Was ist geschehen?
Baba Dunja ist anders und sie lebt anders. Gemeinsam mit ein paar wenigen anderen Heimkehrer lebt sie in Tschernowo, ihrem ehemaligen Heimatdorf, das seit dem Reaktorunglück in der Todeszone um den Sarkofarg liegt. Während der Rest der Welt sich lieber nicht um die Rückkehrer schert und Waldfrüchte, Birkensaft und die Luft zum Atmen für ungnädige Todesboten hält, leben die Greise von Tschernowo ein friedliches Leben. Sie bewirtschaften ihre Gärten, schließen Freundschaften und der ein oder andere verliebt sich gar noch einmal. Und Baba Dunja schreibt Briefe nach Deutschland, an die Tochter, die sie ewig nicht gesehen hat und an die Enkelin, die sie noch nie gesehen hat. Doch als Fremde ins Dorf kommen, um zu bleiben, gerät Baba Dunjas heile Welt ins Wanken.
Was ist davon zu halten?
"Als ich noch Hilfsschwester war, hatte niemand Depressionen, und wenn sich einer umbrachte, nannte man ihn geisteskrank, außer es geschah aus Liebe." ~ Aus "Baba Dunjas letzte Liebe", S. 25.
Baba Dunjas Welt ist anders. Fern ab der "realen Welt", lebt sie mit einer handvoll Gleichgesinnter in der Todeszone um den haverierten Reaktor von Tschernobyl - ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Die Telefonleitung funktioniert nur sporadisch und eine echte Infrastruktur ist im Grunde nicht vorhanden. Es gibt keinen Arzt, keine Apotheke, keine Einkaufsmöglichkeiten - nicht einmal Zeit gibt es in dem halb verlassenen Ort Tschernowo und ohne Zeit gibt es auch keine Fristen, keine Termine, kein Druck.
Das Magazine Biorama nennt es ein "tragikomisches Anti-Bullerbü" und umreißt "Baba Dunjas letzte Liebe" mit diesen Worten mehr als treffend. Obwohl das schmale Buch gerade 160 Seiten zählt, hat Alina Bronsky mit "Baba Dunjas letzter Liebe" eine Geschichte kreiert, die auf den ersten Blick vollkommen unreal wirkt und doch herrlich echt ist. Abseits der Moderne leben in dem fiktiven Ort Tschernowo ein paar russische Greise, unter ihnen Baba Dunja. Eine ebenso resolute, wie liebenswerte Frau mit großem Herzen und einem abgeklärten Blick auf die Welt. Fern ab ihrer Familie hegt sie nur noch einen Wunsch: In Tschernowo, ihrer Heimat, möchte sie sterben.
Mit viel Liebe zum Detail, einem wohl dosierten Hauch Spannung und einer gehörigen Priese Humor erzählt Alina Bronsky die Geschichte ihrer ebenso charmanten, wie bisweilen auch enervierenden Hauptfigur Baba Dunja, die um keinen Preis ihre geliebte Heimat verlassen will.
"Die Gavrilows stehen da und teilen sich einen Gesichtsausdruck. Der sieht aus, als hätte ich ihnen vors Gartentor gekackt." ~ Aus "Baba Dunjas letzte Liebe", s. 73.
Ungezwungen und echt ist der Ton, indem Alina Bronsky durch die Augen ihrer Protagonistin erzählt. Dabei trifft Baba Dunja mit ihren Lebensweisheiten den Nagel immer wieder auf den Kopf und bringt den Leser an mancher Stelle ins Grübeln, an anderer zum Schmunzeln.
Es ist eine Geschichte über die bedingungslose Liebe zu einem Land, zur Heimat, aber auch eine Geschichte über das Altern, über Familie und einen fast schon beneidenswerten Gleichmut, mit dem Baba Dunja das Leben annimmt, wie es eben kommt. Immer im Raum steht die Frage, was braucht der Mensch, um glücklich zu sein? Am Ende hat Baba Dunja auf diese Frage für sich eine sehr konkrete Antwort.
Fazit:
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Baba Dunjas letzte Liebe" gehört gelesen. So kurz die Geschichte ist, so bewegend, spannend und unterhaltsam ist sie auch. Ohne den Roman mit viel Tragik und Emotion aufzuladen, ist es Alina Bronsky gelungen, eine Geschichte ins hier und jetzt zu holen, die von gestern zu stammend scheint und doch aktuell ist - liebenswert echt und erfrischend ehrlich!