Ruhm
und Unbekanntheit, Leben und Tod liegen manchmal sehr
eng beieinander. Wie bei Eric Packer, einem 28 jährigen,
sehr erfolgreichen Vermögensverwalter, der an einem Tag
im April 2000 genau an diesem Scheideweg steht. Der
amerikanische Meisterromancier Don DeLillo begibt sich
in seinem 14. Roman in die Welt der sehr jungen und sehr
erfolgeichen Börsenspekulanten, für die es bis
dahin nur aufwärts, nie aber abwärts ging. Eric Packer
fährt auf der Suche nach einem Frisör einen ganzen Tag
mit seiner Luxuslimousine quer durch New York. Dabei
bewegt er sich jedoch kaum vorwärts und
bleibt auf der 47th Street stecken, weil der
Besuch des Präsidenten und ein Trauerzug sein
Fortkommen behindern. An diesem Tag geraten auch Erics
Privat- und Berufsleben ins Stocken. Denn der Yen
bestimmt sein Handeln und als
der Kurs am Abend einbricht, stürzt auch Erics Welt
zusammen.
Anhand eines einzelnen Lebens versucht DeLillo
auch in „Cosmopolis“ wieder, die moderne
Gesellschaft und ihre Werte zu charakterisieren. Während
der Protagonist in DeLillos erstem Roman „Americana“
(1971) jedoch noch einen Sinn
in seinem Leben suchte, bleibt das
Leben des Eric Packer bis zum Schluss sinnentlehrt.
Stattdessen verzettelt er sich in Oberflächlichkeiten,
für die er am Ende teuer bezahlen muss. DeLillo
beschreibt hier einen Mann, der nur zu
Selbstverliebtheit fähig ist. Andere Menschen, egal ob
seine Ehefrau Elise oder sein Leibwächter Torval sind
nur wichtig für ihn, wenn sie ihm etwas geben – sei
es Bewunderung, Sex oder gar ihr Leben.
DeLillo
entwirft ein düsteres Bild der Gegenwart, in der die
eigene Identität immer mehr von anderen Menschen und
ihren Urteilen abhängt. Wodurch man sich von seinen
Mitmenschen unterscheidet und wie man sie übertreffen
kann ist mindestens genauso entscheidend wie die Antwort
auf die Frage „Was bin ich ohne Geld wert?“. In „Cosmopolis“
ist nicht wichtig, warum Menschen etwas tun, sondern was
sie vorzuweisen haben. Doch auch mit Erics Erfolg vor
Augen, der sich in seinem Marmorfußboden der Limousine
und seiner 48-Zimmer-Wohnung widerspiegelt, wirkt sein
Leben wenig beneidenswert. Dabei ist DeLillo vielleicht
etwas moralisch und thematisch nicht ganz so intensiv
wie in seinem vorhergehenden Roman „Körperzeit“
(2001). Auch ist die rasant um sich greifende Zerstörungswut
in „Cosmopolis“ nicht ganz nachvollziehbar und wirkt
manchmal übertrieben. Dennoch zeigt DeLillo hier nach
seinem, als literarischem Ereignis gefeierten Roman
„Unterwelt“ (1998) wieder, mit welcher Kraft er
Sprache einzusetzen weiß und wie er atmosphärisch
dicht menschliche Schattenseiten präzise darstellen
kann.
Von
Aliki Nassoufis
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