BGH kippt Gewinnverteilungsmodell der VG Wort: Worstcase für die Verleger

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2/2: BGH: Rechteeinbringung entscheidend
Der BGH hat diese Einwände offenbar insgesamt für rechtlich irrelevant oder jedenfalls für nicht so relevant gehalten, dass sie die Aufhebung der von der VG Wort angegriffenen Entscheidung der Vorinstanz gerechtfertigt hätten. Vielmehr hat er die vom Oberlandesgericht (OLG) München vertretene Auffassung bestätigt, wonach es entscheidend auf die Frage der Rechteeinbringung ankommt: Die Verwertungsgesellschaft darf ihre Einnahmen grundsätzlich nur an diejenigen Berechtigten ausschütten, die ihr ihre Rechte auch anvertraut, d.h. zum Zweck der treuhänderischen Wahrnehmung in sie eingebracht (auf sie übertragen) haben.
Da die Verleger kein eigenes (originäres) Leistungsschutzrecht besitzen und auch über keine derivativen, d.h. von den Urhebern auf sie übertragenen Rechte verfügen, fehlt es an dieser Grundvoraussetzung. Die Verlegerbeteiligung verstößt daher - so muss man den Text der Pressemitteilung verstehen - gegen das Willkürverbot des § 7 Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWG). Insbesondere macht es keinen Unterschied, ob die Beteiligung der Verleger (wie in Belgien) per Gesetz oder (wie in Deutschland) in den Statuten bzw. dem Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaft geregelt ist. Dies gilt für sämtliche von der VG wahrgenommenen Vergütungsansprüche, nicht nur für die Reprographievergütung, auf die sich die Reprobel-Entscheidung des EuGH bezieht und beschränkt.
Urteil dürfte auch andere Verwertungsgesellschaften treffen
Darüber hinaus ist anzunehmen, dass sich das Urteil nicht nur auf die Vergütungsansprüche, sondern auch auf die von den Urhebern in andere Verwertungsgesellschaften (z.B. die GEMA) treuhänderisch eingebrachten Nutzungsrechte (bzw. die hierauf entfallenden Einnahmen) bezieht. Dafür spricht die Formulierung der Pressemitteilung ("Eine Verwertungsgesellschaft hat die Einnahmen aus der Wahrnehmung der ihr anvertrauten Rechte und Ansprüche ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte und Ansprüche auszukehren"). Denn die von der Entscheidung unmittelbar betroffene VG Wort nimmt nur Ansprüche, keine Rechte wahr. Die GEMA hingegen generiert Einnahmen sowohl aus Vergütungsansprüchen wie auch aus den ihr ebenfalls anvertrauten Nutzungsrechten.
Allein der Umstand, dass die verlegerischen Leistungen es der VGes erst ermöglichen, Einnahmen aus der Werkverwertung zu erzielen, rechtfertigt es - so der BGH in seiner Pressemitteilung - jedenfalls nicht, einen Teil dieser Einnahmen an die Verleger auszuzahlen.
Keine Rückkehr zum bisherigen Zustand
Das bedeutet, dass eine Verlegerbeteiligung in Zukunft allenfalls über ausdrückliche (schriftliche) und eindeutige Abtretungserklärungen (diese gibt es bisher weder bei der VG Wort noch bei der GEMA), nicht aber durch den Verteilungsplan als solchen erreicht werden kann. In Bezug auf die Reprographievergütung ist dieser Weg aber sehr wahrscheinlich durch das Urteil des EuGH i.S. HP v. Reprobel (s.o) endgültig verschlossen, weil der EuGH in diesem Urteil keinen Zweifel daran gelassen hat, dass diese Vergütung ("gerechter Ausgleich") ausschließlich den Urhebern zusteht.
Erst Recht kann der deutsche Gesetzgeber nicht, wie unmittelbar nach dem Urteil vom Börsenverein gefordert, eine Regelung schaffen, wonach die Reprographievergütung doch wieder hälftig den Verlegern zufiele – denn genau dies hat der EuGH als europarechtswidrig verworfen.
Der Autor Dr. Günter Poll ist auf das Urheber- und Medienrecht spezialisierter Rechtsanwalt, war Lehrbeauftragter für das Urheberrecht an der Universität Regensburg sowie Justiziar des Bundesverbandes audiovisueller Medien. Davor war er als stellvertretender Justiziar bei der GEMA tätig.
Mich würde als Autor jetzt ja interessieren, ob und was ich tun muss. Ich erinnere mich dunkel an ein Schreiben der VG Wort im letzten Jahr. Ich bin mir nur nicht mehr sicher, ob dort stand, dass ich ggf. noch etwas bekomme oder ggf. was zurückzahlen muss, hätten die Verleger Recht bekommen?
DiesunddasIm Zweifel müssen Sie Ihre Nachzahlungsforderungen bei der VG Wort geltend machen und die VG Wort ggf., (wahrscheinlich) verklagen. Die VG Wort wird Ihnen Ihre Ansprüche mit dem Argument "Verjährung" auf drei Jahre kürzen wollen (vermutlich). Ich gehe allerdings davon aus, dass Ihnen Ansprüche für die letzen 10 Jahre zustehen.
Hier ein FAQ der VG WORT dazu: http://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/allgemeine_pdf/FAQs_Klageverfahren_11.11.2013.pdf
Tin PuDarf ich meinem Clubbetreiber nun raten, der GEMA keine Gebühren für die Durchführung eines Live-Konzertes mehr zu zahlen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund relevant, dass die Bands direkt an den Einnahmen der Kartenverkäufe beteiligt sind und dennoch an die GEMA gezahlt werden muss bisher.
RA Geyer-LießDanke für eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Darauf hat dieses Urteil keinen Einfluss. Nutzungen müssen weiterhin genau so angemeldet und vergütet werden. Es geht in diesem Urteil rein um die Verteilung der daraus entstehenden Einnahmen INNERHALB der VG (z.B. der GEMA) zwischen den Urhebern und Verlegern.
Ja, nach Auffassung von von Ungern-Sternberg (vgl. GRUR können "Ihre Clubbetreiber" die rechtswidrige Verteilung der Einnahmen der VGen den Forderungen der VGen (einschl. der GEMA) als Einwand entgegen halten, vgl. GRUR 2016, 38, 40. Nach meiner Auffassung geht das sogar noch weiter: möglicherweise sind die gesamten §§ 54 ff. UrhG (die Regelungen zu den Geräteabgaben, auf die GEMA et al ihre Forderungen stützen, insg. unionsrechtswidrig und damit unabwendbar (vgl. GRUR Int. GRUR 2016, 36). So wurde das z.B. grade vom HG Wien und vom OLG Wien im "Amazon"-Verfahren entschieden, vgl. meine Urteilsanmerkungen in GRUR Int. 2016, 47 ff und MMR 2016, 266 ff.
Sorry, Tippfehler: der letze Kommentar ist von RA Verweyen, kvlegal.de
Aber das ist es doch gerade: Die Bands erhalten doch von der GEMA keinen Cent. Diesen Betrag vereinnahmt die GEMA allein für sich. Die Bands werden jedoch entsprechend ausgehandelter Verträge direkt vom Veranstalter vergütet, sodass bei derartigen Veranstaltungen die GEMA überhaupt nicht erforrderlich sein dürfte. Der Veranstalter vergütet damit bereits den Autor/Künstler und hat die "Nutzung" abgegolten.
RA Geyer-LießEs wäre daher an der Zeit, den Sinn der Gebührenpolitik der GEMA in derartigen Fällen vor dem Hintergrund des obigen Urteils neu zu hinterfragen. Meines Erachtens dürfte die glücklicherweise beantwortete Frage nach der Legitimation hier eine entscheidende Rolle spielen.
Oder?
Endlich geht es diesen aroganten "Verwertern" an den Kragen. Seit Jahrzehnten terrorisierten die netten Herren mit ihren aktenkoffern die gesamte Brnche und quetschen jedem noch so kleinen Veranstalter unsinnig und nicht nachvollziehbare Entgelte aus den klammen Taschen, ohne auch nur einen einzigen Cent an die auftretenden Künstler auszukehren. endlich müssen sie ihre schmucken Türme und prunkvollen Zentralen, die mit den angeblich notwendigen Verwaltungsausgaben gerechtfertigt wurden, räumen. Ein Hoch auf die Kunstfreiheit!
Aron WerkOffensichtlich verwechseln die meisten hier GEMA und VGW. Und bevor Sie auf die Verwerter schimpfen: Machen Sie sich bewusst, dass die Künstler aktiv mit den Verwertern zusammenarbeiten und diese damit beauftragen, die Wahrnehmungsrechte zu erfüllen. Weil viele doch ganz gut dran verdienen - was in Zeiten der KOstenloskultur besonders wichtig ist. Wenn alle für jedwedes Kunstwerk, das sie konsumieren, aktiv zahlen würden, wäre das Verwertersystem gar nicht nötig. Aber ich schätze, da haben auch hier viele keine Lust drauf, nicht wahr? ;)
Satire@satire
IronieDa hat keiner was verwechselt, die GEMA ist ebenso eine Verwertungsgesellschaft. Aber wenn Sie den Beitrag oben und den einen Kommentar Gelsen hätten, müsste Ihnen auffallen, dass es keineswegs um eine Befürwortung einer Kostenlosgesellschaft geht, sondern um Abschaffung einer Wegelagerermentalität, von der die Verfasser/Musiker nichts haben. Denn von der Verteilung eventueller Erlöse sehen sie keinen Cent. Noch Fragen?
Zumindest bei der VGW stimmt es nicht, dass die Urheber keinen Cent sehen. Und eine Wegelagerementalität gibt es da auch nicht. Über die GEMA höre ich aber solche Geschichten, das mag sein, kann ich nicht beurteilen. Deswegen sprach ich von Verwechselung. Das gehört nicht in einen Pott, wenn auch es dieselbe Branche ist. Dass bislang ein Teil der VGW-Tantiemen an Verlage ausgeschüttet wurde war richtig. Ohne Verlage gäbe es keine Verbreitung von literarischen und journalistischen Texten. Am Ende werden nach diesem Urteil, wie die VGW schon korrekt feststellte, Urheber schlechter gestellt, da die Vertragssituation bezüglich Wahrnehmungsrechten, Abtretungen und Aufteilung von Tantiemen neu verhandelt werden muss - und das wird oft nicht zugunsten der Urheber ausgehen. Von daher: Ein irrsinniges Urteil.
SatireZur GEMA: Kein Künstler ist verpflichtet, mit denen zu arbeiten. Die tun das freiwillig. Also bitte mal den Ball flachhalten.
Sehr gut! , Satire scheint gut informiert und nicht plakativ uninformiert nachplappernd! Es gibt eben viele Leute, die nicht wissen, was Verleger eigentlich tun und wie wichtig es ist, dass Bildung verbreitet wird und nicht Halbwissen oder Missverständnisse, wie das in diesem Chat der Fall ist! Wenn die kleinen und mittleren Verlage durch diese Aktion zerstört werden, gehen Deutschland nicht nur Vertreter einer Art Pressefreiheit, die diese Verlage sich noch nehmen, sondern auch die Vertreter einer VIELFALT und DIFFERENZIERTHEIT im Buchwesen verloren, die noch deutsche Qualität bieten, nicht den Einheitsbrei, Meinungs- und Stimmungsmache im Sinne einer Globalisierung der Meinung, z.B. über "Urheberrecht".
> Dass bislang ein Teil der VGW-Tantiemen an Verlage ausgeschüttet
> wurde war richtig. Ohne Verlage gäbe es keine Verbreitung von
> literarischen und journalistischen Texten. Am Ende werden nach
> diesem Urteil, wie die VGW schon korrekt feststellte, Urheber
> schlechter gestellt, da die Vertragssituation bezüglich
> Wahrnehmungsrechten, Abtretungen und Aufteilung von
> Tantiemen neu verhandelt werden muss - und das wird oft nicht
> zugunsten der Urheber ausgehen. Von daher: Ein irrsinniges Urteil.
Nein, sehe ich anders. Für die Verlage war die bisherige Praxis ein unverdientes "Geschenk des Himmels". Nicht von ungefähr wurde die Klage ja von einem wissenschaftlichen Autor angestoßen. Im wissenschaftlichen Bereich bekommen die Urheber häufig keine/sehr geringe Vergütung für die Veröffentlichung. Doktorarbeiten müssen durch "Druckkostenvorschuss" mehr oder weniger selbst finanziert werden (formatiert ohnehin; da gibt es keinen Lektor und nichts, höchstens eine Formatvorlage für Word), bei wissenschaftlichen Zeitschriften ist die "Gnade", überhaupt veröffentlicht zu werden, wichtiger als die Vergütung der Urheber. "Schlimmer" kann es für die Urheber deshalb gar nicht kommen. Die Verlage stellen so sicher, dass sich solche wissenschaftlichen Publikationen rentieren.
Kopiert werden solche Bücher und Zeitschriften aber wegen der von den Urhebern geschaffenen Inhalte. Die VG-Wort-Tantiemen sind daher häufig die einzige nennenswerte Vergütung, die ein Urheber überhaupt bekommt. Und davon steht der Verwertungsgesellschaft nicht die Hälfte zu.
@Satire
IronieHier war die Frage interessant, inwiefern das Urteil auf die aktuelle Gebührenpolitik der GEMA Anwendung finden kann.
Leider spricht es sich bei den Bands erst langsam rum, dass mit der GEMA ein Kropf gefüttert wird. Die GEMA oder vergleichbare VGs haben ihren Sinn sicherlich darin, Künstlern/Musikern das ihnen zustehende Entgelt für die Nurzung ihrer Kunstwerke/Musik zu gewährleisten, wenn es zB von Konserven abgespielt wird etc.
Aber bei Live-Konzerten halte ich es neben vielen anderen Veranstaltern für eine Farce, was von denen veranstaltet wird. Die Bands bekommen ein zuvor frei ausgehandeltes Honorar direkt vor oder nach dem Auftritt. Punkt
@Ironie: Sie übersehen etwas: Bei Konzerten wird heute andauernd per Smartphone mitgefilmt, mtgeschnitten. Das landet später im Netz. Schon hierfür ist die Abgabe wichtig und schlägt sich im Ticketpreis nieder.
Satire