Zwei Menschen gleiten in vollkommener Harmonie in einem Ruderboot auf einem
Fluss dahin. Ihre Körper bewegen sich synchron im Takt. Geschmeidig
zerschneiden ihre Ruder die glatte Wasseroberfläche, kleine Strudel
hinterlassend. Ein Bild vollendeten Glücks?
Der niederländische Autor H. M. van den Brink versucht in seiner Novelle
"Über das Wasser" genau diese Frage zu ergründen. "Glück?
Darüber spricht man nicht. Ein Wort zuviel, und es ist lächerlich. Zwei Worte,
und es ist verschwunden, fort. [...] Glück existiert nur, wenn man es berühren
kann.".
Ist es nicht so, dass wir uns am ehesten glücklicher Momente erinnern, wenn der
innere Schmerz am größten is t?
Anton, der Erzähler dieser Novelle, begibt sich 1944 zurück an den Ort seines
größten Glücks, zurück an den Fluss, der über Monate hinweg Mittelpunkt
seines Lebens war. Hier befand sich vor dem Krieg der Ruderklub der Stadt. Hier
trainierte er zwei Sommer lang zusammen mit seinem Freund David, unter Anleitung
des Deutschen Alfons Schneiderhahn, für die Olympischen Spiele in Helsinki
1939.
Nun, fünf Jahre später, liegt das Gelände brach, die Gebäude drohen zu
verfallen oder wurden abgerissen, und die zahlreichen Ruderboote lagern auf
Dachböden und in Kellern. Die Olympischen Spiele haben wegen des nahenden
Krieges nie stattgefunden. Auch David ist nicht mehr in der Stadt. Er ist
spurlos verschwunden, nur an die Erinnerungen an die gemeinsame, glückliche
Zeit sind geblieben.
Van den Brink gelingt in dieser Novelle das Kunststück, mit wenigen Worten die
Größe wahrer Freundschaft und die Trauer um den Verlust eines geliebten
Menschen für den Leser erlebbar zu gestalten, ohne jemals pathetisch zu werden.
Beinahe zärtlich zeichnet er das fein nuancierte Bild einer Freundschaft zweier
junger Männer, die erst durch den Sport, über soziale Grenzen hinweg,
zusammengefunden haben.
Indem Anton die Stätten gemeinsam erlebten Glücks aufsucht, hält er die
Erinnerung an diese glückliche Zeit mit David, wider die schmerzliche
Erkenntnis des Verlustes, fest in seinem Gedächtnis. Halt gibt ihm allein die
Beständigkeit es Flusses, den alle Wirren der Zeit nichts anhaben konnten.
Das Elternhaus Davids steht leer und verlassen im Park, alles Leben ist
verschwunden.
"Niemand kann mir erzählen, dass man Glück nicht anfassen kann, dass es
ein Glück ohne Körper gibt." ©Torsten Seewitz, 04.09.2000
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