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Leopold Federmair: Wandlungen des Prinzen Genji.

Roman.
Salzburg: Otto Müller Verlag, 2014.
316 S.; geb; Eur (A) 22-.
ISBN 978-3-70131222-1.

Autor

Leseprobe

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„Mit dem Zug nach Miyajimaguchi gefahren, eine gute Stunde auf der Sanyo-Strecke, in einem der Waggons, die seit fünf oder sechs Jahrzehnten eingesetzt werden.“ Wir sind in Japan. Zusammen mit einem Protagonisten, der deckungsgleich, doch nicht auf naive Weise ident ist mit seinem Autor, der den bürgerlichen Namen Leopold Federmair trägt.

Bei Leopold Federmair, 1957 in Wels geboren, in Sattledt aufgewachsen, in Salzburg promoviert über den deutschen Barockdichter Johann Christian Günther, Lektor für deutsche Sprache in Frankreich, Italien und Ungarn und seit vielen Jahren in Japan ansässig, wo er an der Universität von Hiroshima als Dozent tätig ist, handelt es sich um einen hoch produktiven Autor, der mittlerweile auch als Übersetzer mit renommierten Preisen ausgezeichnet worden ist. Allein seit 2005 sind zehn eigene Bücher von ihm erschienen, Romane, Essays über Literatur, autobiografische Prosa.

Das Reflexive und Selbstreflexive führt er in seinem jüngsten Prosaband „Wandlungen des Prinzen Genji“ zusammen. Es geht um Japan und das Leben, es geht um Literatur, genauer gesagt um „Genji Monogatari“, zu deutsch „Die Geschichte des Prinzen Genji“, den wohl ersten Roman Japans, als dessen Urheberin die Hofdame Murasaki Shikibu (um 978–1014) vermutet wird. Es geht um Liebe, verbotene, ausgelebte und abgebrochene, eine Liebe im Konjunktiv, könnte es sich doch bei ihr um eine fiktive handeln. Es geht allerdings auch um die Entdeckung der Welt durch Kinderaugen – es ist die Eroberung Nippons mittels der kleinen Tochter des Erzählers.

Das Ungewöhnliche dieses so genannten Romans ist die formale Lösung, die Federmair dafür erarbeitet hat. Er setzt sich aus einer Vielzahl von Kapiteln zusammen, die größtenteils keinen narrativ durchgehenden Charakter besitzen, Splitter und Teilstücke eines Mosaiks sind. Deshalb auch die halb warnende, halb spielerische Vorbemerkung des Autors, dass sich in diesem Band eine Sammlung von Geschichten, Beobachtungen und Miniatur-Essays finden, die unmittelbar autobiografischen, auch konfessionellen Charakter haben, andererseits – und dies ist ein essentieller Hinweis eines ungemein belesenen, mehrsprachigen Autors – handelt es sich um Erfundenes, Nacherzähltes. Denn die Folie der Geschehnisse, das welt- und zeitenkomparatistische Element stellt „Die Geschichte des Prinzen Genji“ dar, die ganz wesentlich auch ein Erotikon ist, die Historie des adeligen Fraueneroberers, der dann in seinen späten Vierzigern sich aus der Welt zurückzieht und die letzten Lebensjahre in Einsamkeit und Versenkung verbringt. So kunstvoll dieses Buch über einen Lebemann und Hedonisten, geschrieben von einer Frau, ist, so kunstvoll und auch so kontrastiv dekuvrierend fügt Federmair seine eigene Dramaturgie geschmeidig in das literarische Passepartout ein.

Denn tatsächlich handelt es sich um eine nur zum Schein disparate offene Roman-Komposition. An der Oberfläche handelt dieser Band von Japan und dessen teils nur wenig humaner architektonischer Gegenwart, seinen noch immer befolgten, nicht selten restriktiven Traditionen der Kommunikation, der Sitten, der Moral, von Impressionen, Lektüreeindrücken, Ausflügen in eine Natur, die Kunst, da Gartenkunst ist. Es sind scharfe Beobachtungen und stille Reflexionen eines Noch-Immer-Außenstehenden, der sich selbst nach vielen Jahren über komplexe Rituale und ritualisierte Denkmuster wundern kann, zum Beispiel über die umständlich eingeforderte, dabei inhaltsleere Entschuldigungsrhetorik.

Untergründig aber dreht sich dieses Buch um Sehnsüchte und Passionen – eine Liebesgeschichte des Protagonisten mit einer Frau, die „Murasaki“ heißt –, um Literarisierung des Lebens, um Bewahrung des Lebens in literarischen Momenten. Fiktion umschlingt hier Realität, die interkulturelle ebenso wie die binnenpsychologische. Dichte Beschreibungen von Fermenten des Alltagslebens, ein Kaffeehaus, Zugfahrten, Sonntagsausflüge, das Begleiten der kleinen Tochter zum Spielplatz, Treffen mit Bekannten, werden durchwoben mit zivilisationskritischen Affekten und Effekten, dem Abscheu vor Fernsehen ebenso wie vor zu „Muzak“ abgesunkener Popmusik. Banales wird nicht geadelt, dafür ist Federmair, ein geschulter Leser Peter Handkes wie genauer Handke-Exeget, zu klug und ein zu gewitzter Résistant des Normalen. Die Welt in ihren physiognomischen Ausprägungen wird vielmehr umkreist, eingekreist, eingefangen in Wortschöpfungen. Und als Schöpfung durch das Wort.

Alexander Kluy
11. November 2014

Originalbeitrag
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

 







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