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Diane
Broeckhoven
"Ein Tag mit Herrn Jules"
Aus dem Niederländischen von Isabel Hessel
C.H.Beck Verlag München 2005
96 S.; 12,90 Euro |
Für Alice
ist es ein liebgewonnenes Ritual, das morgendliche
Erwachen hinauszuzögern, dahinzutreiben wie in einer
"Gebärmutter" und auf den verführerischen
Duft frisch aufgebrühten Kaffees zu warten. Jules, ihr
Ehemann ist immer vor ihr wach. Im Laufe ihrer Ehe hat
es sich eingespielt, dass er das Frühstück
vorbereitet. So auch an diesem winterlichen Morgen. Es
hat geschneit und die Nachbarin Bea ist schon wieder
"am Ackern", indem sie den Schnee vom
Bürgersteig fegt.
Ein eheliches Idyll, mit welchem die niederländische
Autorin Diane Broeckhoven ihren kleinen, aber nicht
weniger eindrucksvollen Roman "Ein Tag mit Herrn
Jules" beginnen lässt.
Übrigens ist dies erst ihr zweites Buch für
Erwachsene, denn in ihrer Heimat ist sie vor allem mit
ihren zwanzig veröffentlichten Jugendbüchern bekannt
geworden.
Als Alice, in ihren Morgenmantel gehüllt, das
Wohnzimmer betritt, sitzt Jules gegen alle Gewohnheit
auf der Couch und starrt aus dem Fenster. Sie spricht
mit ihm, doch er antwortet nicht. Sie setzt sich neben
ihn und berührt sein Knie, doch Jules reagiert nicht.
Erst allmählich, dann wie ein Blitz ereilt Alice der
Gedanke, dass ihr Mann tot ist.
Doch sie gerät nicht in Panik, sondern versucht diese
Erkenntnis zu realisieren. Wie in Trance fasst sie den
Entschluss, dass keiner von Jules Tod erfahren darf,
noch nicht. Sie möchte sich in Ruhe von ihrem Mann
verabschieden.
So verbringt Alice den Tag letzten gemeinsamen Tag mit
ihm, nur unterbrochen vom Besuch Davids, einem
autistischen Jungen aus der Nachbarschaft, der wie immer
an diesem Wochentag, mit Herrn Jules eine Partie Schach
spielen wollte.
Fern allen Pathos erzählt Diane Broeckhoven vom Ende
einer Jahrzehnte währenden Symbiose zweier Menschen.
Voller Zärtlichkeit und Empathie lässt sie Alice ihr
Leben mit Jules Revue passieren. Ein Leben, welches
natürlich von Höhen und Tiefen durchzogen war, doch
immer voller Liebe. Einer Liebe, die so stark war, dass
noch nicht einmal ein Seitensprung Jules die Ehe
zerstören konnte.
Es ist bewegend, diesem langsamen Abschied als Leser
beizuwohnen. Nach knapp neunzig Seiten legt man das Buch
zwar zur Seite, doch das Erzählte schwingt noch lange
in der Erinnerung nach. Torsten Seewitz, 21.02.2005 |
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