiert. Die letzte Entscheidung liegt bei Präsident Wladimir Putin. Für Moskau ist die Krim von entscheidender strategischer Bedeutung

4. Müssen die Ukrainer Russen werden? 

Die Krim-Führung verspricht, dass jeder Bürger im Falle eines Anschlusses an Russland seine Staatsangehörigkeit frei wählen könne. „Niemand wird gezwungen, seinen ukrainischen Pass abzugeben“, sagte Regierungschef Aksjonow. Nach Angaben von Parlamentschef Wladimir Konstantinow sollen neben Ukrainisch auch Russisch und Krimtatarisch offizielle Amtssprachen sein. Damit Gehälter und Renten ohne Einschnitte gezahlt werden können, wird Russland der Krim unter die Arme greifen. Laut Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew hat Moskau Soforthilfe in Höhe von einer Milliarde US-Dollar (etwa 720 Millionen Euro) in Aussicht gestellt. Langfristig ist geplant, den Rubel einzuführen.

 

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Leser-Kommentare (38)
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18.03.14, 16:50 | Fred Grossmann

Ein Referendum wie auf der Krim

ist gelebte Demokratie. Nach dem Referendum wird das Ergebnis umgesetzt, denn das ist Volkes Wille. Wessen Wille soll denn sonst durchgesetzt werden ?

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17.03.14, 09:14 | Juri Antonov

Merkel arbeitet

Merkel hat in ihrer Regierungserklaerung bemerkt, dass diese Annexion der Krim, wenn es denn eine ist, sich sogar zum Nachteil von Russland auswirken wird. Musste man die Regierungserklaerung so verstehen ? Das ist eine sehr interessante Argumentation. Man kann vielleicht vermuten, dass diese Sanktionsdrohungen zum Schutz von Russland aufgestellt wurden ? Damit Russland davon abgehalten wird, sich Nachteile einzuhandeln ? Arbeitet Merkel vielleicht heimlich fuer Russland ?

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17.03.14, 09:08 | Juri Antonov

Falsche Taktik

Das ist nun mal so mit Drohungen. Sie wirken nicht nur gegen den bedrohten, sie wirken ebenso gegen den Drohenden. Das haben die westlichen Politiker, auch Steinmeier und Merkel, total uebersehen, beziehungsweise immer noch nicht gelernt. Man sollte da einen Kurs ueber Verhandlungstaktik fuer undere Politiker veranstalten. Da stehen jetzt Kontensperrungen, Reisesprerre, und vielleicht sogar starkere Dinge im Raum. Und was ist, wenn man das tatsaechlich realiiert ? Wie kommt man aus dieser Sache dann wieder heraus ? Warteiit man mit der Aufhebung dieser Massnahmen, bis Russland die Krim wieder herausgibt ? Vielleicht 50 jahre ? Velleicht 200 Jahre ? Das ist doch absurd. Und vielleicht geht die ganze Ukraine anschliessend nach Russland, nur weil sie den Rubel haben will? Was dann ?

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16.03.14, 20:53 | Johann Eckert

Genau so

ein Referendum wünsche ich mir in Deutschland auch. Mit dem Thema: Soll Deutschland in der EU bleiben. JA oder NEIN. Ich weiß, wird es nie geben. Die deutschen Politiker halten ihr Volk ja zu 90 % für unfähig, das Kreuzchen an die richtige Stelle zu machen.

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16.03.14, 14:02 | Peter Neumann

na

Wenn es in einer dt. Stadt ein Referendum gäbe ob es ein Anschluss an das osmanische Reich gibt, dann würden die meisten hier die Putin Beifall klatschen aber wohl anders reagieren. Wenn man bedenkt dass sich gleich und gleich gerne gesellt, was wäre dann über Putinfans wohl zu sagen ? Aber eines sind sie sicher und zwar inkonsequent, denn bei gleicher Situation hier würden sie anders reagieren.

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16.03.14, 13:08 | Bodo Krawall

Krim-Referendum

denke mir das das Volk selbst entscheiden sollte und die EU insbesonders Deutschlad sich daraushalten MUSS. Deutschland hat in letzter Zeit genug Blödsinn gemacht: Verteidigungs-Ministerium ist jetzt ein "Kriegs-Miniterium" geworden, Afganistan,Kosowov, Mali usw usw. dauert nicht mehr lange dann wird es so wie früher unter der Oberherschaft der USA! In der Ukraine haben Rechtsradikale die Maidan Schlacht Provoziert und somit den Umsturz geschaft, im Parlament sitzen nur diese Typen, Klitschko hat sich da rausgehalten weil er genau weiß das die Ukraine ""SO"" nicht übersteht und auch keinerlei Demokratische Freiheit gewärleistet wird.

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16.03.14, 11:36 | Stefan Berger

Wenn man so die Kommentare liest

wäre es für viele am besten sofort ihre Koffer zu Packen und Asyl bei ihrem Angebeteten Über Demokratischen Putin zu beantragen. Als Startkapital und für die Reisekosten könnte man ja auch noch eine Spenden Aktion für diese Jünger Organisieren, alles Natürlich unter der Bedingung das es kein Rückkehr Recht gibt sollte sich das gelobte System als nicht so Lobenswert herausstellen. Wir wünschen den Herrschaften dann auch noch viel Spaß bei der "freien Meinungsäußerung" in ihrem gelobten Land.

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16.03.14, 11:01 | Karl-W. Euler

Putins Sicht ist verständlich, denn

die Krim war seit Jahrhunderten russisch und die Schenkung Chruschtschows an die Ukraine geschah zu UDSSR-Zeiten, wo keiner an Abspaltung und jetzige Probleme dachte. Daß Putin nicht auf Festungen und vorallem Häfen verzichtet war und ist ebenfalls glasklar. Und wenn wir von Völkerrecht sprechen ist durch die Abspaltung der Ukraine nicht automatisch die Krim mit dabei. Russland hat nur nichts bisher unternommen, weil ihre Interessen bisher gewahrt blieben. Im Völkerrecht gibt es eine wesentliche Regelung, die da heisst: Die normative Kraft des Faktischen. Durch die jetzige Besetzung ist eben wieder der Fakt des Status quo ante-vorherigen Zustandes (UDSSR) geschaffen worden. Das wäre nicht notwendig gewesen, hätte man mit Putin auch darüber geredet (siehe Krone-Schmalz, v. Dohnanyi.)

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16.03.14, 09:31 | Harald Mittner

Es ist erschreckend

dass gerade Deutschland noch immer 200 Jahre in der Vergangenheit lebt und trotz seiner Nazivergangenheit nichts dazu gelernt hat. Die Wahrheit für geopolitische Machtinteressen biegt und bricht. Während Joschka Fischer selbst Auschitz dazu missbrauchte, um die Abspaltung des Kosovo voranzutreiben, und damit einen Angriff zu rechtfertigen, setzt man sich nun vehement gegen eine, mehr oder wenige, legitime Abspaltung. Es ist erschreckend, da man im Alltag doch meint, Deutschland sei moderner, aufgeklärter, besonnener und es stünde das Menschenrecht und nicht das Völkerrecht im Vordergrund und damit unter dem Strich: Das Geld. Denn Geld ist Macht, und Territorien sind Macht. Und das angeführt von einer Frau, die das Ziehkind von Kohl ist. Mir wird Angst und Bange.

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16.03.14, 09:26 | Harald Mittner

Verstoß gegen Völkerrecht?

Irgendwie scheint sich das Völkerrecht stetig zu wandeln und ich habe wohl eine Uraltausgabe davon noch. Sollte mir gleich heute mal die neueste "Version" kaufen: Offensichtlich ist das Völkerrecht ein sich dynamisch an die jeweiligen geopolitischen Machtinteressen anpassendes Recht und offensichtlich kann inzwischen aus Gewohnheitsrecht Völkerrecht entstehen. Ich möchte es also mal zusammenfassen: Wenn in Deutschland eine Partei, die 100 mal rassistischer und nationalistischer als die NPD ist, durch Gewalt die gewählte Regierung vertreibt und die Macht an sich reist, dann ist diese nach dem Völkerrecht also legitim? Wenn durch eine Milliäraktion der Nato, ohne Beschluss des Sicherheitsrats, im Kosovo eine Abspaltung erbombt wird ist es Völkerrecht. Ein Referendum aber nicht?

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