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Die Nebelsängerin

DIE NEBELSÄNGERIN

Buch / Fantasy

Bei Felten nichts Neues, könnte man kalauern, nur wieder Krieg. Die Historie des Konflikts: Auf einer Welt „irgendwo da draußen” gelangten vor über 500 Jahren die Überlebenden von fünf menschlichen Stämmen auf der Flucht vor den Anhängern eines dunklen Gottes nach Nymath. Dieses Land wird von der übrigen Welt durch ein Gebirge getrennt, über das nur ein einziger Pass führt. Die Bewohner Nymaths - die menschenähnlichen Uzoma - nahmen die Flüchtlinge gastfreundlich auf, doch im Laufe der Jahrhunderte kam es zu Streit und Hass. Da strandete ein Elbenschiff an der Küste des Landes, und siehe! die Elben halfen den Menschen. Ihre Magierin Gaelithil wirkte einen Täuschungszauber, der die Uzoma aus dem Land lockte, hinein in die Steppen hinter dem Fluss Arnad. Dann wob sie mit Hilfe eines Runenamuletts und eines Liedes mächtige Nebel, die die Uzoma hinter dem Fluss festhielten. Weil „finstere Schatten und Dämonen” sie aber töten wollten, um die Nebel zu zerstören, betrat sie die Erde, die wir kennen - eine Welt ohne Magie. Dort heiratete sie und bekam Kinder, die wieder Kinder bekamen. Das Amulett und die Zauberkunst wurden in der weiblichen Linie vererbt, und wenn eine Nebelsängerin starb, trat die nächste an ihre Stelle. Doch zur Zeit der Buchhandlung ist die Nebelmagie erloschen, die Uzoma stehen vor der Festung, die den Pass bewacht, und fliegen mit Lagaren - giftigen Wüstenechsen - Angriffe über das Land. Bald werden sie den finalen Sturm beginnen. Das übliche letzte Aufgebot von Elben und Menschen zieht aus, um dem Feind zu trotzen - doch wenn keine neue Nebelsängerin erscheint, wird alles vergeblich sein. Zum Glück lebt in unserer Welt noch Ajana, Gaelithils letzte Erbin - eine ahnungslose Uneingeweihte allerdings, denn die Weitergabe der Kunst von der Mutter auf die Tochter fand schon lange nicht mehr statt. Zwar erhält Ajana das Amulett und weckt zufällig seine Magie, aber als es sie daraufhin nach Nymath verschlägt, ist sie völlig hilflos.

Und so weiter. Man weiß schon nach den ersten 50 Seiten, wie alles weiter- und ausgehen wird. Klar wird der Bastard Keelin ein tapferer, angesehener Krieger werden, ebenso der Küchenjunge Abbas, sein Freund. Und selbstverständlich findet Ajana einen Weg, die Nebelmagie zu erlernen. Ebenso sicher werden die Uzoma angreifen und die Festung fast erobern - aber auch nur fast ... Monika Felten tut, was sie kann: Sie bemüht dunkle Götter und machtgierige Priesterinnen, brutale Finsterlinge und edle Elben, alte Legenden und Magie. Das alles ist schön und gut und tödlich langweilig. Natürlich: die gängigen Klischee nutz(t)en seit Tolkien viele andere Autoren. So oder so. Man kann die übliche Find-deinen-Weg-und-rette-die-Welt-Story zum Beispiel durch den Kakao ziehen, dann entstehen originelle, witzige Romane wie „Nebenan” von Bernhard Hennen oder „Heldenherz” von Sven Böttcher. Man kann sie auch ernst nehmen und - neben einer spannenden, wendungsreichen Handlung in einer detailliert und lebendig gezeichneten Welt - schildern, wie der tumbe Tor des Anfangs sich allmählich zum Helden wandelt; dann heißt man Tad Williams und braucht allein 900 Seiten, um einem Küchenjungen nur die Anfangsgründe des Sich-Bewährens beizubringen (von Heldentum nicht zu reden). Das Komische ist, dass ich sowie alle Bekannten und Freunde, die diesen Zyklus zur Hand nahmen, weder nach diesen 900 noch nach den gesamten 3500 Seiten auch nur im geringsten gelangweilt waren.

Auch bei Felten kommt ein Küchenjunge vor. Abbas gehört zu den Wunand, dem Stamm der Amazonen. Männer haben dort nichts zu sagen, fühlen sich Frauen gegenüber unterlegen und dürfen keine Waffen führen. Er aber will mehr als nur Töpfe scheuern, zieht mit dem Heer zur Passfestung - und scheuert dort Töpfe. Also baut er sich (heimlich) eine Feuerpeitsche (die Amazonenwaffe) und folgt der kleinen Gruppe, die Ajana auf ihrem Weg begleitet. Als ein Ajabani, ein tödlich gefährlicher Killer, schon drei erfahrene Krieger der Eskorte ins Jenseits befördert hat, greift Abbas ein - und vertreibt ihn. Wenig später kann er auch Uzoma im Kampf besiegen, dann kann er reiten (mit Keelin heimlich geübt), dann entpuppt er sich als Meister im Messerwerfen (mit Küchenmessern heimlich geübt), dann gelingt es ihm, der gefangenen Amazone Maylea durch die Steppe bis in die Hauptstadt der Uzoma zu folgen und sie sogar aus dem Kerker zu befreien ... Soviel zum Thema „glaubhafte (Entwicklung der) Charaktere”. Solche Wunder vollbringt nur der Autor, der mit Schablonen plus etwas Alibi-Psychologie hantiert. Gleiches gilt auch für die übrigen Figuren. Das einzig Erstaunliche ist, dass die Elben (siehe Gaelithil) hier nicht so ganz die Guten sind; die einzige Frage, die offen bleibt, lautet: Wer ist der Mann im schwarzen Mantel, der immer wieder Ajanas Weg kreuzt - in beiden Welten?

Auch zu anderen Themen darf man als Leser ein paar Bemerkungen machen. Geographie: Da ist nur der eine Pass (ohne diese Festlegung würde das Buch kaum funktionieren). Doch plötzlich gibt es (für Ajanas Gruppe extra hineingeschrieben) noch einen anderen Weg über das Gebirge, durch eine Schlucht, die von einer kleinen Garnison der Menschen bewacht wird. Aber die wurde von den Uzoma angegriffen, aufgerieben und völlig demoralisiert. Und dann flogen die Bösen wieder ab, weil es ja viel ehrenhafter ist, die richtige Festung zu knacken statt nur den Schleichweg hintenrum zu nehmen. Dabei lassen die Finsterlinge ansonsten keinen Anflug von Ehrenhaftigkeit erkennen. Vielleicht macht ihnen der leichte Weg aber auch nur keinen Spaß: zu wenig Gemetzel oder so ... - Taktik: Um den Krieg schneller zu gewinnen, könnte man ganze Gruppen von Uzoma auf den Lagaren ins Hinterland der Gegner fliegen. Das geschieht sogar, aber nur, um ein Dorf niederzubrennen und die Vorhut des Heeres zu metzeln; allerdings werden die Flugechsen und die Feuerwerfer, die auf ihnen reiten, so geschildert, dass sie auch das Heer auf dem Marsch zur Festung niedermachen oder zumindest dezimieren könnten. Was erstaunlicherweise keiner versucht. Begründung: Die „kleinen” Überfälle sind nur „Übungen”. Aber man hätte solche „Übungen” ja auch gegen das Heer veranstalten können, zumal ständig betont wird, die Lagaren seien nur mit großen Katapulten vom Himmel zu holen, und davon gibt’s selbst in der Festung nicht genügend. - Logik I: Der Whyono, oberster Kriegsherr und Herrscher der Uzoma, hält sich wo auf? Beim Heer? Wer kommt denn auf solch absurde Idee? Er gibt sich lieber in der weit entfernten Hauptstadt fleischlichen Genüssen hin und lässt seine Hauptleute machen. Den großen Angriff aber soll er selbst leiten, und bis er das begriffen hat und vor dem Pass eintrifft, vergeht genau die Zeit, die Ajana noch braucht, um die Nebel neu zu weben und die Sache zu retten. - Logik II: Danach ist die Situation eine sehr eigenartige. Gaelithil lockte die Uzoma erst aus dem Land, über den Pass, durch die Steppe und über den Arnad, ehe sie die Nebel wob. Ajana webt die Nebel, als das Heer der Feinde vor der Passfestung steht, weit entfernt vom Arnad, den es nun nicht mehr überqueren kann. Die Krieger befinden sich also nach wie vor diesseits, die Gefahr für Nymath ist nicht vorüber. Ajana fragt denn auch den Heermeister nach dem Sinn des aktuellen Nebelwebens. Und was antwortet er? Es sei nicht die Aufgabe eines Kriegers, über Befehle nachzudenken. (Wahrscheinlich ist es auch nicht die Aufgabe des Lesers, über Handlungskonstrukte zu räsonieren. Fortsetzungen ohne feindliches Heer machen vermutlich auch nicht so richtig Spaß.) -

Sprache: Wo fang’ ich an? Wen wundert’s: bei der Namensgebung. Da Monika Felten ihre Elben über die Sprache eindeutig in den Tolkienschen Kontext stellt, tun mir Namen wie „Cirdan” und „Feanor” für zwei Krieger der Menschen doch eher weh; aber gut, in Deutschland dürfen Frau und Herr Christ ihren Sohn ja auch Jesus nennen. Weitere Kostproben gefällig? Da wäre auf S. 92 der vom Blitz getroffene Schössling eines Purkabaums (wie hat der Blitz den Trieb nur getroffen? und wie hat der es nach solchem Hieb noch geschafft, tausend Jahre alt zu werden?). Oder die Beschreibung von S. 170: Da steht „ein Spalier Fackeln tragender Krieger in unterschiedlichen Rüstungen”. Unterschiedlichen, hm. Wie sehen die denn nun aus? Einfach unterschiedlich. Warum es dann erwähnen? Und dieses Spalier weist den Weg zu einem Gebäude, „in dem sich das Quartier des befehlshabenden Kommandanten befand”. Wo wohnt aber nun der Kommandant ohne Befehlsgewalt, vielleicht gleich nebenan? - Wer das für Beckmesserei hält, der schlage blindlings eine Seite auf und lese: Er wird fast jedes Mal solche sprachlichen Schnitzer finden. Z. B. S. 238: „schwarz verkrüppelte Bäume”. Schwarze verkrüppelte Bäume kann ich mir vorstellen, aber wie sieht ein schwarz verkrüppelter Baum aus? Jedenfalls ganz anders als ein weiß verkrüppelter, so viel ist klar. S. 298: Die Gruppe rastet in einer Höhle. „Man hatte Wachen aufgestellt. Die Krieger standen mit dem Rücken zur Höhle an der Felswand ...” Die Deppen! Hätten sie das Gesicht zur Wand gedreht, hätte der Ajabani sie vielleicht nicht getötet, sondern mit ihnen Verstecken gespielt. Ich erspare mir weitere Beispiele. Entweder hat kein Lektor diesen Text gesehen, oder er hat gepfuscht.

Zwei Bemerkungen zum Schluss.

Erstens: Dem Buch beigelegt ist eine CD, auf der die Hamburger Sängerin Anna Kristina den Soundtrack zum Werk darbietet, 4 Lieder in 12 Minuten und 10 Sekunden. Die CD gefiel mir. - Wie sagt Hugh Grant in „Notting Hill” doch zu Julia Roberts: „Und dieses Buch gebe ich Ihnen gratis dazu. Sie können es benutzen, um einen Kamin anzuzünden oder einen Fisch einzuwickeln.”

Zweitens: Ich hoffe inständig, dass dieses Buch keinen Phantastik-Preis gewinnt. Es muss einfach bessere Bücher deutscher Fantasy-Autoren geben. Es muss!!

Die Nebelsängerin - Das Erbe der Runen, © 2004 by Piper Verlag GmbH, mit einer CD von Anna Kristina, 458 Seiten, € 19,90, ISBN 3492700659

30. Okt. 2006 - Peter Schünemann
http://www.solar-x.de

Der Rezensent

Peter Schünemann

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