Unterhaltsame Geschichten, ehrliche Figuren und historische Fakten zeichnen diese vielfach ausgezeichnete Familienserie aus.
Von 1979 bis 1982 waren im Bayerischen Hörfunkprogramm die "Grandauers und ihre Zeit" zu hören. Geschrieben wurde dieses Hörspiel von dem in München geborenen Willy Purucker (*1925 † 2015). Ob
des großen Erfolges der Radioserie, schrieb Purucker auch die Verfilmung für das Fernsehen, die Regisseur Rainer Wolffhardt (*1927) episch und höchst erfolgreich umsetzte. Bis dahin arbeitete
Purucker für den Bayerischen Rundfunk unter anderem als Regisseur von Hörspielen und als Drehbuchautor einiger TATORT-Folgen.
Die Familiensaga "Löwengrube - Die Grandauers und ihre Zeit" erzählt ihre Geschichte von der Kaiserzeit über die schrecklichen Jahre des Ersten und Zweiten Weltkriegs bis hin zum neuen Wohlstand in den Fünfziger Jahren. Das Besondere an dieser großartigen Fernsehserie ist der auf verschiedenen Ebenen funktionierende Erzählrhythmus. Zum Einen die Schicksale der Familien Grandauer, Kreitmeier und Soleder - die detaillierte Einblicke in das damalige Leben der einfachen Leute ermöglichen. Eingebettet sind die Familiengeschichten in die Geschehnisse der großen Weltpolitik, die die Familienmitglieder mehr oder weniger schicksalshaft betreffen. Schließlich die Kriminalfälle in der Löwengrube, dem Münchner Polizeipräsidium. Dort wird schnell klar, daß jede Zeit die besten, aber auch die schlechtesten Eigenschaften der Menschen hervorbringen kann.
Die schauspielerischen Leistungen bewegen sich dabei meist auf höchstem Niveau. Die bekanntesten Namen sind Jörg Hube (Schauspieler und Kabarettist, *1943 †2009) als Ludwig und ewig "grantelnder" Karl Grandauer, Christine Neubauer (*1962) als Traudl Grandauer oder die während der Dreharbeiten verstorbenen Sandra White (*1962 †1989) als Agnes Grandauer und Luise Kreitmeier - um nur einige zu nennen. Unvergessen bleibt auch Franziska Stömmer (*1922 †2004) als Adelgunde Soleder als Karl Grandauers Schwiegermutter, deren ständige Mißverständnisse in Gesprächen mit ihrem Schiegersohn einen "Running Gag" darstellen. Gerade diese überzeugenden Darsteller verhelfen dieser Produktion - trotz der fiktiven Geschichten - zu ihrer großen Glaubwürdigkeit. Durch die oft herrlichen Dialoge (jedes Wort hat hier seine Bedeutung) verleiht Purucker den Personen ihre unnachahmlichen Wesenszüge, die sie so menschlich und authentisch erscheinen lassen. Beispielsweise die biedere Gutmütigkeit des Karl Grandauer oder das ewig ängstliche Zaudern des Deinlein gespielt von Gerd Anthoff (*1946), der aus vielen Fernsehserien wie zum Beispiel Unter Verdacht bekannt ist. Genial aufspielend auch Peter Pius Irl (*1944) als der unsympathische Blockwart Uhl oder als der schlitzohrige "Metzger-Willy", unvergessen Erich Hallhuber (*1951 †2003), bekannt auch aus Cafe Meineid.
Große geschichtliche Ereignisse verändern zwar das Leben der Familien, aber oft genug sind es die kleinen Dinge des Alltags, die die Menschen in der Löwengrube wirklich interessieren. Heinrich Himmler als Pimpf und Adolf Hitler als Österreicher, der seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern muß, sind Randerscheinungen, deren ganze Tragweite lediglich der (heutige) Zuschauer erfassen kann. Dieser Ansatz, deutsche Geschiche auch aus einem völlig anderen Blickwinkel (dem der einfachen Leute) zu sehen, gelingt dank fehlender Effekthascherei hervorragend. Geschichte wird so erfahrbarer und ehrlicher dargestellt, als es vermeintlich realistische Dokumentationen (die oftmals auch nur Klischees bedienen) vermitteln können.
Für heutige Sehgewohnheiten sind Schnitt und Kameraführung "altmodisch", nimmt sich Drehbuchautor Willy Purucker doch sehr viel Zeit für seine Figuren. Die klassische Trennung in Gut und Böse findet nicht statt, alle Figuren sind ambivalent - selbst der glühende Nationalsozialist Adi Grandauer (Alexander Duda) "hat nichts gegen die (jüdische) Sarah in der eigenen Familie" und man begreift, daß ohne ein willfähriges Volk (das vom Nationalsozialismus anfangs in unterschiedlichsten Bereichen profitieren konnte) kein "Drittes Reich" möglich gewesen wäre.
Die Löwengrube wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: 1990 mit der "TZ-Rose" und dem "AZ-Stern des Jahres". 1991 unter anderem mit dem Bayerischen Fernsehpreis und dem Goldenen Gong. 1992 mit dem Adolf Grimme Preis in Gold für das Buch von Willy Purucker, der Regie von Rainer Wolffhardt und der darstellerischen Leistungen von Jörg Hube und Christine Neubauer.
Die Umsetzung auf DVD wirkt leider recht lieblos und bieder. Das Titelbild ist auf allen acht DVDs fast gleich (so spielte die Neubauer in den ersten Folgen noch gar nicht mit) oder die Bilder passen teils gar nicht zu den jeweiligen Folgen. Etwaiges Bonusmaterial fehlt leider völlig. Gerade bei dieser geschichtsträchtigen Heimat- und Familienserie wären Audiokommentare oder Produktionsreportagen äußerst interessant gewesen. Jede DVD ist in vier Kapitel unterteilt, die sich separat ansteuern lassen.
Die bisher nur auf DVD erschienene Fernsehserie ist komplett als Box mit acht DVDs oder einzeln von KOMPLETT-MEDIA erhältlich.
Fazit: Ein außerordentliches Meisterwerk deutscher Fernsehunterhaltung. Für viele der Darsteller war diese Produktion des Bayerischen Rundfunks ein Höhepunkt ihrer Karriere. 1.760 sehr
sehenswerte Minuten mit einem überragenden Jörg Hube.
Harald Kloth
Löwengrube - Die Grandauers und ihre Zeit bei amazon.de
Willy Purucker bei amazon.de
© 2005 - 2015 Harald Kloth