Der Pyromantiker der Traurigkeit

Auch nach seinem frühen Tod 2003 in Barcelona schien die amazonische Textflut des chilenischen Schriftstellers Roberto Bolaño nicht versiegen zu wollen. Nun liegt mit «Die Nöte des wahren Polizisten» der allerletzte Text aus dem Nachlass auf Deutsch vor. Es ist weniger ein Roman als eine kristalline Kostprobe.

Andreas Breitenstein
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Er verstand dem Tod ein Äusserstes an Literatur abzutrotzen – Roberto Bolaño. (Bild: Witi De TERA / Opale)

Er verstand dem Tod ein Äusserstes an Literatur abzutrotzen – Roberto Bolaño. (Bild: Witi De TERA / Opale)

So als habe seine weltweite Lesergemeinde an der Überfülle, Übertiefe und Überdichte seines Œuvre nicht schon genug zu kauen, hat ihr der chilenische Schriftsteller Roberto Bolaño Jahre nach seinem Tod 2003 mit dem postum veröffentlichten fragmentarischen Roman «Die Nöte des wahren Polizisten» (2011) einen allerletzten Knochen hingeworfen, an dem sie noch lange zu nagen haben wird. Bolaño, das zeigt auch dieses finale Zeugnis allzu schnell zerronnener Lebenszeit, war ein Autor des Unbedingten, dem Mass Unmöglichkeit, Totalität Versuchung und Scheitern Vollendung war. An Kunst interessierte ihn weniger das Resultat als der Prozess. Schreiben war ihm die einzig mögliche Lebensform, er ergab sich ihm als einer posthistorischen Utopie ewiger Verwandlung – und dies so schöpferisch genial, dass das Perpetuum mobile seiner Poesie auch ohne ihn weiterzulaufen scheint.