meine psyche kotzt
autoabgase in der
stehenden mittagsschwüle
imitieren dein
tuntensüßes parfum
atome der erinnerung
fügen sich zu molekülen
zerfallen auf dem
heißen asphalt gedanken
wachsen wie
neurotische schatten
meines abgetragenen
selbst
verankert in der
betonwüste
ich analysiere mein
mosaik
und sehe amor verbluten
unter den rädern der
straßenbahn
Von
Schnecken und Menschen
Wie die starren! Bestimmt alles
Ex-BDM-Mädels! Starren die ihn so dumm an oder mich? Mich blauäugiges,
arisches Mädel... Carlos und mich... Ich und dieser langhaarige Wilde,
mich mit diesem dunkelhäutigen Exoten... Ich muß hier raus!
Das war ein sehr schöner
Spaziergang. Lots of laugh, geiles Wetter..."
Ja, Carlos. Jetzt weiß
ich auch endlich, dass diese häßliche Stadt unheimlich schöne
Seiten hat."
Er merkts nicht. Zum Glück
merkt ers nicht! Diese alten Weiber! Denken bestimmt wie Opa. Stur und
verbohrt. Dunkle Schnecken paaren sich nicht mit weißen, instinktiv
nicht. Also dürfen Menschen das auch nicht. Seine These! Naja, die Alten
können ja im Grunde genommen nichts dazu, sind ja schließlich unterm
Hakenkreuz erzogen worden. Oh... Aber ich glaube, ich habe... Nein!
Ich habe mich... Verflixt!
Nächste Haltestelle:
Rathaus."
Ich würde dich gerne
zu mir zum Essen einladen."
Du kannst kochen? Ich kenne
nicht sehr viele Männer, die kochen können. Eigentlich gar keinen."
Ja, und schön scharf
mit viel Chili!"
Ich weiß so wenig über
Ecuador. Zu wenig. Auch nichts über die Essensgewohnheiten. Die pumpen
einen ja voll mit deutschem Mief... in den Schulen. Scheiße! Mich hats...
irgendwie erwischt. Er kann kochen. Pluspunkt für ihn! Da hat er mir
echt was voraus. Oh Mann, und sein südamerikanisches Temperament! Seine
feurigen braunen Augen! Seine künstlerische Begabung! Wow! Das nenn
ich Leidenschaft! Ganz anders als bei deutschen Männern. Aber... Was...
wenn? Es war so geil heute in der Aue! Hab mich gefühlt als wär
ich irgendwo an der Seine in Paris. Die Mäuler würden sie sich bei
mir im Kaff zerreißen! Seine spontanen, impulsiven Umarmungen im Park!
Überrumpelt hats mich! Einfach geil! Wir haben so viel gelacht,
haben so viel gemeinsam! Muß die Alte da an der Tür so vorwurfsvoll
zu uns rüber glotzen? Oh Gott, mach uns unsichtbar! Nein, ich muß...
ich müßte im Ernstfall dazu stehen. Zu ihm stehen
Deine Hände glühen,
Süße."
Seine Hand... Schon wieder streichelt
er meine Hand, drückt sie, will Kräfte messen! Gleich frißt
die Alte mich auf! Ätzend!
Ach ja? Ich hab aber
auch saure Seiten. Also bin ich wohl eher süßsauer als süß."
Das macht mich nervös!
Total! Als hätt ich was verbrochen! Im Land der Rotgestreiften
sind alle rotgestreift... Heißt es nicht so in dem Kinderlied? Würden
mich seine Landsleute in Ecuador genauso blöd anglotzen?
Ha, ha! Sweet-sour! Hast
du starke Hände! Du bist eine richtige Kraft-Frau!"
Kraft-Frau schön
wärs! Opa und seine verdammte Schnecken-Theorie! Wenn Carlos Engländer
oder Franzose wäre... Ja, dann würde kein Schwein was sagen! Engstirnige
Spießer! Ein Segen, dass ich jetzt studiere und die mein Leben
nicht mehr kontrollieren können!
Vielleicht liegt das am Hantel-Training.
Die anderen Mädchen in meinem Gymnastik-Kurs in der Schule wollten nie
Zweier-Kraftübungen mit mir machen, weil ich denen zu stark war."
Das kann ich mir gut vorstellen
"
Ich mit diesem Ausländer.
Ich hör Oma und Opa schon reden! Und dann ist er noch Künstler!
Nein! Die ziehen ja schon über meinen Hang zu brotlosen Künsten
her! Und er lebt von seiner Musik! Ich will auch irgendwann davon leben!
Nächste Haltestelle:
Friedrichsplatz."
Hoffentlich steigen die aus!
Oder... Nein, verdammt. Aber egal...
Ich werde dich verführen,
Süßsaure."
Hab ich richtig gehört?!
Was will er?!
Wie bitte, Carlos?"
Ich werde dich verführen."
Nein, das schaffst du sowieso nicht. Nie im Leben!"
Doch, doch. Ich weiß,
dass ich es schaffe."
Was für ein ausgeprägtes
Selbstbewußtsein! Lustig, irgendwie! Nur... warum sagt er das? Ist das
seine scharfe Latin-Lover-Mentalität? Kein deutscher Mann wäre so
unverschämt direkt! Jedenfalls hab ich noch keinen kennengelernt.
Und das in der Straßenbahn! Wie heiß! Aber... Was hat er für
Absichten? Will er mich nur benutzen, um seinen Trieb an mir auszuleben? Ich
werde dich verführen. Wie soll ich das deuten?
Du bist verrückt."
Verrücktheit ist ein
ganz typisches Merkmal der Postmoderne, Süßsaure."
Die ganze Welt ist ein riesengroßes
Irrenhaus, meiner Meinung nach."
So hast du das gut auf den
Punkt gebracht."
Nächste Haltestelle:
Königsplatz."
Laß uns aussteigen,
du verrückter Kerl."
Liebe,
Logik, Literatur
Seit den frühesten Ursprüngen
der menschlichen Rasse auf diesem wunderbaren blauen Planeten Erde existiert
neben uns, in uns und in unserem obskuren Hinterhalt ein verzwicktes, besitzergreifendes
Abstraktum, dem wir aufgrund seiner Komplexität nur wenig konkrete Definitionen
zuzuordnen wissen: die Liebe. Wie läßt sich dieses komplizierte
Phänomen aber einfach erklären? Entzieht sich die Liebe nicht
jeglicher Logik? Die Liebe läßt sich, und das scheint in unserem
Alltag wissenschaftlich erwiesen, weder in mathematische Formeln pressen,
noch, von dem Wort einmal abgesehen, in phonetische Lautschrift transkribieren.
Sie ist absurd. Ein absurdes Konstrukt. Ein Wechselspiel des Gebens und Nehmens,
würden manche behaupten. Andere wiederum sehen in ihr nichts anderes
als ein Ausschütten von Ferromonen, welches allein sie von Freundschaft
differenziere, im Klartext, ein dekadentes Abdriften rein platonischer Zuneigung
in Triebe und Gefühle. Eine süße Krankheit. Rausch, vergleichbar
mit Alkoholismus. Sanfter Wahn, im Extremfall Selbstaufgabe, was zu psychischen
Defekten führen kann. Die Deutungen häufen sich, überlappen.
Man verliert den Überblick zwischen grauen Theorien, schwarz auf weißes
Papier gedruckt, fest verzahnt und vielbedichtet in den billigsten Groschenromanen
sowie in den renommiertesten Werken der Weltliteratur. Liebe (= Triebe?) und
Literatur. Selbst der schlechteste Fick sei nicht so öde wie Literatur,
wie sich Bukowsky diesbezüglich äußert. Nun, liebe Leser,
dieses wenn auch paraphrasierte Zitat verleitet mich spontan zu einer Verknüpfung
mit folgendem Beispiel, welches die alltäglichen Absurditäten der
Liebe pointiert thematisiert und menschliches Dasein an sich wie ein absurdes
Theaterstück darstellt.
Graue Theorien, geistige Kost auf
trockenem Papier danach gierten sie, jene beiden intellekt-gesteuerten
Literaten, die Bücher wie das tägliche Brot fraßen, sich die
Finger wundschrieben, um irgendwann einmal der Nachwelt ihre Namen und den
Gedankenschwall ihrer kreativen Köpfe zu hinterlassen. Erst recht das
Austauschen ihrer Gedanken, ja, das befriedigte sie, das gegenseitige Beflügeln
ihrer ambitionierten, literarischen Geister, das spornte sie an. Und dass
er neben seiner literarischen Begabung auch die Kunst des Kochens beherrschte,
das wollte er ihr beweisen. Goethe, Schiller, Kafka und Brecht alle
würden sie im Geiste mit ihnen am Tisch sitzen, zu fachspezifischen Gesprächen
anregen, vielleicht sogar neue literarische Erkenntnisse in ihnen hervorrufen,
sie zu neuem Schaffen inspirieren. Nach dem Essen reihte sich schließlich
Nabokovs Nymphchen" Lolita in ihr literarisches Duett ein.
Der Stoff dieses Romans beruht
allein auf den Recherchen des Autors. Das finde ich doch sehr bemerkenswert",
sagte sie nüchtern.
Ob Nabokov kleine Mädchen
mochte, ist meiner Ansicht nach völlig irrelevant. Hauptsache, ein Buch",
antwortete er ruhig, und mit feuriger Leidenschaft fielen sie übereinander
her. Waren es die scharfen Nachwirkungen des Cayenne-Pfeffers, mit dem er
das Essen gewürzt hatte? Ihre analytischen Geister blockierten, animalische
Instinkte stießen sie stürmisch in ein tiefes Faß voller
Cayenne-Pfeffer. Bebend suhlten sich ihre Körper in der brennenden Schärfe
seines Lieblingsgewürzes. Filmriß. Nichts war geplant, nichts kalkuliert.
Das wilde Tier Mensch, selbst in diesen beiden faustisch vorwärtsstrebenden
Literaten fristete es ein latentes Randdasein und degradierte sie mit seinem
temperamentvollen Ausbruch zu Sklaven. Zwei Seelen prügelten sich, ach,
in ihrer Brust. David und Goliath, Goliath in hemmungsloser Geilheit überwältigte
David aus dem Hinterhalt, was meines Erachtens, liebe Leser, die in der Exposition
aufgestellte Hypothese in eine unumstürzliche These transformiert.