Was bleibt, wenn das sorgsam gewahrte Idyll
einer bürgerlichen Ehe durch scheinbar banale Ereignisse Risse bekommt? Die
schützende Hülle wird durchlässig und gibt den Blick auf das Innere des
Menschen frei. Bislang verborgene Emotionen dringen ungehindert nach Außen und
konfrontieren den Gegenüber mit der Nacktheit der Realität.
Sophie und Otto Bentwood, ein gut situiertes Ehepaar im New York der siebziger
Jahre. Sie schreibt Drehbücher, ihr Mann arbeitet als erfolgreicher Anwalt. Man
könnte ihre Ehe glücklich nennen, wäre da nicht das Ritualisierte,
Eingeschliffene - die Gewohnheit. Diese wird eines Abends gestört als Sophie,
von Mitleid getrieben, sich einer streunenden Katze erbarmt und ihr Milch zu
trinken gibt. Doch wider Erwarten zeigt das Tier keine Dankbarkeit, sondern
beißt Sophie in die Hand. Schockiert ob dieses unerwarteten Angriffs, bemüht
sich Sophie ihr Fassung zu bewahren, fühlte sich aber, "als wäre sie bei
einer schändlichen Tat ertappt worden". Plötzlich war sie da, die Angst.
Das Brutale der Außenwelt hatte sich einen Weg in ihre Wohnung gesucht. Ganz
nebenbei teilte ihr Mann mit, dass er sich von seinem langjährigen
Kanzleipartner getrennt habe. Der ehedem gleichmäßige Fluss des Vertrauten war
fortan unterbrochen und mit ihm die vertrauten Sicherheiten.
Ein heranbrechendes Chaos, durch die Angst vor einer möglichen Tollwutinfektion
ausgelöst, lässt die Gefühlswelt von Sophie eskalieren. Wie durch einen Fokus
nimmt sie fortan ihre Umwelt war, die alles anderem als einem Idyll glich. Das
bislang Gelebte erschien ihr plötzlich banal und verlogen. Was war das, ihr
Leben? Eine Ehe, die nur noch aus Gewohnheit weiterbestand und deren Monotonie
sie mit einer leidenschaftlichen Affäre zu einem anderen Mann zu umgehen
versuchte. Freundschaften, die oberflächlich blieben. Ein Ferienhaus auf dem
Land, welches von Einbrechern verwüstet wurde.
Paula Fox gelingt mit ihrem Roman "Was am Ende bleibt" das grandioses
Psychogramm einer Ehe. Obgleich in ihrer Sprache unprätentiös, vermag sie
jedoch tief und mitfühlbar in die Psyche ihrer Protagonisten einzudringen. Die
in New York lebende Autorin veröffentlichte diesen Roman bereits zu Beginn der
siebziger Jahre. 1971 erfolgreich mit Shirley McLaine in der Hauptrolle
verfilmt, geriet der Roman in den folgenden Jahren in Vergessenheit. Seine
Renaissance löste in den USA eine Welle der Begeisterung aus und Kritiker
bezeichneten "Was am Ende bleibt?" als "eines der wichtigsten
amerikanischen Bücher dieses Jahrhunderts".
Fortan ist die Herrenriege der erfolgreichen amerikanischen Schriftsteller wie
James Salter (dessen Romane ebenfalls wiederentdeckt werden), Raymond Carver und
John Updike um eine Frau, Paula Fox, wenn auch 30 Jahre später, bereichert
worden. ©Torsten Seewitz, 6.10.2000
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