Die Wiederentdeckung der Werke Sandor Marais gehört bei all
der jährlich einströmenden Bücherflut zu den glücklichen
Umständen, die vor allem beweisen, dass es noch immer literarische Schätze zu bergen gibt. Wurde Marai in
Deutschland noch in den 50er Jahren verlegt, so nahm das
Interesse an seinen Büchern in den Folgezeit spürbar ab.
Vor allem dem kleinen aber engagierten Oberbaum Verlag ist es
zu verdanken, dass der Autor nicht ganz in Vergessenheit
geriet. Doch erst die Neuausgabe des Romans "Die
Glut" im Piper Verlag zog eine wahrhaftige Renaissance
nach sich, in deren Folge Werke wie "Das Vermächtnis der
Esther", "Land, Land" oder die
"Bekenntnisse eines Bürgers" erschienen. Nun legt
der Piper Verlag mit "Die jungen Rebellen" (1930)
ein Frühwerk Marais vor und erbringt gleichzeitig den Beweis
für die frühe Meisterschaft des zu Unrecht Vergessenen.
Vor allem auto biographisch beeinflusst, fängt Marai in seinem
Roman die morbid düstere Stimmung zur Zeit des 1.Weltkrieges
im kleinen Städtchen Kaschau ein.
Es sind dies Bilder einer längst vergessenen Zeit, einer Zeit
des Erwachsenwerdens im Angesicht des Krieges, in der die
Jugend ihren Platz auf dem Schlachtfeld findet.
Abel, der Sohn eines Arztes, liegt, noch umnebelt vom Alkohol
und Zigarettendunst, erwachend im Bett. Es ist noch nicht lang
her, als seine Freunde bei ihm waren, um ihren Schulabschluss
zu feiern, Karten zu spielen und ihre Freiheit zu genießen.
In ihren Familien gibt es keinen Halt mehr; die Väter
kämpfen an der Front und ihre Mütter grämen sich aus Sorge
um den Liebsten. Sie verbündet das gleiche Schicksal, egal ob
es der schöne Tibor mit seinem kriegsversehrten Bruder Lajos
oder Ernö, der Sohn des Schusters, ist. Sie suchen nach dem
Sinn des Lebens, bauen sich ihre eigene trügerische Welt auf,
um den Schmerz des Erwachsenwerdens und die grausame Realität
zu vergessen.
Nur anderthalb Tage dauert die Handlung, doch versteht es
Marai vortrefflich, die Erinnerungen an Vergangenes kunstvoll
mit gegenwärtigem Geschehen zu verweben. So entsteht vor dem
inneren Auge des Lesers eine in eindringlichen sprachlichen
Bildern gezeichnete Welt, die die Ängste der Heranwachsenden
vor der blutrünstigen Kriegswelt förmlich spürbar macht.
Sie beginnen Geld zu stehlen, kaufen sich langersehnte Sachen,
ein Preis der letzten Endes allen teuer zu stehen kommt.
Einzig das Vertrauen ineinander und zu einem gescheiterten
Provinzschauspieler lässt die sie Trostlosigkeit der Zukunft
vergessen. Doch zerbricht das Idyll als sie entdecken, dass
einer von ihnen nicht mit offenen Karten spielt.
Mit "Die jungen Rebellen" hat Sandor Marai
eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er bereits sehr
früh ein feines Gespür für menschliche Stimmungen
entwickelte, die er meisterhaft in Worte zu kleiden vermochte.
©Torsten Seewitz, 04.11.2001 |