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Jörg Fauser: Das Schlangenmaul

Posted on: August 7th, 2014 by Fabian Thomas No Comments

 

Jörg Fauser - Das Schlangenmaul (Ullstein Taschenbuch 1997)Miriam Schäfer-Scheunemann, eine Tochter aus dem Hannoveraner Neureichen-Milieu, ist verschwunden. Heinz Harder, „Bergungsexperte für außergewöhnliche Fälle“, wird mit der Suche beauftragt. Das kommt ihm gerade recht, hat er doch eine saftige Steuernachzahlung im Nacken und ist als verkrachter Journalist ohnehin chronisch pleite. Recherchen in der Hannoveraner Kleinkriminellen-Halbwelt und dem Berliner Puff-Milieu lassen Harder einigermaßen schnell erahnen, dass er sich bei diesem Job nur die Finger verbrennen kann: Miriam ist die Tochter des skandalumwitterten Politkers Paul Scheunemann, der gerade zum Alkoholentzug in der Klinik ist, hält sich aber viel lieber bei ihrem Stiefvater in Westberlin auf, der die Fäden einer ominösen New-Age-Sekte von Schlangenbeschwörern in der Hand hält.

Wer ihn immer noch nicht kennt, sollte das schleunigst ändern: Jörg Fauser hat sich in den achtziger Jahren von seinem Underground-Image gelöst und mit Krimis in der hardboiled-Tradition einen Namen gemacht, sie erschienen bei Rogner & Bernhard und später als günstige Taschenbücher bei Ullstein. Neben seiner journalistischen Arbeit konnte er so seinen Lebensunterhalt verdienen, alt wurde er aber trotzdem nicht: Am 17. Juli 1987 starb er nach der Feier zu seinem 43. Geburtstag, als er als Fußgänger auf der Autobahn von einem Lkw erfasst wurde. Dieses Jahr wäre er siebzig Jahre alt geworden.

Das Schlangenmaul ist neben den im selben Jahrzehnt erschienenen Romanen Der Schneemann und Rohstoff ein eher unbekannter Fauser. Die anfangs rasante und extrem unterhaltsame Handlungsführung kommt gegen Ende etwas ins Stocken. Dafür bekommt man die für diesen Autoren so typischen kantigen Figuren, brillant auf den Punkt geschriebene Dialoge und einen stimmungsvollen Blick auf das Westberlin in den trüben achtziger Jahren der Bundesrepublik. Kostprobe: „Auf der Potse war die Stunde der Hyänen angebrochen, die Stunde der Aasgeier. Das Neonlicht flackerte wie der Pulsschlag eines Sterbenden, und der Wind heulte durch die Straße wie ein Todesschrei.“

Das Schlangenmaul

Jörg Fauser

Diogenes Verlag, 2009

9,90 €

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Fabian Thomas ist Herausgeber von The Daily Frown, dem Magazin für Musik, Literatur, Alltag. Im ocelot Blog stellt er in der Rubrik Classics einmal im Monat Lieblingsbücher und Wiederentdeckungen vor.

Carson McCullers: A Tree, a Rock, a Cloud

Posted on: Mai 8th, 2014 by Fabian Thomas No Comments

 

carson-mccullersEin eher ungewohnter Blick: The Ballad of the Sad Café in Knallbunt (gefunden bei Strand Books)

Carson McCullers wurde 1917 in einer Kleinstadt in Georgia geboren, etwas mehr als fünfzig Jahre später starb sie in Upstate New York. Ein glückliches Leben war ihr kaum beschieden: Rheuma, Herz- und Kreislaufprobleme begleiteten sie, ein Schlaganfall führte zur halbseitigen Lähmung; ihr mittleres bis schweres Alkoholleiden war da auch alles andere als zuträglich.

Vielleicht sind deswegen, einem alten Künstlerklischee zufolge, in den Jahren nach ihrem Tod bei Carson McCullers stets das große Empathievermögen, die Vorliebe für Figuren am Rande der Gesellschaft und eine sensible Schilderung des Südstaaten-Mikrokosmos hervorgehoben worden. The Heart is a Lonely Hunter, der berühmte Debütroman, erschienen 1940, steht schon mit seinem mottohaften Titel sinnbildlich für die Themen, die Carson McCullers immer gerne zugeschrieben werden: Liebe, Einsamkeit, Bitterkeit, das passt doch nur zu gut ins rührselige Bild der sensiblen, vom Leben geprüften Autorin. Ähnlich wie bei Sylvia Plath oder Ingeborg Bachmann scheint es auch in diesem Fall unmöglich, einen klaren, unverstellten Blick auf die literarische Arbeit von Carson McCullers zu werfen. Ihre Bücher werden währenddessen regelmäßig als hübsche Klassikerausgaben neu aufgelegt, der Kanon scheint seinen Platz für sie gefunden zu haben.

Wer es trotzdem wagen möchte, Carson McCullers' literarisches Können jenseits von allen Autobiographismen und vorgefassten Klischees in einer packenden Liebesgeschichte zu erleben, dem sei die Kurzgeschichte „A Tree, A Rock, A Cloud“ ans, nun ja, Herz gelegt. Hier spielt Carson McCullers mit großer Raffinesse das Überraschungsmoment einer zufälligen Begegnung aus: Ein offenbar betrunkener Mann an der Bar beginnt völlig aus dem Blauen heraus ein tiefsinniges Gespräch mit einem Zeitungsjungen. Aber statt in Weinerlichkeit oder sinnloses Geplapper zu verfallen, führt er dem Jungen – und damit gleichsam dem Leser – seine herzzereißende Lebensgeschichte, die gleichzeitig eine Liebesgeschichte ist, vor Augen. Und die geht so durch Mark und Bein, dass man sich danach am liebsten zu dem Erzähler an die Bar setzen möchte: „Son, do you know how love should be begun? A tree. A rock. A cloud.“

Nachzulesen in den gesammelten Erzählungen von Carson McCullers, etwa der Ausgabe aus dem Diogenes Verlag, oder im englischen Original bei Penguin Classics.

Gesammelte Erzählungen

Carson McCullers

Diogenes Verlag, 2004

19,90 €

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Fabian Thomas ist Herausgeber von The Daily Frown, dem Magazin für Musik, Literatur, Alltag. Im ocelot Blog stellt er in der Rubrik Classics einmal im Monat Lieblingsbücher und Wiederentdeckungen vor.

Wes Andersons Bilderbuch

Posted on: April 3rd, 2014 by Frank Berzbach No Comments

 

Manche Romane sind eher Filme, aber in Zeiten des iconic turn sind manche Filme eben auch Bilderbücher und große Romanerzählung. Der neue Film von Wes Anderson, Grand Budapest Hotel, ist vieles zugleich: Stefan Zweig-Rezeption und rückwärts gewandte Utopie, geniale Bild- und Handlungsfolge, ein Schaulauf wundervoller Darsteller und der seltene Fall intellektuellen Hochgenusses bei zugleich großem Unterhaltungswert. Die Einstellungen sind so überfüllt mit guten Ideen, dass man im Kino laut „Stop!“ rufen möchte und den Film zurückspulen. Es will einem gar kein Film einfallen, der offensichtlich tragisch endet und einen dennoch so glücklich entlässt – ein guter Beleg dafür, dass der Plot bei guten Filmen und Romanen eben nur die Oberflächendimension ausmacht.

Es geht um eine Frau, die vor einem skurrilen Denkmal einen Roman liest; dann sehen wir den gealterten Schriftsteller des Buches, der sich daran erinnert, wie ihm eine Geschichte in einem verlassenen Hotel erzählt wurde. Die Erzählposition ist etwa die von Ecos Der Name der Rose: ein Novize erinnert sich an die Erlebnisse mit seinem Meister; nur ist der kein Mönch, sondern ein Concierge. Der Unterschied zwischen Klöstern und Grandhotels wird überschätzt, beides sind Heterotopien. Und auch sonst geht es postmodern zu, in der verspiegelten Geschichte. Der Film ist ein offenes Kunstwerk, obwohl wir ihm halbwegs chronologisch folgen können; er ist es allein auf der Bildebene. Wir folgen der Verfilmung der fiktiven Geschichte des Grand Budapest Hotels in einer fernen osteuropäischen Welt, die in den Farben Stefan Zweigs koloriert ist, eine „Welt der Sicherheit“, wie er sie nannte, und wir sehen mit Thomas Mann’scher Ironie den Verfall dieser Welt, ihre Zerstörung durch die Nazis. Die Traurigkeit dieses Verlaufes wird durch den Schwung endloser Bildideen zwar nicht unsichtbar gemacht, aber thesenhaft überdeckt: Die Gewalt kann die Tugenden von Stil, Anstand und Sinnesfreude zwar negieren, aber dennoch gilt für den Don-Quichote-haften Concierge Monsieur Gustave immer noch ungebrochen Dostojewskis Diktum, dass Schönheit die Welt rettet. Wer heute Die Welt von gestern von Stefan Zweig liest, der verfolgt den Irrtum des damals meist übersetztesten Autors der Welt, die ihm die spezifische deutsche Bildungstradition eingab: Die Politik ist nichts für schöne Geister, der Pragmatismus ist nichts für die gebildeten Stände, Stil und Anmut veredeln die Welt und verhindern die Barbarei. Hitler und seine Helfer zeigten, dass dagegen ein Kraut gewachsen ist, das der rohen Gewalt, der Unfähigkeit zu Feinsinn. Der Film feiert zwar die Nostalgie, aber die Szenen in denen das Böse auftaucht, ändern die gesamte Farbgebung. Der Protagonist bleibt höflich, aber an den Schergen prallt das ab. Dennoch stirbt die Hoffnung zuletzt: Könnten Anmut, guter Stil und kultivierte Sprache nicht doch Mittel sein gegen dieses Böse? Die Antwort stimmt traurig.

Der Film ist so umwerfend schön fotografiert, dass man sogleich Asserates großes Buch über die Manieren wieder lesen möchte – allein um anderen die Wünsche von den Augen abzulesen, wie der Concierge von Wes Anderson. Und die Novellen von Stefan Zweig sollten die Buchläden mal wieder ins Fenster stellen, zusammen mit den Romanen des späteren Meisters der k.u.k-Sehnsucht, Heimito von Doderer. Der Film ist ein Roman und es scheint, dass einige Autoren der Vergangenheit ihn in Texte gefasst haben.

Wes Anderson: The Grand Budapest Hotel. Seit 6. März in den deutschen Kinos

...und zum Weiterlesen:

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. Fischer Taschenbuch, 512 Seiten, 11,95 €

Stefan Zweig: Ungeduld des Herzens. Fischer Taschenbuch, 464 Seiten, 9,95 €

Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke

Posted on: Februar 27th, 2014 by Fabian Thomas No Comments

 

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Leo Perutz ist einer der Autoren, die alle paar Jahre einmal wiederentdeckt werden und dann wieder in der Versenkung verschwinden.

Ende der achtziger Jahre legte Rowohlt im Taschenbuch seine Romane noch einmal auf, dann, etwa ab 2002, machte sich der Deutsche Taschenbuchverlag noch einmal um eine Wiederauflage verdient. Wenn man Glück hat, findet man in größeren Buchhandlungen eines der gelben Bändchen mit so seltsamen Titeln wie Wohin rollst du, Äpfelchen... oder St. Petri-Schnee. Bekannt ist er auch zumindest mittelbar über den nach ihm benannten Leo-Perutz-Preis, eine Auszeichnung für Kriminalromane mit Wien-Bezug.

Vergleichbar vielleicht mit B. Traven, war Leo Perutz, bevor er in Vergessenheit geriet, in den zwanziger und beginnenden dreißiger Jahren ein überaus erfolgreicher Schriftsteller. Seine Romane waren meist kurz, schnell geschrieben und bedienten sich beliebter historischer Stoffe wie der Eroberung Südamerikas durch die spanischen Conquistadores. Aber Perutz, 1882 in Prag geboren, von Beruf Versicherungsmathematiker und daher manchmal in einem Atemzug mit Franz Kafka genannt, konstruierte seine Romane so raffiniert und voller literarischer Kniffs, dass neben einer spannenden Handlung die Lektüre dieser Bücher auch immer ein intellektueller Hochgenuss ist.

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Blick auf das jüdische Prag um 1900

Nachts unter der steinernen Brücke, sein vorletzter Roman, der 1953 nach langer Pause, bedingt durch Perutz’ Exil in Palästina, in der Frankfurter Verlagsanstalt erschien, wurde kaum mehr gelesen oder besprochen. Zu stark scheint er mit der jüdisch geprägten, lebendigen Kulturszene der Vorkriegszeit verhaftet zu sein – und dem alten, jüdischen Prag, das schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch die Zerstörung der uralten, verwinkelten und mittlerweile baufällig gewordenen Gassen, dem Untergang geweiht war, setzt dieser Roman tatsächlich ein unvergessliches Denkmal.

Es ist das 16. Jahrhundert, Kaiser Rudolf II. sitzt, von Alchimisten und Wunderheilern umgeben, auf seinem Thron in der Prager Burg, in der Judenstadt lenkt hingegen der reiche Kaufmann Mordechai Meisl die Geschicke. Eine schöne Frau, in die beide verliebt sind, wird zum Auslöser zahlreicher phantastischer Geschichten, die man wie Kurzgeschichten lesen kann, aber im Zusammenspiel eben auch als ein wunderbares Zeitbild, das Leo Perutz in einer Sprache entworfen hat, die unbeschreiblich schön ist, aber auch melancholisch stimmt. Man macht Bekanntschaft mit sprechenden Hunden, fahrenden Künstlern, dem Rabbi Löw und einem ehemaligen Hofnarren. Am Ende, im Epilog, beschreibt der Erzähler dieser Geschichten, man mag ihn mit Perutz identifizieren, wie er das letzte Mal die alte Judenstadt aufsucht, wo sein Hauslehrer ein winziges Kämmerlein bewohnt, und es treibt einem die Tränen in die Augen, wenn man diese letzte Beschreibung des alten Prag liest:

Aneinandergedrängte altersschwache Häuser, Häuser im letzten Stadium des Verfalls, mit Vor- und Zubauten, die die engen Gassen verstellten. Diese krummen und winkeligen Gassen, in deren Gewirr ich mich auf das hoffnungsloseste verlaufen konnte, wenn ich mich nicht vorsah. (…) Ja, ich kannte das alte Judenviertel.

Wenn manche Bücher, wie man das so oft dahersagt, tatsächlich so etwas wie Zeitkapseln für vergangene Zeiten sind – in Nachts unter der steinernen Brücke ist Leo Perutz ein Meisterstück von einer Zeitkapsel gelungen.

Nachts unter der steinernen Brücke

Leo Perutz

Deutscher Taschenbuch Verlag, 2002

9,90 €

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Fabian Thomas ist Herausgeber von The Daily Frown, dem Magazin für Musik, Literatur, Alltag. Im ocelot Blog stellt er in der Rubrik Classics einmal im Monat Lieblingsbücher und Wiederentdeckungen vor und beobachtet die Literaturszene der Hauptstadt. Außerdem ist er selbst Mitgründer des digitalen Verlags shelff, der im Dezember die ersten beiden E-Books veröffentlichte.

Bildnachweis © Deutsches Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek

Saul Bellow: Herzog

Posted on: Januar 22nd, 2014 by Fabian Thomas No Comments

 

saul-bellow-romaneIn den Vereinigten Staaten gilt er als der große Erzähler des 20. Jahrhunderts, er ist Nobelpreisträger und übte Einfluss auf so unterschiedliche Autoren wie Philip Roth und Ian McEwan aus: Die Rede ist von Saul Bellow, 1915 in Quebec geboren, 2005 bei Boston gestorben.

Der im Vergleich dazu im deutschen Sprachraum immer noch in weiten Teilen vorherrschenden Unbekanntheit Bellows suchte zuletzt der Verlag Kiepenheuer & Witsch entgegenzuwirken, und zwar mit einem edlen dreibändigen Schuber, der die Romane Die Abenteuer des Augie March, Herzog und Humboldts Vermächtnis umfasste; öffentlichkeitswirksam wurde Saul Bellow gar als „Obamas Lieblingsautor“ beworben.

Über Sinn oder Unsinn solcher Zuschreibungen lässt sich streiten – sicher sein kann man jedoch, dass jeder, der sich lesend mit der amerikanischen Gesellschaft im 20. Jahrhundert auseinandersetzt, irgendwann bei Saul Bellow landet. Gut auch: Wenn ein Autor nicht so bekannt ist, ist die Chance relativ groß, günstige Taschenbuchausgaben in Antiquariaten aufzustöbern. Mir ging es jedenfalls so, dass ich nach langjähriger Philip-Roth-Lektüre irgendwann einmal auch auf den Namen Saul Bellow stieß. Die Flohmarkt-Kiste in der Münchner Stadtbibliothek und ein Bücherverkauf am Amerika-Institut in der Schellingstraße taten ihr Übriges, und so fanden nach und nach die Romane des 1915 ursprünglich in Kanada geborenen Autors, der einen Großteil seines Lebens in Chicago verbrachte, den Weg in mein Bücherregal.

Als Entwicklungsroman, ebenbürtig zum Fänger im Roggen, gilt das 1964 erschienene Adventures of Augie March. Bis nach Afrika führte Bellow seine Helden, etwa in Henderson the Rain King. Mein Lieblingsbuch, in vielerlei Hinsicht ein Höhepunkt von Saul Bellows Schaffen, ist aber nach wie vor Herzog.

„If I am out of my mind, it’s all right with me, thought Moses Herzog“: Allein dieser Eröffnungssatz! Ein Satz, der in sich schon die ganze Ausweglosigkeit und stoische Grundhaltung seiner Hauptfigur birgt. Und mitten in das Geschehen führt: Herzog ist am Ende. Seine Frau hat ihn verlassen, er hat seine Stelle als Hochschullehrer verloren und sich ins ländliche Massachusetts zurückgezogen. Dort schreibt er Briefe, einen nach dem anderen, an alle Personen, die ihm etwas bedeutet haben: Seine Ex-Frau, seine Kinder, später auch scheinbar wahllos an Geistesgrößen wie Heidegger, Spinoza oder Nietzsche. Darin reflektiert er sein Leben, seine Verfehlungen und findet wieder langsam zu sich zurück. Zwischendurch gibt es allerdings noch zwei Exkursionen, die Herzog nach New York und Chicago führen, und fast kommt es dort vorzeitig zu einem tödlichen Showdown.

Ian McEwan stellte seinem Roman Saturday 2005 dieses Zitat aus Herzog voran:

„For instance? Well, for instance, what it means to be a man. In a city. In a century. In transition. In a mass. Transformed by science. Under organized power. Subject to tremendous controls. In a condition caused by mechanization. After the late failure of radical hopes. In a society that was no community and devalued the person. Owing to the multiplied power of numbers which made the self negligible. Which spent military billions against foreign enemies but would not pay for order at home. Which permitted savagery and barbarism in its own great cities. At the same time, the pressure of human millions who have discovered what concerted efforts and thoughts can do. As megatons of water shape organisms on the ocean floor. As tides polish stones. As winds hollow cliffs. The beautiful supermachinery opening a new life for innumerable mankind. Would you deny them the right to exist? Would you ask them to labor and go hungry while you yourself enjoyed old-fashioned Values? You—you yourself are a child of this mass and a brother to all the rest. or else an ingrate, dilettante, idiot. There, Herzog, thought Herzog, since you ask for the instance, is the way it runs.“

Kein Wunder, dass Saul Bellow unter heute schreibenden Autoren immer noch ein Maßstab dafür ist, wie man die Komplexität und das Paradoxon heutigen Lebens in zwei Buchdeckeln zusammenbringt. Wenn es nach mir geht, kann er das noch lange bleiben.

Herzog

Saul Bellow

Fischer Taschenbuch, 2011

10,99 €

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Fabian Thomas ist Herausgeber von The Daily Frown, dem Magazin für Musik, Literatur, Alltag. Im ocelot Blog stellt er in der Rubrik Classics einmal im Monat Lieblingsbücher und Wiederentdeckungen vor und beobachtet die Literaturszene der Hauptstadt. Außerdem ist er selbst Mitgründer des digitalen Verlags shelff, der im Dezember die ersten beiden E-Books veröffentlichte.