In
den Niederlanden gehört Maarten 't Hart zu den
meistgelesensten und beliebtesten Schriftstellern. Und
auch in unserem Land steigt seine Popularität mit jedem
neu veröffentlichten Titel seines umfangreiches
Oeuvres. War sein 1984 im Suhrkamp-Verlag verlegter
Roman "Ein Schwarm Regenbrachvögel"
bislang nur unter Insidern ein Tipp, so gelang dem
Arche-Verlag mit der Herausgabe des Romans "Das
Wüten der ganzen Welt" im Jahr 1997 Maarten 't
Hart einem großen Publikum zugänglich zu machen.
Seither veröffentlicht der Arche-Verlag in regelmäßigen
Abständen weitere ältere und aktuelle Romane, die nur
all zu sehr beweisen, welch ein erstklassiger
Schriftsteller dem deutschsprachigen Leser seit Jahren
verborgen blieb.
Mit "Gott fährt Fahrrad oder Die wunderliche
Welt meines Vaters", in den Niederlanden 1979
erschienen, setzt der Verlag die Edition des
Gesamtwerkes fort, indem er das wohl persönlichste Buch
't Harts ins Deutsche übersetzen lies.
Der
Roman als literarisches Denkmal; zur Erinnerung an den
toten Vater geschrieben. Schreibend den Schmerz und die
Angst um den Verlust des geliebten Vaters verarbeitend,
erinnert 't Hart in wehmütigen, nahezu zärtlichen
Worten die Welt seiner Kindheit und Jugend. Jahre im
Schatten des stets mürrischen Vaters, doch voller Verständnis
noch dann, wenn dieser sich im Alter für die
zahlreichen körperlichen Züchtigungen zu entschuldigen
versucht.
Obgleich der Tod durch den Beruf des Vaters als
"Grabmacher" auf dem Friedhof von Maasluis zum
Alltag der Familie gehörte, hat dieser für den Sohn
nichts von seinem Schrecken verloren. Eine Angst, die er
angesichts der fortschreitenden Krebserkrankung seines
Vaters auch als Erwachsener zu verdrängen versucht.
Durch den untersuchenden Arzt zum alleinigen Mitwisser
in der Familie geworden, trägt er die schreckliche
Gewissheit über das nahende Ende seines Vaters wie ein
schwere Bürde mit sich herum. Es fehlt ihm der Mut,
seine Eltern über den Ernst der Lage in Kenntnis zu
setzen. In sehr ehrlichen Worten beschreibt 't Hart das
gefühlsmäßige Auf und Ab zwischen unkontrolliertem
Hass auf das Altern und der Verzweiflung über die
eigene Hilflosigkeit.
Maarten 't Hart erreicht durch seine besonders
authentische Schreibweise in diesem frühen wie auch in
seinen späteren Romanen, dass der Leser sehr schnell
mit den handelnden Personen vertraut wird. Das Lesen
wird begleitet von dem Gefühl, einem guten Bekannten
bei seiner Geschichte zuzuhören; nicht distanziert,
sondern mitfühlend.
Mit "Gott fährt Fahrrad" hat Maarten 't Hart
eine liebevolle Hommage an seinen Vater und dessen
wunderliche und phantasievolle Welt, fernab jeder
Melodramatik, geschrieben. Eine Geschichte, die beweist,
das der Mensch durch sein Handeln an Bedeutung gewinnt
und auch nach seinem Tod in der Erinnerung weiterlebt.
Erst wer vergessen wird, ist wirklich tot. ©Torsten
Seewitz, 28.02.2001 |