Eigentlich müsste
man ausrufen: "Hände weg von diesem Buch!", denn selten
habe ich so viele Druckfehler in einem einzigen Roman gesehen. Doch
der Autor ist für diesem Missstand mit Sicherheit nicht
verantwortlich zu machen. Also zählt einzig, tapfer über die
Fehler hinwegzulesen, denn die Geschichte, die Falko Hennig in
seinem Buch "Alles nur geklaut" zu erzählen hat, ist
äußerst amüsant und für manchen Leser mit Sicherheit auch
lehrreich.
Hennig
erzählt sehr kurzweilig von den Tagen seiner Kindheit und Jugend in
den letzten 20 Jahren der DDR. Es ist dies jedoch kein
Tatsachenroman oder rührseliges Tränenepos über einen
Geknechteten unter der Diktatur des Proletariats, sondern die
humorvolle Story eines J ungen, der es mit den sozialistischen
Eigentumsverhältnissen nicht allzu genau nahm. Betrachteten andere
Kinder Radfahren oder Schwimmen als ihr Hobby, so sah der kleine
Falko seine Lieblingsbeschäftigung im Stehlen. Waren anfangs noch
Spielzeugautos oder Süßigkeiten angesagt, mussten es einige Jahre
später schon Bücher, Fahrräder oder Schreibmaschinen sein, die
unrechtmäßig in sein Eigentum umwandelte. Zwar fürchtet er noch
anfänglich die Strafe seiner Eltern, doch gewöhnte er sich recht
bald an ihre Lamentos und dachte sich statt dessen immer
waghalsigere Lügen aus, um den plötzlichen Besitz bestimmter Dinge
zu rechtfertigen.
Hennig ist bekennender Buchliebhaber, und es grenzt an ein Wunder,
dass er die regionale Stadtbibliothek noch betreten durfte. Aber
seine Diebeskunst hatte er so weit perfektioniert, dass er niemals
entdeckt wurde. Auch nicht, als er ungehemmt in der DDR heiß
begehrte Bücher westdeutscher Verlage stahl, die in den späten
80er Jahren im Rahmen einer Sonderausstellung "Bücher aus der
Bundesrepublik Deutschland" dem DDR-Publikum vorgestellt
wurden. Doch das Paradies brachte erst die Flucht über Ungarn in
den Westen.
Endlich einmal die Frankfurter Buchmesse besuchen, dachte er.
Bücher über Bücher in den Händen halten, von denen er nicht
einmal zu träumen wagte.
Dass der Held des Romans immer einer Bestrafung entging, grenzt bei
der aufgebrachten kriminellen Energie an ein Wunder. Es zahlt sich
eben aus, wenn man eine reiche Phantasie besitzt, die es mit dem
Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge nicht so genau nimmt und um
plausible Erklärungen nie verlegen ist.
Ein wenig merkt man dem Autor Falko Hennig seine geistige Nähe zu
Autoren wie Wladimir Kaminer oder Jakob Hein an, jedoch beweist er
sich als der bessere Geschichtenerzähler. ©Torsten Seewitz, 21.02.2002 |