Malcolm Lowry: Unter dem Vulkan

Posted on: Oktober 29th, 2013 by Fabian Thomas No Comments

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Zeitgenössische Illustration zum Día de los Muertos von José Guadalupe Posada (1854-1913)

Joseph Roth, Jörg Fauser, William Faulkner: Vielleicht sollte es mir zu denken geben, dass viele meiner Lieblingsautoren handfeste Alkoholiker waren.

Gehören Schreiben und Trinken vielleicht einfach untrennbar zusammen? Oder ist das nur ein altes Vorurteil, mit dem die eigentliche Arbeit, die hinter einem Roman steckt, kaschiert wird? Bei Malcolm Lowry fließt der Alkohol jedenfalls auch auf den Seiten in Strömen; wenn man die lange Entstehungszeit und den Nachruhm von Unter dem Vulkan betrachtet, muss aber mehr dahinter stecken als nur einer der größten Säuferromane aller Zeiten.

Unter dem Vulkan spielt an nur einem einzigen Tag im Mexiko der dreißiger Jahre. Selten wäre eine Handlungswiedergabe aber so zwecklos wie hier: Die endlosen inneren Monologe des betrunkenen Konsuls Geoffrey Firmin springen wahllos in den Zeitebenen und machen es unmöglich, von einer geschlossenen Erzählung zu sprechen. Den Rahmen bildet dabei stets die Liebe zu einer Frau – Yvonne, die ihn eigentlich verlassen wollte, aber zu Beginn der Handlung noch einmal zu ihm zurückkehrt, bevor die Beziehung endgültig zerbricht. Ausgehend davon schmückt Lowry seine Erzählung mit zahlreichen literarischen Anspielungen aus, die sie in die Nähe von Dantes Göttlicher Komödie, Christopher Marlowes Doktor Faustus und Charles Baudelaires Blumen des Bösen rücken.

Aber das Wichtigste vielleicht: Unter dem Vulkan ist Literatur pur: Jeder Schatten an der Wand, jeder Grasbüschel, jeder Vogel, der am Himmel vorbeifliegt, wird in einer poetischen Sprache eingefangen, die selbst in der deutschen Übersetzung aus den fünfziger Jahren noch verblüfft. Umso tragischer, dass Malcolm Lowry die Nachwirkung seines Werks nicht mehr erleben sollte: Als er 1957 starb, war Unter dem Vulkan schon nicht mehr lieferbar.

Unter dem Vulkan

Malcolm Lowry

Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1994

9,95 €

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Fabian Thomas ist Herausgeber von The Daily Frown, dem Magazin für Musik, Literatur, Alltag. Er liebt alte Schallplatten, schöne Bücher und geht gerne zu Fuß, weil man so mehr mitkriegt. In der Reihe ocelot Classics stellt er einmal im Monat Lieblingsbücher und Wiederentdeckungen vor.

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