Dezember, 2013

Joseph Roth: Hiob

Posted on: Dezember 19th, 2013 by Fabian Thomas No Comments

 

Joseph Roth: Hiob

Weniger lustig, eher wieder tragisch ist die Geschichte von Mendel Singer, die Joseph Roth in seinem Roman Hiob erzählt.

Hiob erschien erstmals 1930 im Kiepenheuer Verlag und ist eine Auseinandersetzung Roths mit seiner eigenen Lebensgeschichte, aber auch Bewältigungsversuch einer aktuellen Lebenskrise. Außerdem setzt der Roman einer schon im Verschwinden begriffenen jüdischen Kultur in den Shtetln Osteuropas ein Denkmal, thematisiert die Exilerfahrung in den USA und gibt der versöhnenden Kraft der Musik eine Stimme.

Der Lehrer Mendel Singer, dem in diesem Roman die Rolle des biblischen Hiob zufällt, erleidet ein Unglück nach dem anderen: Seine Frau Deborah stirbt, seine Tochter wird wahnsinnig und sein Sohn kommt mit einer schweren Epilepsie zur Welt, wird von den Nachbarskindern gequält und muss nach der Auswanderung der Familie nach New York im heimischen Galizien zurückbleiben.

Singer, ein „einfacher Mann“, wie der Erzähler stets betont, erträgt seine Schicksalsschläge lange geduldig, bis es ihm zuviel wird: Er entsagt Gott, weigert sich, an den gemeinsamen Gebeten teilzunehmen und zieht sich aus der Gesellschaft zurück.

Dann geschieht das Wunder, das er nicht mehr für möglich gehalten hat: Menuchim, der Sohn, den er zurückgelassen hat, kehrt geheilt und als berühmter Komponist zu ihm zurück. Mendel Singer schließt die Augen und fällt in einen seligen Schlaf: Er hat seinen Frieden wiedergefunden.

Auf so kleinem Raum lässt sich diese „einfache Geschichte“ zusammenfassen. Roth erzählt sehr zurückhaltend, um einen sachlichen Tonfall bemüht. Was Hiob aber ausmacht, ist viel mehr. Die Geschichte weist zahlreiche Parallelen zu Roths Lebenssituation auf, in der der Roman entstand: Der Verlust der Heimat, die psychische Krankheit seiner Frau Friedl sind wie Blaupausen für die Romanhandlung. Was „Hiob“ aber so lesenswert macht, ist der Hoffnungsschimmer, den Roth sich vielleicht auch für sein eigenes Leben erhofft hat: Hiob wird Frieden finden, so wie auch der Leser dieses wunderbaren, erschütternden Romans. Joseph Roth sollte ihn nicht mehr finden. Er starb 1939 im französischen Exil, vom Alkohol zerrüttet und in tiefer Verzweiflung.

Hiob

Joseph Roth

Kiepenheuer & Witsch, 2010

10,00 €

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Fabian Thomas ist Herausgeber von The Daily Frown, dem Magazin für Musik, Literatur, Alltag. Er liebt alte Schallplatten, schöne Bücher und geht gerne zu Fuß, weil man so mehr mitkriegt. In der Reihe ocelot Classics stellt er einmal im Monat Lieblingsbücher und Wiederentdeckungen vor.

Jede Seite eines Romans ist auch eine Seite Partitur

Posted on: Dezember 12th, 2013 by Ralf Diesel No Comments

 

Alban Nikolai Herbst über Phantastik und mehr. In einem Interview mit Ralf Diesel.

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© Shasharad Lowan

Gerade erschien im Elfenbeinverlag der letzte Band der Anderswelt-Trilogie von Alban Nikolai Herbst: Argo. Anderswelt. Damit ist dieses einzigartige Unterfangen, das 1998 begann, fertiggestellt. Herbst entblättert eine phantastische Welt, die nicht parallel zur realen läuft oder mit dieser zusammenstößt, beide verschränken sich. Ausgangsort ist das real existierende Berlin, mit einem real existierenden Alban Nikolai Herbst nebst seiner Autorenschaft und den Bars, die er tatsächlich aufsucht. Doch von dort gibt es Einfallstore in die Anderswelt, die sich von der realen vor allem darin unterscheidet, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes entgrenzt ist. Schauplätze aus London, Paris, Buenos Aires usw. finden sich in der Anderswelt nebeneinander wieder, Herbst, der Autor, begegnet den von ihm erfunden Protagonisten. Das zweite Kapitel ist eine Interjektion zur Orientierung, ein Glossar zu den Figuren und Orten der Anderswelt. Durchaus hilfreich.

Herbsts durchkomponierte Sprache ist dabei ganz eigener Herkunft und im Ganzen bedeutend. Sprache birgt eine Sinnlichkeit, wird erst da sinnlich, wo sie der Vielschichtigkeit der Sinne gerecht wird. So ist Herbsts Schreiben sinnlich, musikalisch, bildhaft, vielschichtig. Eben Schreiben.

Ein auf allen Ebenen hoch angelegter, reicher Genuss.

Warum Phantastik heute? Ist es nicht als Genre überkommen?

Wieso sollte es? Der Realismus ist überkommen. Jedenfalls das, was unter ihm verstanden wird. Er ist ästhetisch eine historische Kategorie, die sich in unserer Gegenwart genau so wenig mehr halten kann, wie es nationalistische Vorstellungen können. Phantastik öffnet, Realismus setzt fest.

Kybernetischer Realismus – ist das die Verdinglichung des Menschen oder die Menschwerdung des Einzelnen? Funktionieren und nicht Funktionieren stehen im steten Widerstreit.

Insofern die Kybernetik immer Bewegung voraussetzt, kann ein Kybernetischer Realismus gar nicht verdinglichen, selbst wenn er wollte, also wenn seine Vertreter es wollten. Den Begriff habe übrigens ich selbst geprägt – er ergab sich aus den Erfahrungen mit meinen Romanen seit „Wolpertinger oder Das Blau“ von 1993. Was in der Phantastik oft noch ungefähr, statuarisch oder „rein“ atmosphärisch zu sein scheint, bekommt im kybernetischen Realismus eine spürbare, vor allem: bewußte Richtung. Das Phantastische entspricht, um meine Position an einem Modell zu verdeutlichen, dem Unbewußten, der Kybernetische Realismus dem, was aus dem Unbewußten und Verdrängten wieder herausgehoben worden ist („Wo Es ist, soll Ich werden“ [Freud]). Während wir dem Phantastischen mehr oder minder ausgeliefert sind, stehen wir im Kybernetischen Realismus selbst am Ruder oder können den Steuermann zumindest beobachten.

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Gewinnen Sie mit Ihrer Wunschliste!

Posted on: Dezember 10th, 2013 by Sophie Schmidt No Comments

 

Bis zum 18. Dezember 2013 haben Sie die Möglichkeit mit Ihrer Wunschliste Geschenke im Wert von 50 € zu gewinnen!

Gehen Sie dafür auf unseren Onlineshop www.ocelot.de und erstellen Sie eine Wunschliste. Sofern Sie schon ein Benutzerkonto haben, können Sie sich einfach anmelden und Ihre Wunschliste anlegen. Falls nicht, legen Sie sich ein kostenloses Konto an und stöbern weiter.

Sobald Ihre Wunschliste fertig ist, können Sie diese per E-Mail an service@ocelot.de mit uns teilen. Am 18. Dezember wählt das ocelot-Team die beste Wunschliste. Der Gewinner oder die Gewinnerin erhält Geschenke im Wert von 50 €!

Sie haben Fragen? Schauen Sie doch in unserem FAQ-Bereich vorbei oder melden Sie sich unter service@ocelot.de

Sophie von Literaturen stellt sich vor

Posted on: Dezember 9th, 2013 by Sophie Schmidt No Comments

 

literaturenHallo, wer bist Du und wie heißt Dein Blog?

Ich bin Sophie, Buchhändlerin in Ausbildung und mein Blog heißt ,Literaturen'. Manchmal überlege ich, 'Literatouren' daraus zu machen, weil ich Angst habe, irgendwann steht jemand vor meiner Tür und erinnert mich unsanft daran, dass es die Zeitschrift Literaturen im Printbereich bereits lange vor meinem Blog gab.

 

Warum machst Du bei We read Indie mit?

Weil ich als Buchhändlerin von Berufs wegen grundsätzlich großes Interesse an Literatur habe und jeden Tag sehe, wie uniform das Programm vieler großer Publikumsverlage geworden ist. Die Möglichkeiten von Literatur werden nicht mehr voll ausgenutzt, es fehlt der Mut, Neues und vielleicht auch Abseitiges auszuprobieren. Und obwohl eher große Verlage das finanzielle Polster hätten, solche Titel anzubieten, sind es die Kleinen, die Risikobereitschaft beweisen. Das möchte ich unterstützen. Literatur ist Kunst und kein samtweiches Federbett, Autoren und Verlage keine Dienstleister für den Massengeschmack.

 

Was machst Du, wenn Du nicht gerade für We read Indie oder Deinen Blog schreibst? Was macht Deinen Blog besonders?

Ich arbeite im Buchhandel, gehe auf Konzerte und ins Kabarett. Ich bin ein großer Freund der Kleinkunst, was mich als Redakteurin zu ,Ein Achtel Lorbeerblatt' gebracht hat. Das ist so ein bisschen mein Ausgleich zur literarisch geprägten Tätigkeit. Überdies habe ich großes Interesse am Theaterspielen, zweimal habe ich bisher in Produktionen mitgewirkt, aber für mehr fehlen bisher Zeit und Talent.

 

Was macht Deinen Blog besonders?

Ich denke, es ist seine Vielseitigkeit. Ich bespreche Graphic-Novels, Romane, hin und wieder auch Sachbücher, Titel aus dem humoristischen und satirischen Bereich. Außerdem empfehle ich im Menü auch immer einen Künstler der musikalischen oder kabarettistischen Zunft, von denen ich glaube, dass noch mehr Menschen sie kennen sollten. Künstler wie Sebastian Krämer oder Matthias Brodowy, ..ich erlaube mir also auch, andere Leidenschaften einzubringen, die nicht in erster Linie literarisch sind. Hin und wieder gibt es auch Interviews, wenn ich das Bedürfnis habe, tiefer nachzubohren. Ich versuche, mich kulturell möglichst „breit aufzustellen“, wie man so schön sagt, ohne auszuufern. Und ich denke, das gelingt.

 

Was ist Dein Lieblingsleseort?

Das Bett. Ich habe zwar einen wirklich tollen Lesesessel, aber aus irgendeinem Grunde zieht es mich doch immer wieder eher auf meine Schlafcouch.

 

Was ist Deine Empfehlung für den Literaturherbst 2013?

„Wenn die Wale an Land gehen“ von Kathrin Aehnlich (Kunstmann Verlag) und Dina Nayeri „Ein Teelöffel Land und Meer“ (mare)

 

 

Mara von „Buzzaldrins Bücher“ stellt sich vor

Posted on: Dezember 3rd, 2013 by Sophie Schmidt No Comments

 

Buzzaldrin BlogHallo, wer bist Du und wie heißt Dein Blog? 

Ich bin Mara, in der literarischen Netzwelt aber besser bekannt als „Buzzaldrins Bücher“ – so heißt nämlich auch mein Blog.

 

Warum machst Du bei We read Indie mit? 

Ich habe schon immer gerne mein Auge auf Literaturperlen aus kleineren, unbekannteren oder auch unabhängigen Verlagen geworfen. Die Begeisterung, die dem Indiebookday folgte und die Idee der Klappentexterin haben mich dann angesteckt. Ich freue mich, durch We read Indie nicht nur die Möglichkeit zu haben, auf Bücher hinzuweisen, die mir persönlich am Herzen liegen, sondern auch gleichzeitig die Kultur und die Existenz von kleinen Verlagen zu unterstützen. Bei der heutigen Masse an Neuerscheinungen finde ich es wichtig, einen Blick auf diejenigen am Rand zu haben, die nichtsdestotrotz wunderbare und wunderschöne Bücher gestalten. Vielleicht können wir sie gemeinsam ein bisschen stärker in die Mitte rücken.

 

Was machst Du, wenn Du nicht gerade für We read Indie oder Deinen Blog schreibst? 

Dann bin ich am liebsten mit meinem Hund draußen, in der freien Natur – Sonne atmen und Kraft tanken fürs Bloggen. Ansonsten versuche ich mich mit meinem geisteswissenschaftlichen Studiengang von Praktikum zu Volontariat zum schlecht bezahlten Nebenjob zu hangeln.

 

Was macht Deinen Blog besonders?

Puh, beurteilen müssten das wahrscheinlich andere. Ich habe das Gefühl, dass meine Leser meine Besprechungen gerne lesen und Wert auf meine Meinungen legen – ob das nun etwas Besonderes ist, vermag ich nicht einzuschätzen. Viele kommen wohl auch wegen der Bilder meines Hundes, glaube ich. 😉

 

Was ist Dein Lieblingsleseort?

Mein Lesesessel und das Bett. Ich kann aber überall lesen, im Wartezimmer, in der Bahn, auf der Toilette oder wenn ich darauf warte, dass der Computer hochfährt. Am liebsten lese ich dort, wo mein Hund ist, denn an seiner Seite gehe ich besonders gerne auf literarische Entdeckungsreise.

 

Was ist Deine Empfehlung für den Literaturherbst 2013?

Meine Empfehlung für den Literaturherbst ändert sich von Tag zu Tag, von Buch zu Buch und es gibt noch so viele, auf die ich mich freue, die ich aber noch nicht gelesen habe. Mein momentanes Highlight ist „Die Listensammlerin“ – ein wunderbar leichter, aber auch trauriger Roman von Lena Gorelik.