Achte Berner Bücherwochen 2021 Anthologieausschreibung zum Thema "MENSCH SEIN, HERZ HABEN, SICH EMPÖREN Vom Mensch Sein und Herz Haben, vom Verweigern und Empören"
"Kein Knirschen der Wut stört die Hast der Geschäfte" lautet ein Satz aus dem Essay "Appell an den Geist" von Erich Mühsam (1878-1934, nachzulesen z.B. https://www.projekt-gutenberg.org/muehsam/appell/appell.html). Der in keine Schublade passende, meist zwischen allen Stühlen sitzende klarsichtige und scharfzüngige Schriftsteller, Quer- und WIrrkopf Erich Mühsaam wurde in der Nacht zum 10. Juli 1934 von SS-Bewachern im KZ Oranienburg ermordet. Sein Text "Appell an den Geist" thematisiert die Rolle des Künstlers in einer Gesellschaft, die läuft wie geschmiert, Sandkörner im Getriebe indes dringend nötig hätte. Mühsam ruft den Künstlern zu: "Tut nicht, als wäret ihr Besondere! Seid Menschen! Habt Herz!" Schon 1902 hatte er aufbegehrt: „Nolo will ich mich nennen – nolo: Ich will nicht! Nein, ich will in der Tat nicht! Nein, ich will nicht mehr all die unnötigen Leiden sehn, deren die Welt so übervoll ist; mich all den Torheiten fügen, die uns die Freude rauben und das Glück; in all den Ketten hängen, die unsere Füße hindern auszuschreiten und unsere Hände zuzugreifen. Ich will nicht mehr mit ansehen, wie ungerecht und chaotisch des Lebens höchste Güter – Kunst und Wissen, Arbeit und Genuss, Liebe und Erkenntnis – verstreut liegen. Ich will nicht mehr – nolo!“
Das wie immer breit angelegte Ausschreibungsthema der Berner Bücherwochen lädt dazu ein, sich literarisch zu befassen mit Leben und Werk Erich Mühsams, seinem "Appell an den Geist" und dessen Aktualität und/oder mit Themen wie
-- der gesellschaftlichen Funktion und Verantwortung von Künstlern, namentlich von Literaten
-- der Bedeutung, "Herz zu haben" und Menschlichkeit zu leben
-- der Wichtigkeit, sich zu empören/ sich zu verweigern
-- dem Ausleben und dem Ausbleiben von Empörung,
und zwar auf gesellschaftlicher wie auf individuell-zwischenmenschlicher Ebene: Wie kommt es, dass man Tag für Tag wieder zur Arbeit geht, obwohl man sie hasst? Dass man ungerechte Vorgesetzte weiter erträgt? Missstände duldet, ohne aufzubegehren? Dass man sich in eine Ehe, eine Partnerbeziehung schickt, die man schon längst hätte beenden sollen? Was bedeutet "Herz zu haben" in unserem Alltag, wie manifestiert sich "Menschsein durch Herzhaben" heute?