
Lucky
me swimming in my ability Red Hot Chili Pepper
Der
letzte Akkord eines Songs verebbt im Abflauen der Bühnenlichter.
Peter Sterner verneigt sich in den Saal hinein, und nach einer kurzen
Pause der Ergriffenheit umbrandet ihn Applaus. Das Publikum erhebt sich
von den Sitzplätzen. Der Moderator kommt quer über die Bühne
auf Sterner zugeschritten, applaudiert demonstrativ, legt anerkennend
seinen Arm um den Star und blickt verliebt in die Kamera. Der Mund des
Talkmasters ist zu seinem unnachahmlichen Grinsen verzogen, dem Lächeln
eines von Läusen befreiten Primaten. Pitar Sdörna und
sein Hit Dancing Like a Pharao, meine Damen und Herren!
versucht er, sich durch den brandenden Applaus hindurch Gehör zu
verschaffen.
Nie
hätte Sterner sechs Monate zuvor damit gerechnet, dass er je wirklich
als Weltstar im gleißenden Scheinwerferlicht vor den Fernsehkameras
stehen würde. Nie damit, dass er sich vor Bewunderern und Verehrern
kaum retten können würde. Und während ihn der Talkmaster
zum Interview auf die Couch bittet, damit er dem Millionenpublikum das
Geheimnis seines Erfolges beichtet, blitzen in Sterners Gedächtnis
schlaglichtartig jene Stationen seiner Karriere auf, die über ihn
unvermittelt hereinbrach wie ein warmes, erfrischendes Sommergewitter.
Wie
kam es, Pitar, dass ...? Auf diese Frage, schon tausend
Mal gestellt, hat sich Sterner seine Antwort zurechtgelegt. Wir kennen
sie aus dem Fernsehen und aus seinen Zeitungsinterviews: Wie er entdeckt
wurde; wie sich nach langer, harter Arbeit sein Erfolg endlich
mit einer unglaublichen Leichtigkeit einstellte. Wir kennen diese Geschichten,
und wir können uns denken, dass sie erstunken und erlogen ist.
Genauso, wie wir wissen, dass Sterner nur faselt, wenn er sagt: Was
mich am meisten beglückt, sind nicht die Millionen, die auf meine
Konten einfließen. Nicht die Villen, Südseeinseln, Sportautos
und all die anderen Kleinigkeiten, die mir das Leben versüßen.
Nein, für mich zählt nur eines: Dass ich ein zutiefst zufriedener
Mensch bin, und dass ich es trotz des Erfolges geblieben bin. Und ich
meine, wie ich es sage: Zufriedenheit, das ist, wenn deine Seele Flügel
bekommt und du weißt, alle Wege stehen dir offen, weil dein Herz
dir jede Tür aufmacht.
So
ein Schmarren.
Was
in den Medien nie erzählt wird, weil es von Sterners Management
aus seinem Lebenslauf gestrichen wurde, sind jene zahllosen Tage, an
denen er als verbissener, kleiner Immobilienmakler in unserer Stadt
versuchte, seine dürftigen Wohnungen anzubringen. Hier hat unsere
Geschichte einzusetzen. Denn hier hat alles seinen Ausgang genommen.
Und Sterner kann sich noch genau an den Zeitpunkt erinnern, an dem alles
anfing.
Rückblende:
Es war einer dieser tristen Tage, an denen der Himmel wie aus Pappmaché
über der Stadt hing. Peter Sterner hatte gerade eine seiner unsäglich
durchschnittlichen Wohnungen an eines dieser unsäglich durchschnittlichen
Akademikerpaare vercheckt. Nun saß er wieder in seinem Golf Cabriolet
und blickte zum Ausparken in den Seitenspiegel, als er bemerkte, dass
er seine Aktentasche in der Wohnung vergessen hatte. Und damit fing
die ganze Sache an. Es hört sich lächerlich an, aber so war
es: Dass er seine Tasche vergessen hatte, sollte ihn aus seiner kleinkarierten
Bahn hinaus schleudern und in die höchsten Sphären befördern.
Während
er erneut die drei Stockwerke hochstieg, um die vergessene Tasche zu
holen, ahnte er noch nichts. Auch nicht, als er in der Wohnung war,
seine Tasche bereits in Händen hielt und ein Geräusch aus
der Küche vernahm, oder besser: etwas, das sich wie das Gackern
eines Huhnes anhörte und aus dem Schrank zu kommen schien. Sterner
ging in die Küche und öffnete alle Türen des Schrankes,
um nach der Ursache des Geräusches zu forschen. Er wusste nicht,
dass sein Glück die Ursache war. Es hatte ein bisschen gekrächzt,
um ihm zu sagen: Hier stecke ich. Schau nach mir. Er hätte das
Geräusch genauso gut ignorieren können, sich nichts denken,
seine Tasche nehmen und verschwinden. Aber er tat es nicht. Zum Glück.
Er forschte nach der Quelle des seltsamen Gackerns. Sterner klappte
alle Türen der Kästchen auf und zu, blickte auf sauber staubgewischte,
leere Regale. Nur im letzten Kästchen, das er öffnete, lag
etwas: ein Kuvert. Und im Kuvert fand Sterner, als er es hektisch aufriss:
ein Brieflos.
Und
damit begannen sich die Dinge zu überschlagen. Draußen teilte
sich der Pappmachéhimmel wie ein Vorhang und gab gleißenden
Sonnenschein frei. Und in fernen Weiten stürzte ein böser
Stern, der bisher Sterners Leben überschattet hatte, in den Abgrund
eines unendlich leeren, unendlich schwarzen Loches. Wie sonst
erklärt man sich das Unerklärliche? Mit welchen anderen Metaphern
als den geheimnisvollen Einwirkungen von Vorgängen in weiten Fernen
kann man das Unfassbare, das sich direkt vor unseren Augen ereignet,
fassen? Sterner wunderte sich. Woher kam das Los? Warum wurde es nicht
gefunden, als sich das Akademikerpaar den Kasten ansah? Hatte es jemand
vergessen? Hatte es das war der noch viel unverständlichere
Gedanke jemand extra für ihn dort liegengelassen? Und wenn
ja: Wer? Und übrigens: Wo war das Huhn, das er gehört hatte?
Sterner
hatte keine Zeit, den Dingen auf den Grund zu gehen, denn es klingelte.
Er wickelte das Los in sein Taschentuch und steckte es in die Brusttasche
seines Jacketts. Dann ging er in den Vorraum, um den Türöffner
zu betätigen. Es klingelte nochmals. Die Person musste bereits
vor der Tür stehen. Sterner schaute durch das Guckloch und sah
eine Frau: Die schönste Frau, die ihm je unter die Augen gekommen
war. Er öffnete. Sah sie fragend an. Ihre Blicke kreuzten sich.
Sterners Herz stand für einen angehaltenen Atemzug lang still.
Als ihm wieder einfiel Luft zu holen, merkte er, dass sie nicht nur
die erste Person mit echten Designerkleidern war, die ihm an diesem
Tag unterkam, sondern auch, dass sich seine Hose vorne wölbte.
Ich
komme wegen der Wohnung, sagte die Frau.
Das
muss ein Irrtum sein. Aber treten Sie bitte ein!
Sterner
hatte keinen zweiten Termin zur Besichtigung der Wohnung vereinbart.
Trotzdem fragte er die Frau nicht, woher sie von der Wohnung wusste.
Er war von ihrer Schönheit überwältigt und zeigte ihr
die Räume, ohne sich seine Aufregung anmerken zu lassen.
Ich
will ehrlich zu Ihnen sein, sagte er gleich im ersten Zimmer:
Diese Wohnung ist nichts für Sie. Ich zeige Ihnen lieber
ein besser gelegenes Objekt, das Sie ganz sicher entzücken wird.
Und
ich will ehrlich zu dir sein, hauchte sie als Entgegnung: Die
Wohnung interessiert mich eigentlich gar nicht, sondern ein ganz anderes
Objekt, das mich ganz sicher entzücken wird!
Und
dabei drückte sie sich eng an Peter Sterner, fasste an seine Hose
und zog ihn zu Boden. Es war wie im Film eine dieser hocherotischen
Szenen, wo zwei Menschen ihre perfekten, nackten Körper einander
annähern, um sich schließlich in einer grenzmystischen Energieentladung
zu vereinigen. Und diese Szene projizierte sich nun von der Leinwand
herab auf Sterners Leben, mit ihm und der schönen Unbekannten in
der Hauptrolle.
Die
vormals noch öde Bleibe verwandelte sich unter Küssen und
Umarmungen in einen Tempel der Liebe. Unter halb gestöhnten Bereitheitsbezeugungen,
die seine Erregung nur noch steigerte, riss die Frau ihm und sich selbst
die Kleider vom Leib.
Ich
heiße Uschi, flüsterte sie. Ich bin Palmers-Model.
Als ich dich in der Tür sah, stellte ich dich mir in der neuen
Männerunterhosenkollektion vor!
Sterner
seinerseits streifte atemlos Uschis dünnes Etwas von Höschen
und Strümpfen von ihrer makellosen Haut und geriet in einen erotischen
Taumel, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Seine Lust wuchs sich zum
reinsten Liebesrausch aus, der sich ins Unendliche steigerte. Bald schon
tauchten die beiden in ihren ersten Höhepunkt ein. Dabei war es,
als würde der ganze Strahlehimmel draußen vor den Fenstern
von riesigen roten Herzen überzogen sein, die zum Donauwalzer über
den Dächern kreiselten. Es war einfach un-glaub-lich!
Eineinhalb
Stunden später kehrte Sterner ins Büro zurück. Er war
glücklich. Er pfiff wie immer, wenn er bester Dinge war
die Melodie von Deutschland, Deutschland über alles!
Daran änderte sich auch nichts, als ihm die Sekretärin entgegenstürzte
und in Tränen aufgelöst mitteilte, dass der Chef mit einem
schweren Herzinfarkt ins Spital eingeliefert worden war und es nicht
gut für ihn ausschaue. Mit dieser Nachricht war der letzte Beweis
erbracht. Peter Sterner wurde schlagartig klar, was er bereits geahnt
hatte: Dieser Tag war sein unumstößlicher Glückstag.
Alles Schwere war von ihm abgefallen, und nun purzelten die Ereignisse,
eines beglückender als das andere, endlos auf ihn ein. Er nahm
sich augenblicklich frei und fuhr nach Hause.
Auf
den Gehsteigen erblickte er Leute, die sich wie Hunde nach ihrem Hinterteil
reckten. Sie versuchten, sich selbst in den Allerwertesten zu beißen.
Männer in Anzügen und Frauen in Geschäftskostümen
standen vor Laternenmasten und schlugen mit dem Kopf dagegen. Sie torkelten
den Gehsteig entlang, und ihre Gesichter flogen hin und her von den
Ohrfeigen, die sie sich selbst verabreichten. Sterner winkte ihnen fröhlich
aus seinem offenen Cabrio zu. Ein neues Leben hatte begonnen. Jahrelang
hatte er uninteressante Menschen in Wohnungen aller Art und Größe
geführt, um sie zu bedienen, sich bei ihnen anzudienen und sie
hinters Licht zu führen. Er hatte gewusst, das konnte nicht alles
sein. Sicher: Er hatte sein Cabrio, seine Stunden im Fitnesscenter,
seine Clique im In-Lokal und seine liebste Herrenboutique. Aber bei
all dem hatte er sich im Innersten immer übervorteilt gefühlt.
Oft und oft hatte er sich gefragt, warum immer die anderen die großen
Villen hatten und die Super-Models als Freundinnen, mit denen sie in
den neuesten James-Bond-Gefährten spazieren fuhren. Warum die anderen,
und nie er?! Und jetzt, auf einmal, spürte er, dass sich auch ihm
diese Welt auf täte. Die Türen öffneten sich und dahinter
warteten VIP-Lounges und Bars, in denen dienstfertige Chefober Martini
Drys mit leichter Verbeugung überreichten. Eine Welt, in der sich
die Rollen ändern sollten und er, Peter Sterner, derjenige war,
den es zu hofieren galt. Ganz sicher! Und die Eintrittskarte in diese
Welt war: Das Brieflos aus der Wohnung!!!
Zuhause
fiel es ihm wieder ein. Er fischte es aus dem Sakko, wickelte es aus
dem Taschentuch und sah es sich aus der Nähe an. Dabei kam er ins
Philosophieren. Was war es, das Brieflos?! fragte sich Peter Sterner.
Nichts! War die Antwort. Nichts als ein lausiges, bunt bedrucktes Stück
Papier, an das viel zu viele Menschen magische Wünsche hefteten!
Sterner
überlegte, sein Brieflos ungeöffnet wegzuwerfen, einfach,
um sein Glück zu provozieren. Er würde, war er nach den Ereignissen
der vergangenen Stunden überzeugt, noch jede Menge solcher Chancen
bekommen. Er hatte es nicht nötig, wie ein Idiot auf eine Chance
zu gieren, die es nicht wirklich gab. Ein Brieflos, dachte er, wäre
unter seiner Würde. Kurzerhand zerfetzte er es in fünfzig
kleine Stückchen.
Nein,
natürlich nicht. Sterner kann zwar als Ungustl bezeichnet werden.
Aber er war kein Trottel. Und es war ihm klar, dass er sich als solcher
erwiesen hätte, wenn er das Brieflos in Stücke riss. Nein!
Also riss er die Perforation des Briefloses auf. Was soll man sagen?
Dass sich in diesem Los die Million befand, der Tausende
hinterher hecheln, und dass Peter Sterner derjenige war, dem das Los
in die Hände geriet? Ihn selbst überraschte es nicht
im Geringsten. Im Gegenteil: Er wusste von dem Moment an, da er das
Brieflos gefunden hatte, dass im Feld, wo bisher jedes Mal leider
nicht gestanden war, diesmal 1,000.000, öS
zu lesen sein würde. Und als es dann wirklich so war, ließ
es ihn kalt. Er zitterte nicht, machte keinen Luftsprung, er drehte
nicht vor Freude durch, sondern faltete das Papierbriefchen wieder zusammen,
steckte es in die Geldbörse, nippte vom Martini, den er sich bereitet
hatte, und nahm sich vor, am nächsten Tag bei der Lottogesellschaft
anzurufen, um seinen Gewinn einzufordern. Die Million würde ihm
ein paar Monate sorglosen Lebens bescheren. Er rief Uschi an: Pack
die Koffer, Darling! Wir vertschüssen uns in Richtung Süden!
Morgen geht es los.
Die
nächsten Monate waren die bis dahin schönsten in Sterners
Leben. Er gab seinen Job auf und flog mit Uschi auf die Malediven. Sie
verbrachten traumhafte Wochen unter der tropischen Sonne, tranken Bacardi-Rum
an weißen Sandstränden und ließen sich von einheimischen
Kellnern wie Fürsten bewirten. Zwischendurch hatten sie himmlischen
Sex auf gemieteten Yachten und in vollklimatisierten Fünf-Sterne-Bungalows.
Tagsüber gingen sie tauchen, oder sie ließen sich mit Fischerbooten
auf unbewohnte Inseln bringen. Abends speisten sie in den Restaurants
und Bars der besten Hotels, die sie im Lauf der Wochen auf den einzelnen
Atolls kennerlernten. Und in der Nacht schauten sie sich den Sternenhimmel
an, wenn sie nicht gerade wieder übereinander herfielen.
An
einem dieser wunderbaren Tage klimperte Sterner in der Hängematte
auf einer Gitarre herum, und Uschi meinte, das höre sich gut an;
er solle doch Lieder schreiben und sie aufnehmen. Tja, wenn du
meinst ..., sagte Sterner und dachte schon nicht mehr daran. Doch
nachdem sie nach Europa zurückgekehrt waren und sich Uschi in ein
Sanatorium legte, um ihre Brüste noch einmal vergrößern
zu lassen, mietete er sich ein Studio, wo er mit ein paar Musikern eine
Handvoll Songs aufnahm, die er auf den Malediven geklimpert hatte. Es
waren Liebeslieder, in denen er die zunehmende Schönheit von Uschi
besang, tropische Sonnenuntergänge, die faszinierende Unterwasserwelt
und schillernde Orgasmen. Sterner hatte nicht vor, irgendetwas mit diesen
Songs zu machen. Er nahm die Lieder nur für sich und Uschi auf,
damit sie im Autoradio etwas zum Anhören hätten, wenn sie
mit ihrem frisch geleasten BMW auf Spritztour gingen.
Uschi
sah umwerfend aus, als er sie vom Sanatorium abholte. Noch bezaubernder
als bisher. Oh, Baby, stöhnte er, wie soll ich
mit so viel Schönheit nur fertig werden?
Trag
es mit Fassung, du wirst dich daran gewöhnen, meinte sie.
Sterner hatte eine Überraschung für sie: Zwei Karten für
die VIP-Tribüne beim aktuellen Stones-Konzert in Monaco. Sie machten
sich auf den Weg. Ab ging es in Richtung Ruhm und Reichtum.
Wenige
Kilometer vor Monte Carlo stand ein Bus mit eingeschalteten Warnblinkern
am Pannenstreifen. Für gewöhnlich hielt Sterner nicht an,
sondern stieg fest aufs Gas, wenn er eine Panne oder einen Unfall sah.
Sterner kannte ein Buch, in dem stand, dass man sich seine Krankheiten
gezielt zuziehe. Als Mangelerscheinung der Seele. Bestimmt zieht man
sich auch seine Unfälle und Pannen zu, war er überzeugt. Was
also sollte er mit anderer Leute Unfälle und Seelenmangel anfangen?
Wenn man sich mit Verlierern abgibt, wird man am Ende nur selbst zum
Verlierer, war seine Devise. Trotzdem hielt er an. Und wieder hatte
er, wie am Tag, als er seine Aktentasche in der Altbauwohnung vergaß,
den goldrichtigen Riecher: Was da am Straßenrand mit rauchendem
Motor parkte, war der Tour-Bus der Rolling Stones auf dem Weg zu ihrem
Konzert.
Well,
sagte Sterner zu Mick Jagger, der neben dem Bus stand und fluchte, I
guess youre on the way to the concert. Brauchts an lift?
Wenig
später drängten sich Mick, Keith Richards und Charlie Watts
auf der Rückbank des BMW. Ihre Laune hatte sich gebessert. Keith
hatte sich sogar einen Joint, groß wie ein Pilsglas, angeraucht.
Der Kelch machte die Runde und landete bald in den Händen des Fahrers.
Nach nur einem Zug war Sterner vollkommen berauscht, seine Mundwinkel
hoben sich in Richtung Augenbrauen. Als er in den Rückspiegel blickte,
sah er, dass auch die Stones da saßen wie drei fette Grinsekatzen.
Uschi,
lächelte er, ist das nicht himmlisch?!
Und
Uschi antwortete mit einem Lachkrampf, der sie wie ein Huhn gackern
ließ. Da fiel Sterner ein, er könnte jetzt das Band mit den
Maledivensongs abspielen.
Gleich
als erstes kam sein persönliches Lieblingslied, Sucking like
a Pharao.
Hey,
whats that? Thats bloody great! hörte
er Keith Richards krächzen. Und auch Mick Jagger, der kurzfristig
leicht weggetreten war, wachte wieder auf und wurde rot. The song
is fabulous! war er begeistert. Only the refrain might be
a bit too rude.
Wie
meint ihr das? fragte Sterner, der einige von den schmutzigen
Liedern der Stones besonders gerne mochte. Nun erfuhr er unter
der Bedingung allerstrengster Geheimhaltung , dass sich die Band
im Studio doubeln ließen, wenn zweideutige Texte aufgenommen wurden.
Aber: Sein Lied hatte auf der Rückbank eingeschlagen, kein Zweifel.
Selbst der stille Charlie Watts, der Keith Richards Wundertüte
stoisch aufgesogen hatte und, abgesehen von einem feinen Leuchten in
seinen Augen, als einziger keine Reaktion darauf zeigte, fing an, mit
den Händen den Rhythmus von Sucking Like a Pharao zu
trommeln.
Hey,
Mann, du musst das verdammte Lied unbedingt vor Publikum spielen!
krächzte Keith. Die werden sich alle auf der Stelle anscheißen,
das verspreche ich dir!
Und
Mick, der zwar voll bedröhnt war, aber nicht bedröhnt genug,
um das Geschäftliche aus den Augen zu verlieren, hatte eine ziemlich
gute Idee: Sing doch Dancing like a Pharao statt Sucking
like a Pharao!
Hey,
und wie wärs, wenn du es gleich heute in unserer Show spielst,
sagte nun Keith.
Yeah.
Das war Charlie Watts Kommentar.
...
in unSeRerr Ssschoou schpielssst ... hörte Sterner aus galaktischer
Entfernung. Im Geist sah er sich auf der Bühne stehen. Seine Augen
waren zusammenkniffen wie die eines besoffenen Walrosses. Er grinste
zwei Meter breit und blinzelte in das gleißende Irrlicht der stoneschen
Laser-Show.
Wed
like to introduce... hörte er Mick Jagger ins Publikum brüllen,
... a very special friend of ours. For the first time ever, here
on stage: the future of RocknRoll! Ladies and Gentlemen
please welcome:
Und
dann hörte er, Pitar Sdörna, seinen eigenen Namen, der sich
mit einem frenetischen Schrei aus 70.000 Kehlen vermischte.
Sofort
spielte Keith Richards das Riff von Dancing like a Pharao
an, das er beim Soundcheck eingeübt hatte, Charlie Watts lieferte
einen seiner unvergleichlich lässigen Einsätze und Mick betätigte
sich hinter ihm als Bühnentänzer und Backgroundsänger.
Sterner griff zum Mikrophon, als wäre es das Selbstverständlichste
auf der Welt. Und obwohl er ein klein wenig Angst hatte, vor lauter
Nervosität könnte sein Schließmuskel vielleicht doch
versagen, tat er es, als hätte er nie etwas Anderes getan: Er sang
vor 70.000 Zuhörern. Und er erfasste die Menge wie ein Sturm.
Damit
war das Wunder endgültig vollbracht, die Vorsehung des Pophimmels
hatte sich erfüllt. Sterner war der Star des Abends, die Entdeckung
des Jahres. Backstage stürmten Reporter auf ihn zu, und Fotografen
ließen ein Blitzlichtgewitter auf ihn niedergehen. Die Bilder
von seinem sagenhaften Auftritt landeten auf den Titelseiten der internationalen
Musik-, Mode- und Zeitgeistmagazine. Sterner musste sich von einem Tag
auf den anderen daran gewöhnen, sein Gesicht von allen Zeitungen
und Zeitschriften lachen zu sehen. Er wurde von nun an von Schritt auf
Tritt von Leuten bestürmt und um Autogramme und Interviews gebeten.
Er konnte keinen Fuß mehr vor die Haustür setzen, ohne von
einer Fan-Gemeinde umgeben zu sein, die vollkommen aus dem Häuschen
war, nur weil sie ihn leibhaftig sehen durfte. Die 5-Sterne-Hotels,
in denen er ab nun residierte, wurden belagert, seine Autos mit Liebeserklärungen
mit rotem Lippenstift vollgeschmiert. Sterner legte sich Bodyguards
zu, er heuerte eine Managementagentur an und überlegte sich, seinen
Wohnsitz gänzlich nach Monaco zu verlegen, sowohl um den Steuern
zu entgehen, als auch um dem Jet-Set, der ihn zu seinem Liebling erkoren
hatte, näher sein zu können.
Jeden
Tag trudelten tausende Fanbriefe bei ihm ein. Seine in- und ausländischen
Konten explodierten förmlich. Im Büro seines Managers standen
die Leute mit Koffern voller Geld Schlange, das sie Sterner am liebsten
eigenhändig in den Hintern gesteckt hätten, nur um ihn als
Werbeträger zu gewinnen. Er habe hart gearbeitet, sagte er, nach
dem Geheimnis seines Erfolges befragt, immer wieder; und nun ernte er
den Erfolg, zu dem er die besten Voraussetzungen hätte. Das Argument
überzeugte seine Gesprächspartner. Die weiblichen Journalisten
lechzten danach, von Sterner wenigstens berührt zu werden. Ihre
männlichen Kollegen fühlten sich geehrt, wenn sie von Pitar
Sdörna Superstar in der Hotelbar mit einem freundlichen Wort bedacht
wurden. Erste Biographen gingen daran, seine Herkunft und seinen Werdegang
in huldigenden Schriften nachzuzeichnen. Sie vernachlässigten keine
noch so banale Äußerungen aus seinem Mund und gaben getreulich
wieder, welchen Anzug aus der Kollektion wessen Cotouristen er bei welchem
Antritt getragen hatte. Peter Sterner hatte den Überblick verloren,
wer sich alles um seine Person riss. Sollte sich sein Management darum
kümmern. Er stand im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Und doch ist mir bewusst, pflegte er bei Interviews zu sagen:
Ich bin nur einer von Etlichen, die von den Titelseiten der Zeitungen
und Zeitschriften lächeln und deren Namen jedes Kind auf der Welt
kennt. Ich bin einer von den Auserwählten, die stark genug sind,
dass sich in ihnen das Glück der Menschheit bündeln kann.
Und
so sehen wir ihn wieder in unserer Lieblingssendung, Samstag abends,
im Showblock zwischen Madonna und Michael Jackson: als einen der Auserwählten,
die das Glück der Menschheit in sich vereinen.
Stimmt
es, dass du von den Rolling Stones entdeckt wurdest? fragt ihn
der Showmaster, nachdem der Applaus endlich abgeflaut war und sie auf
der Talk-Couch Platz genommen hatten.
Ja,
das war wie im Märchen, antwortet Sterner. Ich traf
die Burschen vor ihrem Monte-Carlo-Konzert, konnte ihnen einen meiner
Songs vorspielen und wurde sofort unter Vertrag genommen.
Da
hast du unwahrscheinliches Glück gehabt.
Ja,
aber vor allem war da eines: Ich habe einen Traum gehabt.
Das
war natürlich Blödsinn von vorn bis hinten. Aber so hatte
er es vor der Show mit Tommi ausgemacht, weil beide wussten, das kommt
beim Publikum gut an.
Pitar
Sdörna, meine Damen und Herren! Vielen Dank, Pitar Sdörna!
Nochmals wurde sein Gesicht in Großaufnahme gezeigt. Dann der
Schwenk, und die Sendung ging weiter: In der nächsten Wette
geht es um einen Geflügelzüchter aus Schleswig Holstein, der
behauptet, er könne jedes einzelne seiner 500 Hühner an ihrem
Gackern erkennen. Aber nicht nur an der Luft, sondern auch unter Wasser.
Applaus für ...
Peter
Sterner rekelte sich unbeobachtet auf der Talk-Couch. Ja. Er hatte es
geschafft. Er war ganz oben. Er hatte es sich im Glück häuslich
eingerichtet, mit einem unbefristeten Mietvertrag in der Tasche. Selbst
wenn ihm die Stimme versagte, würde er noch als Kunstfurzer CDs
aufnehmen können, die zur Nummer 1 würden. Ihm würde
nichts mehr passieren können. Außer, patsch: He, das verdammte
Huhn, das hoch über ihm auf dem technischen Gestänge zwischen
den Scheinwerfern hockte und etwas fallen gelassen hatte, es hatte ihn
genau auf die Stirn getroffen! Was soll dieser Scheiß!? Peter
Sterner wischte sich die Stirn ärgerlich mit einem Taschentuch
ab. Dann sah er, dass Uschi zu, die wie bei jedem wichtigen Auftritt
am Bühnenrand stand, lachte. Er zwinkerte ihr zu, und sie antwortete
mit einer Kusshand, die sie ihm mit weit ausholender Geste zuwarf, bevor
sie einen Schritt zurücktrat und in den Kulissen verschwand.
Peter
Sterner Das Geheimnis seines Erfolges (incl. CD Like
a pharao ) erscheint als Comicbuch (Zeichner: Roman Klug) als
Band 19 in der edition kürbis (ISBN 3-900965-19-6 oder online bei
kuerbis@kuerbis.at), ÖS 198.- / DM 29.- / sfr 29.-