Eine Nacherzählung
1992

184 Seiten, engl. Broschur
€ 11,50 SFr 17,80
ISBN 978-3-924652-19-7

Hazel Rosenstrauch
Beim Sichten der Erbschaft
Wiener Bilder für das Museum einer untergehenden Kultur

In Wien, das sehr weit weg von Deutschland und nahe an Prag liegt, stößt Hazel Rosenstrauch nach mehr als zwanzig Jahren Abwesenheit auf letzte Spuren ihrer “politischen Stammeskultur”: Es sind Ex-Kommunisten, die sich nach der Zerschlagung des Prager Frühlings rund um die Zeitschrift Wiener Tagebuch gesammelt haben. Das Buch handelt vom Märchen dieses Jahrhunderts: vom bösen Kapitalismus und der Verwirklichung von Gerechtigkeit auf Erden und jedes Kind weiß, daß es nicht gut ausgegangen ist.

Buchentstehung
Die Idee zu diesem Buch entstand durch viele Gespräche, die Hazel Rosenstrauch und ich über einen langen Zeitraum hinweg führten. Ausgangspunkt war die Überzeugung, man müsse die Lebensläufe der Emigranten ins Heute übersetzen, um sie verstehbar zu machen. Den letzten Anstoß gab dann eine gemeinsame Ruderpartie auf der Alten Donau im Sommer 1991.

Zur Autorin

Hazel Rosenstrauch wurde am Ende des Krieges in London als Tochter österreichischer Emigranten geboren, wuchs in Wien auf, studierte in Berlin und promovierte in Tübingen. Sie arbeitete als Lektorin, Universitätsdozentin und Herausgeberin wissenschaftlicher Zeitschriften. So leitete sie z.Bsp. von 1997 bis 2007 sie die Zeitschrift "Gegenworte". Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Kulturgeschichte vom 18. Jahrhundert bis heute. 2012 erhielt sie den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik. Hazel Rosenstrauch lebt in Berlin.

Im persona verlag sind auch erschienen:

Weitere Buchveröffentlichungen: Aus Nachbarn wurden Juden. Ausgrenzung und Selbstbehauptung 1933-1942 Berlin 1988 (vergriffen). Varnhagen und die Kunst des geselligen Lebens. Eine Jugend um 1800, Verlag Das Arsenal 2003. Wahlverwandt und ebenbürtig. Caroline und Wilhelm von Humboldt, Die Andere Bibliothek im Eichborn Verlag 2009. Karl Huss, der empfindsame Henker, Matthes & Seitz.

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Pressestimmen

"Der Kommunismus wird heutzutage von seinen Anhängern apologisiert und von seinen Gegnern verteufelt. Selbst auf seinen Ruinen läßt sich nicht ruhig über ihn diskutieren... Das Verständnis und die ironische Distanz der Autorin führen dazu, daß selbst Worthülsen, Platitüden oder ungeschickte Selbstrechtfertigungen der von ihr befragten Veteranen Wahrheit enthalten, auch wenn diese nur ihre eigene, subjektive und rein historische Wahrheit ist... Die Partei war für sie -- und dies schildert die Autorin recht überzeugend -- nicht nur eine politische Organisation, sondern eine Kultur, eine Lebensweise. Ihre Ideen änderten sich, aber ihre Verhaltensmuster, ihr Geschmack und ihre Gewohnheiten blieben -- womöglich bis heute -- unverändert. Was Hazel Rosenstrauch darüber berichtet, ist ein Stück feiner Essayistik." (György Dalos, Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte)

"In einer Mischung aus Essay, Beschreibung, Gespräch rekonstruiert Hazel Rosenstrauch Lebens- und Denkwelt desTagebuch-Kreise. Ihr Interesse gilt weder der Verklärung noch der Verhöhnung von Menschen, die ‘von Denkmälern zu Irrläufern’ geworden sind. Sie kümmert sich um ‘Lebensgeschichten, die nun wertlos herumliegen’, da sich der ‘Sowjetstern in ein historisches Stück Blech’ verwandelt hat. Widerstand, Emigration und Lager: diese Bestandteile so vieler Biographien, die so lange als Chiffren für Heldengeschichten galten, verlieren plötzlich ihren identitätsstiftenden Sinn und ragen fremd in die Gegenwart...Hazel Rosenstrauchs Buch ist das Plädoyer für eine andere Aneignung von Geschichte." (Heribert Seifert, Neue Zürcher Zeitung)

Textprobe

Sowohl die Neigung wie die Notwendigkeit, jenseits der normalen deutschen Zurichtung nach liebenswerten Ahnen zu suchen, ist längst und war schon lange vor der Vereinigung mit dem ehemals kommunistischen Deutschland passé. Welch großes Geschenk dem deutschen Volk damit gemacht wurde, daß Kommunisten inzwischen nur noch mit den Funktionären, den Mächtigen, Korrupten und Verfolgern im sowjetischen Block gleichgesetzt werden, ist noch gar nicht zu ermessen. In Deutschland hat die große Hinterfragung der rebellischen Generation geholfen, die Bürde, ein Deutscher zu sein, einer von denen, dessen Eltern gemordet oder zumindest zugesehen hatten, abzuwerfen. Auch die Generation der heute Sechzig- bis Siebzigjährigen hat, ohne die Wunden und Verrenkungen mitzumachen, von dieser Kulturrevolution profitiert, der Deutschland sein Ansehen als zivilisiertes Land zu einem gewichtigen Teil mitverdankt. Hinter dem Sieg der westlichen Demokratie verschwinden die einst so auffallenden Unterschiede zwischen den Vätern und Söhnen.