Freitag, 29.Mai 2015
mein leben als stapel
ich bin so groß. doch so gut ich mich auch schichte, die hohlräume werden nicht kleiner.
: wie gewandt der fremde mit den kids umging, da konnten wir uns alle ein blatt rausnehmen. die kriegten sich kaum noch ein!
einer kleinen, pickeligen, die sich weigerte, lieh er seinen kopf wie eine vorratskammer:
s o macht man das.
hat ihre abwehr notiert, als ob sie ein text wäre und ihre abwehr wurde ein text und sie schrie: “das dürfen sie nicht aufschreiben, was ich schreie” und er ließ sich gar nicht beirren, notierte auch das, gab ihr das blatt und sie zappelte und las und sagte schließlich:
„okay.“
- geht’s denn je um etwas anderes? sich sein blatt zu eigen machen. darum drehen wir uns. jenen, die’s nicht können, leihen wir unsere köpfe als zwischenlager.
wir sind jäger und stapler.
mein leben als stapel begann vor langer zeit, da war ich noch nicht hoch; seitdem wachse ich. ich seh’ viele von meiner art. nur wenige von uns sind stabil.
ich selbst hab’ gewellte blätter, auch demolierte; auf kante kriegt man mich nicht mehr.
die hölle, das sind die anderen: die noch dazwischenzukriegen. aus liebe oder solidarität. andere gründe lasse ich nicht gelten.
stapelleute, die alles auf kante haben, weisen die Gewellten natürlich zurück. könnte was durcheinanderkommen, ihr wollt nicht neu gemischt werden, stimmt’s? ein anständiger stapel tut sowas nicht.
ihr müsst aber.
sonst lebt ihr im rechteck.
ich sag’ euch das nicht gern.
also, weiter. an meiner verständlichkeit muss ich noch arbeiten, weiß ich. ich hab mich nass gemacht, meine schriften vermengen sich, gefühle pappen aufeinander als gehörten sie zusammen. das ist euch doch nicht fremd?
ich mag mein leben als stapel nicht mehr, will in die fläche.
fläche
(komm’ doch mit. breite dich aus.)
nur noch ein einziges, riesiges blatt.
- von Phyllis Kiehl
in Tainted Talents