Rezension vom 19.09.2015
(1)
Helen Macdonalds Buch besticht durch seine Außergewöhnlichkeit: Das Cover ist auffällig und schön, der Titel irgendwie steril, aber absolut auf den Punkt gebracht und die Thematik auf jedenfall mal anders. Sicherlich gibt es viele Bücher über die Falknerei. Aber keines davon könnte man als Roman betiteln und neben "H wie Habicht" aufstellen.
Nichtsdestotrotz unterliegt "H wie Habicht" keinem genauen Genre. Es ist ein Mix aus Roman, Sachbuch und Lektürehilfe. Während man Helen auf ihrem Trauerprozess über den Tod ihres Vaters begleitet, wird man über Grundlegendes und Geschichte der Falknerei aufgeklärt, während sie sich beständig an T.H.Whites "The Goshawk" entlang hangelt. Und das macht sie besonders gut. Man braucht White nicht gelesen zu haben, um ihr zu folgen. Sie fasst den Inhalt gut zusammen, zitiert ausreichend und vermittelt einen wunderbaren Eindruck zu dem Buch, sodass man hinterher schon fast glaubt, es selbst gelesen zu haben.
Außerdem ist Macdonald eine wunderbare Beobachterin und beherrscht die Kunst der Naturbeschreibung auf prägnante Weise, sodass die Spannung zwischen Vogel und Falkner fast greifbar wird und man ihr direkt auf ihren Ausflügen über Felder, Wälder und Gestrüpp folgen kann.
Das mag für viele jetzt vielleicht doch langweilig anmuten. Ich würde "H wie Habicht" gerne uneingeschränkt empfehlen. Denn neben all der Falknerei dreht sich das Buch vor allem um eines: Verlust. Und Helen Mcdonald findet dafür schöne, aber vor allem klare Worte, sodass man mit ihr zerbricht. Ein Buch für die Romantherapie, für und gegen Traurigkeit. Damit hat die Autorin ein eindrucksvolles Werk geschaffen.
Aber guten Gewissens kann ich es eben nicht allen empfehlen. Man muss für dieses Buch nicht Hobby-Ornithologe oder Falkner sein, beides bin ich nicht. Aber eine grundlegende Faszination für Natur, Tiere, Wildheit und die Liebe zu guten Landschaftsbeschreibungen sollte man mitbringen, denn ansonten mag es hier für einige sehr lang werden.
Für mich ist es allerdings nicht nur ein kurzweiliges Buch, sondern eines mit viel Tiefe und so eindrucksvoll, dass es wohl zu meinen Lieblingen gehört.
Und nein, es ist kein "Antennenaugust" für Erwachsene. Und wie Helen Macdonald selbst sagt, ist es auch kein Buch der Sorte "Ich war traurig und dann habe ich mir eine Katze besorgt." Sondern ein vielfältges Buch über Rückzug und die Metamorphose eines Trauernden. Und einfach ein verdammt gutes Buch.
Mehr
Weniger
0 Kommentare