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Don DeLillo
"Cosmopolis"
Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert
Kiepenheuer & Witsch Köln 2003
203 S.; 16,90 Euro

Ruhm und Unbekanntheit, Leben und Tod liegen manchmal sehr eng beieinander. Wie bei Eric Packer, einem 28 jährigen, sehr erfolgreichen Vermögensverwalter, der an einem Tag im April 2000 genau an diesem Scheideweg steht. Der amerikanische Meisterromancier Don DeLillo begibt sich in seinem 14. Roman in die Welt der sehr jungen und sehr erfolgeichen Börsenspekulanten, für die es bis dahin nur aufwärts, nie aber abwärts ging. Eric Packer fährt auf der Suche nach einem Frisör einen ganzen Tag mit seiner Luxuslimousine quer durch New York. Dabei bewegt er sich jedoch kaum vorwärts und bleibt auf der 47th Street stecken, weil der Besuch des Präsidenten und ein Trauerzug sein Fortkommen behindern. An diesem Tag geraten auch Erics Privat- und Berufsleben ins Stocken. Denn der Yen bestimmt sein Handeln und als der Kurs am Abend einbricht, stürzt auch Erics Welt zusammen.
Anhand eines einzelnen Lebens versucht DeLillo auch in „Cosmopolis“ wieder, die moderne Gesellschaft und ihre Werte zu charakterisieren. Während der Protagonist in DeLillos erstem Roman „Americana“ (1971) jedoch noch einen Sinn in seinem Leben suchte, bleibt das Leben des Eric Packer bis zum Schluss sinnentlehrt. Stattdessen verzettelt er sich in Oberflächlichkeiten, für die er am Ende teuer bezahlen muss. DeLillo beschreibt hier einen Mann, der nur zu Selbstverliebtheit fähig ist. Andere Menschen, egal ob seine Ehefrau Elise oder sein Leibwächter Torval sind nur wichtig für ihn, wenn sie ihm etwas geben – sei es Bewunderung, Sex oder gar ihr Leben.
DeLillo entwirft ein düsteres Bild der Gegenwart, in der die eigene Identität immer mehr von anderen Menschen und ihren Urteilen abhängt. Wodurch man sich von seinen Mitmenschen unterscheidet und wie man sie übertreffen kann ist mindestens genauso entscheidend wie die Antwort auf die Frage „Was bin ich ohne Geld wert?“. In „Cosmopolis“ ist nicht wichtig, warum Menschen etwas tun, sondern was sie vorzuweisen haben. Doch auch mit Erics Erfolg vor Augen, der sich in seinem Marmorfußboden der Limousine und seiner 48-Zimmer-Wohnung widerspiegelt, wirkt sein Leben wenig beneidenswert. Dabei ist DeLillo vielleicht etwas moralisch und thematisch nicht ganz so intensiv wie in seinem vorhergehenden Roman „Körperzeit“ (2001). Auch ist die rasant um sich greifende Zerstörungswut in „Cosmopolis“ nicht ganz nachvollziehbar und wirkt manchmal übertrieben. Dennoch zeigt DeLillo hier nach seinem, als literarischem Ereignis gefeierten Roman „Unterwelt“ (1998) wieder, mit welcher Kraft er Sprache einzusetzen weiß und wie er atmosphärisch dicht menschliche Schattenseiten präzise darstellen kann. Von Aliki Nassoufis

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