Erfolg für die Clusterinitiative "ConTrust: Vertrauen im Konflikt. Politisches Zusammenleben unter Bedingungen der Ungewissheit"
Die Sprecher*innen der Initiative, Prof. Nicole Deitelhoff und Prof. Rainer Forst, freuen sich über den Erfolg in der Förderlinie des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst „Clusterprojekte zur Vorbereitung der nächsten Runde der Exzellenzstrategie“: „Wir können es kaum erwarten, mit der Arbeit an diesem innovativen Projekt zu beginnen und danken dem Land Hessen und unserer Universität für das in uns gesetzte Vertrauen. Die Wissenschaftler*innen und das Team der Normativen Ordnungen, die diesen Verbund zu diesem ersten Erfolg geführt haben, haben den Mut bewiesen, neue Wege der Forschung zu gehen.“ ConTrust wird in den nächsten fünf Jahren mit fast 10 Millionen Euro gefördert werden, davon kommt die Hälfte vom Land Hessen, die andere Hälfte steuern die Goethe-Universität, die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie (zu einem Viertel) die beteiligten Forscher*innen mit eigenen Mitteln bei. Das Projekt wird als Teil des Forschungszentrums Normative Ordnungen dort angesiedelt sein und Synergien mit anderen hier beheimateten Verbünden, etwa dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt, anzielen.
Worum es geht, in Kürze: Konflikte sind in gesellschaftlichen Kontexten unumgänglich, und dennoch machen sie ein Zusammenleben nicht unmöglich. Aber woher nehmen wir die Gewissheit, dass Auseinandersetzungen nicht eskalieren, dass sich das jeweilige Gegenüber an Regeln hält, dass Institutionen uns gegen Überschreitungen absichern und die soziale Welt als ganze so stabil ist, dass wir unser Handeln in ihr sinnvoll orientieren können? Die erste Antwort ist: Vertrauen. Vertrauen erzeugt eine „ungesicherte Sicherheit“, die niemals vollständig eingelöst werden kann und dennoch das Geheimnis gesellschaftlichen Zusammenlebens ausmacht. Aber woher kommt dieses Vertrauen?
Wie der Name ConTrust schon sagt, schwimmt dieses Projekt in guter Frankfurter Tradition gegen den Strom. Während im Allgemeinen das Vertrauen dort verortet wird, wo der Konflikt fehlt, also in einem imaginierten Gemeinschaftsraum, lokalisiert dieses interdisziplinäre Projekt das Vertrauen vielmehr im Konflikt. Denn wie anders sollen moderne Gesellschaften und politische oder wirtschaftliche Kooperationssysteme funktionieren, die von Auseinandersetzungen, auch tiefgreifenden, geprägt sind? In bewährter Kooperation, aber auf neuen methodischen Wegen wird nach den Bedingungen, individuell, kollektiv und strukturell, gefragt, die die Stabilisierung und Bildung von Vertrauen dort ermöglichen, wo keine Einigkeit herrscht.
Das Forschungsvorhaben steht somit im Kontrast zu vorherrschenden Tendenzen der Forschung. Erstens versteht es Vertrauen nicht als Gegenbegriff zu dem des Konflikts, sondern geht davon aus, dass sich Vertrauen erst im und durch Konflikt zeigt, bildet und bewährt. Zweitens sucht der Frankfurter Forschungsverbund konventionelle disziplinäre Grenzen der Erforschung von Vertrauen und Konflikt methodisch ebenso zu überschreiten wie die Kluft zwischen empirischen und normativen Analysen. Drittens stellen die Forschungen die „Vertrauensfrage“ in einen Rahmen, der nach neuen Qualitäten der Ungewissheit (und Verunsicherung) fragt, die nicht erst in der Corona-Pandemie sichtbar wurden. Dazu gehört auch die Reflexion auf die sich wandelnden Medien, in denen Vertrauen und Misstrauen kommuniziert und Konflikte repräsentiert werden. Viertens wird deutlich gemacht, dass der Begriff des Vertrauens anders als in den meisten alternativen Ansätzen nicht durchweg positiv zu bewerten ist, sondern es auch autoritäre Formen davon geben kann, die freiheitsverneinend und destruktiv sind. Schließlich zielt das Vorhaben auf praktische Schlussfolgerungen in Bezug auf die Möglichkeiten ab, Konflikte so zu gestalten, dass auf produktive Weise Vertrauen gebildet und stabilisiert werden kann. In diesem Sinne ist der Dialog mit der Gesellschaft integraler Teil unserer Forschung.
Es gehört zum Selbstverständnis von ConTrust, dass sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung sich selbst als Teil der Gesellschaft begreifen muss, die ihr Gegenstand ist. Daher wird nach methodisch abgesicherten Wegen gesucht, Gesellschaftsanalyse, Gesellschaftskritik und normative Orientierung zu verbinden. Frankfurt ist der Ort, an dem Forschungen dieser Art ihren Platz hatten und weiterhin haben.
Diese Annahmen und Absichten strukturieren die gemeinsame, interdisziplinäre Erforschung von Vertrauensdynamiken in fünf zentralen Konfliktkontexten, die von demokratischen Strukturen über Institutionen des Zwangs, Märkte und Wirtschaft bis hin zu Wissensdiskursen und Medien reichen. Daraus wollen die Forschenden in den nächsten Jahren eine Diagnostik der Dynamik von Vertrauen und Misstrauen in typischen Konfliktkonstellationen entwickeln und für einen erfolgreichen Exzellenzclusterantrag 2025 nutzen. Zentrale Maßnahmen, um dies zu erreichen, sind die gezielte Anwerbung und Förderung von herausragenden Junior- und Mid-Career-Level-Forscher*innen, um die vorhandene Expertise zu ergänzen. Darüber hinaus ist struktur- und profilbildend die Berufung mehrerer Professuren am Standort vorgesehen, um die internationale Sichtbarkeit von Frankfurt als internationales Zentrum für Vertrauens- und Konfliktforschung zu erhöhen.
Die beteiligten Hauptwissenschaftler*innen sind (hinzu kommen Assoziierte Mitglieder):
Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich 01 – Rechtswissenschaft
• Professor Dr. Armin von Bogdandy, Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie, Völkerrecht (auch MPI HD)
• Professorin Dr. Beatrice Brunhöber, Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung
• Professor Dr. Christoph Burchard, LL.M. (NYU), Straf- und Strafprozessrecht
• Professor Dr. Alexander Peukert, Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt im internationalen Immaterialgüterrecht
• Professorin Dr. Ayelet Shachar, Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie, Staatsbürgerschafts- und Migrationsrecht (auch MPI GÖ)
• Professorin Dr. Indra Spiecker genannt Döhmann, LL.M. (Georgetown), Öffentliches Recht, insb. Verwaltungsrecht, Umweltrecht, Informationsrecht, Rechtstheorie
Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich 02 – Wirtschaftswissenschaften
• Professor Guido Friebel, Ph.D., Management und Mikroökonomie
• Professorin Nicola Fuchs-Schündeln, Ph.D., Makroökonomie und Entwicklung
Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich 03 – Gesellschaftswissenschaften
• PD Dr. Thomas Biebricher
• Professorin Dr. Nicole Deitelhoff, Internationale Beziehungen und Theorien Globaler Ordnungen (auch HSFK, s.u.) – Co-Sprecherin
• Professor Dr. Christopher Daase, Internationale Organisationen (auch HSFK, s.u.)
• Professor Dr. Rainer Forst, Politische Theorie und Philosophie – Co-Sprecher
• Professorin Dr. Daniela Grunow, Soziologie mit dem Schwerpunkt quantitative Analysen gesellschaftlichen Wandels
• Professorin Dr. Vera King, Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie
• Professorin (W1) Dr. Hanna Pfeifer, Radikalisierungs- und Gewaltforschung (auch HSFK, s.u.)
• Dr. Tobias Wille
Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich 08 – Philosophie und Geschichtswissenschaften
• Professor Dr. Martin Saar, Sozialphilosophie
Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich 10 – Neuere Philologien
• Professor Dr. Vinzenz Hediger, Filmwissenschaft
• Dr. Pavan Malreddy
• Professor Dr. Johannes Völz, Amerikastudien, Demokratie und Ästhetik
Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
• Professor Dr. Christopher Daase (auch FB 3, s.o.)
• Professorin Dr. Nicole Deitelhoff (auch FB 3, s.o.)
• Professorin (W1) Dr. Hanna Pfeifer (auch FB3, s.o.)
• Dr. Irene Weipert-Fenner
TU Darmstadt, Fachbereich 2 – Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften
• Dr. Greta Wagner (auch NO Frankfurt)
Universität Mannheim, Fakultät für Sozialwissenschaften
• Professor Dr. Richard Traunmüller, Empirische Demokratieforschung (auch FGZ Frankfurt)
Beteiligte Institutionen:
Antragssteller:
• Goethe-Universität Frankfurt am Main
• Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)
Partnerinstitutionen
National:
• Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt
• Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt am Main
• Institut für Sozialforschung, Frankfurt am Main
• Technische Universität Darmstadt
• Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg
• Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, Göttingen
• Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main
• Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
• Hessisches Kompetenzzentrum für verantwortungsbewusste Digitalisierung Darmstadt
• Universität Mannheim
International (Auswahl):
• King’s College London, International Centre for the Study of Radicalisation
• University of Toronto, Law School & Department of Political Science & Centre for Ethics
• Columbia University, New York, Department of Political Science & Saltzman Institute of War and Peace Studies & Columbia Center for Contemporary Critical Thought
• Jawaharlal Nehru University und Center for the Study of Developing Societies in New Delhi
• American University in Cairo
• Deutsch-kolumbianisches Friedensinstitut CAPAZ