Rezension vom 22.02.2011
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Mich plagen seit längerem unklare Schmerzen. Was bietet die Medizin? Viele aufwendige Untersuchungen, Tabletten, eine OP. Wenn ich aber anfange zu zweifeln, wenn ich mich zu fragen beginne, was ich selbst durch meine Art zu leben zu meinem Leiden beitrage? Wo wird mich das hinführen?
Tim Parks ist ein Skeptiker. Er leidet seit Jahren unter Schmerzen im Beckenbereich. Medizinische Aufklärung und Untersuchungen weisen auf ein Prostataproblem hin. Eine OP könnte Besserung bringen, was aber medizinisch nicht gewährleistet ist. Parks Skepsis an der klassischen Medizin lässt ihn nach Alternativen suchen Er recherchiert im Internet, liest sich im schaflosen Morgengrauen durch diverse Chats auf der Suche nach Antworten für sein Leiden. Was er dort hauptsächlich findet ist "anonymes Jammern". Eine erste Hilfe bietet ihm ein Buch, das er über das Internet findet und eine spezielle aktive Entspannungsmethode beschreibt. Parks lernt, dass er für seinen Körper Zeit reservieren muss. Bisher hat er, für den als Schriftsteller Worte die Welt bedeuten, seinen Körper nur wahrgenommen, wenn er ihn störte und nicht funktionierte. Sport hatte für ihn nur die Funktion, seinen Körper in Form zu halten, damit er einen in Ruhe ließ und man sich um wichtige Arbeiten kümmern konnte. Jetzt reserviert Parks jeden Tag eine Stunde für seinen Körper, um ihn zu erspüren und direkt zu erleben. Denn bisher, wie er erkennt, war ihm die Beschreibung eines Erlebnisses wichtiger als das Erlebnis selbst. Kritisch im Zusammenhang mit seinen Schmerzen sieht er nun sein Schriftstellerleben: "Das literarische Ich sucht gern nach Worten und Formen, um die Dinge metaphorisch zu beschreiben, sie dramatischer und interessanter zu machen als sie sind. Es hält das für Kunst und beglückwünscht sich, wenn es dafür bezahlt wird. Das leidende versucht unterdessen, die Schmerzen zu ignorieren." Aber Parks Schmerzen lassen sich schon lange nicht mehr ignorieren. Auch Worte, "die die Welt auf Abstand halten", bieten ihm keinen Schutz mehr. Parks geht noch einen Schritt weiter und besucht mehrere Meditationsseminare, in denen es gilt stillzusitzen und eine Reise durch den Körper zu machen. Begleitet wird das Ganze von sehr viel Theorie über Spiritualität, Auren und Wiedergeburt. Parks bleibt Skeptiker und erlebt doch gleichzeitig ein allmähliches Verschwinden seiner Schmerzsymptome, indem er sich darauf einlässt, seinen Körper kennenzulernen und ihm Zeit in seinem Leben einzuräumen.
Parks hat ein sehr offenes Buch über eine perönlich für ihn sehr schwierige Zeit geschrieben. Er ist immer geradeheraus, was medizinisch gesagt werden muss bleibt nicht offen. Trotzdem ist es kein medizischer Ratgeber. Parks hat seine persönliche Lösung gefunden und beschreibt seinen Weg dorthin mit gut gesetzten Worten, denen man als Leser mit Vergnügen folgt.
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