kommen sehen

Anja Utler

Lobgesang

»kommen sehen« ist ein poetischer Monolog aus der Zukunft. Eine alte Frau spricht zu ihrer Tochter im Versuch, ihr etwas Wichtiges zu hinterlassen – ein Bild davon, wie eine bereits ferne ökologische Katastrophe namens »drei Jahre Sommer« nicht nur die physische Welt, sondern auch das Denken, die gängigen Erklärungsmuster und die Fantasie verändert hat, davon, wie sie selbst, aber auch die Gesellschaft mit ihren Ängsten und Sehnsüchten ringen, sowie mit der Anpassung an die veränderten Bedingungen.

Mittels einer wilden Sprachmischung aus mythologischen Versatzstücken, technisch-wissenschaftlichem Vokabular, Floskeln politischer Propaganda und mündlicher Alltagssprache versucht sie das Geschehene zu fassen: entwirft, verneint, setzt wieder neu an, bis ihr letztlich gelingt, zumindest eine sie bedrückende Sache zu klären.

Anja Utlers ebenso eindringlicher wie verstörender Blick auf eine junge postapokalyptische Gesellschaft in einer radikal, bis in die Fortpflanzungsbedingungen hinein veränderten Welt wirft zugleich die drängende und entscheidende Frage auf: Wie war das? Was hatte man kommen sehen können, was nicht? Und vor allem: Wieso konnte man auf das, was kam, nicht angemessen reagieren?

Denkt Wie die Tochter nicht recht hat weil sie genau das   sagt
was sie sagen will   und nicht   was sie sagen soll   oder

müsste   dabei   waren drei Jahre Sommer genug
zu verstehen wie selten   müssen und wollen sich

decken   und auch   wie wollen zwei Schenkel hat einer heißt
Darf schon und einer   heißt Nicht! das   lag auf einmal so

nackt auf der Erde dass eine glauben konnte   die
Bäume seien nur deshalb vertrocknet dass man bei

höchstem Sonnenstand und bei keinem Laub   Dieses sieht   Es
ist erst Ein Stamm   gefasst   in sich Und sein Zweck ist er teilt

sich   und dann haben beide   eine Vergangenheit   sind
fortan geschiedene Sachen   Und eine Hält sich dran

fest   Und kaum einer   Denkt sie   Und wie deshalb schon sein
kann dass sie   wo ist wo sie sagen darf was sie will

nur dass die Tochter   Egal ob sie sollte   Nicht alles
gesagt kriegen möchte   Und nicht so viel Bloß etwas

muss sie   Das   Vielleicht nicht gleich jetzt


Anja Utler, »kommen sehen«. Lobgesang
Originalausgabe
128 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 18,– inkl. MwSt
ISBN 978-3-902951-52-6
Erscheint im September 2020

Die Buchausgabe enthält auch einen Link und QR-Code, der zu einer von Anja Utler eingesprochenen Hörbuchfassung führt.


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