1999 Littleton, 2002 Erfurt, 2005 Red Lake, 2006 Emsstetten, 2007 Virgina Tech,
2009 Ansbach und Winnenden,2011 Realengo,2012 ?.Eine Chronologie schrecklicher
Schulamokläufe.
1999 Ich knall euch ab, 2002 Amok, 2006 Wir müssen über Kevin reden, 2008 19
Minuten,2009 Ich bin voller Hass und ich liebe dies und Die Stunde,in der ich zu glauben begann 2010 DIE HASSLISTE.Eine Chronologie interessanter Werke über diese Taten.
Was veranlasst einen Menschen im besten Gammelfleischalter nach einem Buch
über ein solches Thema zu greifen ? Ein Buch, welches hauptsächlich an eine bestimmte Zielgruppe, die der Schulpflichtigen, gerichtet ist.Ein Status, der bei ihm
schon recht lange zurückliegt.Die Sensibilisierung durch den persönlichen Kontakt zu einem direkt Betroffenen so wie die ohnmächtige Wut und Enttäuschung darüber, dass letztendlich den Entscheidungsträgern nur Killerspieleverbot, neue intelligentere Türknäufe in den Schulräumen und kompliziertere Schlossvorrichtungen an Schusswaffen als unbefriedigende Antworten einfällt, lautet hier die deutliche Antwort.Es sind leider Taten, die schon lange oft vorhersehbar und daher auch oft
vermeidbar sind.Nicht selten senden die zukünftigen Täter verzweifelt viele indirekte Warnleuchtraketen gen Umfeldhimmel ab, bevor sie dann,total frustriert, als letzten
Entschluss keinen Ausweg mehr sehen, als sich und viele andere, vermeintliche Schuldige, durch einen grossen medienwirksamen Knall in den Tod zu schicken.Um
einen solchen oft logischen Amoklauf an einer amerikanischen Schule geht es in dem Buch von Jennifer Brown DIE HASSLISTE, das ich hiermit rezensieren darf.
Ihr Debütroman stellt die siebzehnjährige Valerie vor,dessen Freund Nick eines Tages
in der Schulcafeteria mit einer Waffe ein Blutbad anrichtet.Bei dem Versuch, ein weiteres Opfer zu verhindern, wirft sie sich verzweifelt in seine Schussbahn und verhindert so ein weiteres Opfer.Wie konnte sowas kommen und was kommt jetzt
danach ?
Die Autorin punktet bei mir mit vielen Vorzügen. Mit einem interessant und farblich provozierenden Cover , ohne jedoch damit zu reißerisch zu wirken.Valeries Gesicht,
linoleumschnittartig dargestellt, mit einer bedeutungsvollen grossen Träne auf blutroter Farbe weckt unser berechtigtes Interesse.
Mit einer relativ zurückhaltenden Rückseite, auf der nicht jeder etablierter Autor aus dem Jugendgenre gegen ordentliche Bezahlung herhalten muss, um in ein paar
warmen Worten zu verkünden, daß eine neue Literaturgöttin vor uns stehe..
Mit einem Preis von 14.95 Euro für die gelungene Hardcoverausgabe.Es wird nicht selten schon fast das Doppelte im Buchhandel verlangt.
Mit einem flüssigen,gradlinigen,für jeden verständlichen Schreibstil,der dafür sorgt, daß man von der ersten Seite an sofort in das Geschehen hereingezogen und erst wieder auf der letzten Seite daraus entlassen wird.
Mit einem geschickt fordernden Wechselspiel von Gegenwart und Vergangenheit,
das uns rückblendenartig erreicht ohne uns zu verwirren oder gar zu überfordern.
Mit der Tatsache,daß Bewertungen und Verurteilungen jeglicher Art unterlassen werden.Nick ist und bleibt ein Mensch auch wenn er Schreckliches getan hat.Mitschüler sind und bleiben Menschen auch wenn sie jahrelang gemobbt und ausgegrenzt haben.
Mit dem Verzicht auf überflüssige Nebenstränge und der Abkehr von jeglicher Flickschusterei, die in vielen Büchern oft nur die fehlende Kreativität, das Entscheidende gehaltsvoll zu vertiefen, überdecken soll und letztendlich mit der Tatsache, daß sich das Werk DIE HASSLISTE auch gut als Schullektüre oder als
alternative Buchvorstellung im Schulleben eignet.Warum nicht durch Auseinandersetzungen aller Art dazubeitragen, dass Amokläufer, die in den meisten
Fällen keine Geistesgestörte sind, erst gar nicht zu dem werden was keiner letztendlich will.Sie selbst nicht und auch wir nicht.Wir , das sind Lehrer,Eltern,Familienmitglieder und Mitschüler, die jahrelang mit ihnen leben, aber doch nur oberflächlich neben ihnen.
Aber warum dann nur 4 Sterne nach all diesen doch sehr positiven Aufzählungen
für Frau Brown ? Weil sie leider einmal bereitwillig und überflüssig in eine vorhersehbare Klischeefalle tappt und dadurch leider an Fahrt verliert.Valeries Vater
hat natürlich etwas mit seiner jungen und attraktiven Sekretärin und Valeries Mutter
landet darufhin auch noch in den Armen des dafür zuständigen Scheidungsanwalt.
Der dafür benötigte Platz hätte besser der berechtigten Neugierbefriedigung des Lesers gedient ,mehr über den Täter Nick zu erfahren.Denn schlieslich war sie mit ihm drei Jahre lang liiert.Auch hat Jennifer Brown noch nicht die sprachlich-literarische
Tiefe und Reife einer Jodi Picoult oder eines Wally Lamb.Diese kann aber bestimmt noch kommen . Denn es handelt sich schliesslich um ein Debüt.Freuen wir uns gemeinsam auf einen ebenso guten Nachfolger.Übrigens DIE HASSLISTE ist schon weiterversprochen und geht demnächst auf eine lange Reise in eine neue
hübsche Biblothek.