
Reise in die märchenhafte Vergangenheit
Eine Beerdigung bringt Familien, Freunde und Bekannte des Verblichenen zusammen. Gemeinsam soll getrauert, sich erinnert und Abschied genommen werden. Doch so manches Mal ist es auch eine Reise in die eigene Vergangenheit, die auf die Trauernden wartet. So begegnen wir einem Mann, der nach der Beerdigung zunächst ein wenig orientierungslos umherfährt.
Vor Jahrzehnten lebte er zusammen mit der älteren Schwester und seinen Eltern hier, doch das alte Haus ist längst abgerissen, musste für eine Reihenhaus-Neubausiedlung weichen. Sein Weg führt ihn an das Ende der Straße. Hier scheint sich in den vergangenen Jahrzehnten nichts verändert zu haben. Einst lebte seine Freundin Lettie zusammen mit ihrer Mutter und Oma hier und auch jetzt öffnet ihm eine Frau die die typischen Gesichtszüge der Hempstocks trägt und überlässt ihn am Ententeich hinter dem Haus seinen langsam wiederkehrenden Erinnerungen.
Er war sieben Jahre alt, als der Untermieter im elterlichen Haus verstarb. Kurz darauf lernte er die 11-jährige Lettie kennen, deren besondere Kräfte, Einsichten und Talente der Junge in der Folge mehr als nötig hat. Statt des verstorbenen Opalschürfers zieht ein Kindermädchen, Ursula Monkton ein, und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Zunächst werden Träume von Reichtum im wahrsten Sinne des Wortes wahr. Denn Mrs Monkton ist weit mehr als eine Frau, und sie bringt nicht nur den Vater unseres Erzählers dazu Undenkbares zu tun, ihre Anwesenheit bringt das Leben unseres introvertierten Knirpses in Gefahr, ja die Existenz der Welt selbst ist bedroht.
Auftritt für die Familie Hempstock die den mutigen Jungen in seinem Kampf gegen die Gefahr nicht nur unterstützen, sondern auch bereit sind, Opfer zu bringen – mehr soll hier nicht verraten werden ...
Gaiman regt an – zum Nachdenken, Mitdenken, Weiterdenken
Von Neil Gaiman erwartet man als Leser immer etwas Besonderes. Uniforme Fantasy seien es Zauberer, Elfen Zwerge oder Vampire überlässt der Mann mit der scheinbar unerschöpflichen Phantasie Anderen, er wandelt auf ganz eigenen Pfaden. Auffällig zunächst, dass wir weder der Namen unseres Erzählers, seiner Familie noch ihrer Untermieter erfahren. Erst mit dem Einzug von Ursula Monkton und dem Auftritt der Hampstocks werden einige, nein die wichtigsten Figuren namentlich benannt.
Was als emotional ergreifende Reminiszenz an die eigene Kindheit beginnt, das entwickelt in der Folgezeit märchenhafte Züge. Und Märchen sind brutal, erschreckend und verstören – da hält sich Gaiman ganz an die Vorbilder.
Unmerklich zunächst wandelt sich der Ton des Kurzromans, zieht das Magische in die Handlung ein. Die zunächst heile Welt bekommt erste Risse, mysteriöse Bemerkungen Letties und Erlebnisse weisen den Weg – obwohl Gaiman hier Vieles nur andeutet und der Phantasie des Lesers überlässt. Dieser darf die Hinweise des Autors aufnehmen und in seinem Geist die vielen offenen Stellen ausschmücken, darf seine Phantasie spielen lassen und kreativ mitarbeiten.
Stilistisch unauffällig erwartet einmal mehr ein viel zu kurzes Leseerlebnis den Leser, ein Buch das mit liebevoll gezeichneten Figuren verwöhnt, das viele Rätsel aufwirft, wenige davon löst und Vieles offen lässt – typisch Gaiman eben. Die unglaublichsten Dinge scheinen real und überzeugend, alles wirkt ein wenig wie ein Tag-Traum und doch seltsam real, das Ende bleibt dabei bewusst offen.
Wie bei den klassischen Märchen warten verstörende, brutale und angsteinflößende Geschehnisse auf den Leser, das Gänsehautfeeling ist hoch, insbesondere, weil der Leser gezwungen ist, sich auf die Handlung einzustellen und in seinem eigenen Geist die verstörenden Bilder zu kreieren. Dabei nutzt der Autor geschickt klassische Elemente, Hexen, Bannsprüche, Hexenringe, magische Katzen und nicht zuletzt der Ozean in einem Eimer. Daneben weckt die Lektüre immer wieder Erinnerungen an die eigene Kindheit, gilt es Reminiszenzen an die eigene Jugend einzubringen.
Das wirkt nostalgisch, melancholisch und ergreifend, fordert aber auch den Rezipienten. Nicht unterschlagen werden sollen hier die tollen Innenillustrationen die den Text kongenial umsetzen.

Der Ozean am Ende der Straße
- Autor: Neil Gaiman
- Verlag: Eichborn
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Ist schon ein paar Tage her, dass ich diese Zeilen dazu geschrieben habe:
Neil Gaiman, der sich für die nächste Zeit eine sechsmonatige e-Medien-Abstinenz verordnet hat, war in den letzten beiden Jahren vor allen Dingen als ein Autor für Doctor-Who-Drehbücher bei der BBC aufgefallen – und hat sich damit in so profilierte Fußstapfen wie die von Douglas Adams bege-ben. Nicht, dass er weitere Profilierung notwendig hätte.
Dieses kleine Bändchen hat nach seinen Aussagen im Nachwort eine lange Entstehungsgeschichte und viele, viele Helferinnen und Helfer gehabt. Es beginnt damit, dass ein Mann in mittleren Jahren in die Gegend kommt, in der er einen Teil seiner Jugend verbracht hat, bevor seine Eltern Haus und Grundstück aus finanziellen Gründen verkaufen mussten. An der Stelle stehen nun neue Häuser und er fährt eine kleine Straße weiter in Richtung eines kleinen Teichs neben einem anderen alten Haus auf einem sehr weitläufigen Grundstück. Dort trifft er eine sehr alte Frau namens Granny Hempstock, die sich an ihn erinnert und ihn fragt, ob er ihre Enkelin Lettie sehen möchte. In dem Moment erinnert er sich an ein Abenteuer aus der Zeit, als er noch sieben Jahre alt gewesen ist und im Rahmen eines Selbstmord eines Hausgastes im Auto seines Vaters die junge Lettie Hempstock kennengelernt hat, die darauf bestand, dass der Teich am Ende der Straße hinter ihrem Haus ein Ozean ist – ein Ozean, über den sie, ihre Mutter Ginnie und ihre Granny vor langer Zeit gekommen waren.
Im Haus der Hempstocks macht der Junge, der sonst eher freundeslos durch das Leben streift noch weitere ungewöhnliche Beobachtungen und Erfahrungen, bevor er zusammen mit Lettie auf dem Gelände einem unheimlichen Wesen begegnet, mit dem die scheinbar Elfjährige einen unverständlichen Kampf ausführt, in dessen Verlauf der Junge ihre Hand nicht loslassen soll. Was er aber dann doch tut, wodurch irgendetwas in seinen Fuß hinein fährt. Noch am gleichen Tag erscheint eine neue Haushaltshilfe, Ursula Monton, im Haus seiner Familie, die von seinem Vater und seiner Schwester sehr geschätzt wird, die ihm aber – mit absolutem Recht – große Angst einjagt. Soviel Angst, dass er schließlich in das Haus der Hempstocks fliehen muss. Dort erfährt er, dass das, was Ursula Monkton darstellt noch das Kleinste seiner Probleme ist.
Ein überaus komplexes modernes Märchen, das sicherlich von erfahreneren erwachsenen Leserinnen und Lesern am Besten zu genießen ist. Kinder, Jugendliche und Leserinnen und Leser mit einem dünnen Lesehintergrund werden hier viele Nuancen verpassen und die Geschichte vielleicht eher uninteressant finden müssen. Allerdings ist der Verzicht auf eine Schwarz-Weiß-Malerei der Charaktere sicherlich für die meisten Leserinnen und Leser interessant. Ich bin wirklich gespannt, wie dieses Buch im Endeffekt beim Publikum ankommen wird.
Ein älterer Mann kehrt in seinen Heimatort zurück und erinnert sich daran, wie er als Siebenjähriger die Familie Hempstock kennenlernte und mysteriöse Dinge erlebte.
Ich weiß nicht genau, was ich von diesem Roman erwartet hatte, aber sicher nicht das, was ich bekam. Sicher, ich hatte schon andere Romane des Autors gelesen, und hätte auf manches gefasst sein können, aber zunächst las sich das Ganze wie ein Roman, in dem es um Kindheiterinnerungen geht, um nach und nach immer mehr ins Mysteriöse zu kippen. Teilweise fühlte ich mich ein bisschen wie in einem Stephen-King-Roman, in dem der Protagonist immer mehr in gruselige Dinge verwickelt wird, nur dass Gaimans Sprache deutlich poetischer ist.
Am Ende stellt der Roman – und der Leser sich – die Frage, wie viel davon hat der Junge, dessen Name nie genannt wird, tatsächlich erlebt, wie viel davon war seine Phantasie? Gleichzeitig ist man entsetzt, was er alles durchmachen musste. Ich habe die Frage für mich so beantwortet: In dieser Geschichte ist alles wahr. Bis dahin hatte ich sehr spannende Lesestunden, der Roman entpuppte sich für mich als wahrer Pageturner. Der Junge erzählt selbst in Ich-Form und so kommt der Leser ihm sehr nahe und fühlt mit ihm. Der Leser bekommt eine Menge Stoff, über den er grübeln kann.
Der Roman ist illustriert, für mich wäre das nicht nötig gewesen, gerade bei diesem Thema hat es mich sogar ein bisschen gestört, möchte ich doch lieber meine eigene Phantasie einsetzen.
Der Roman ist mein Überraschungsbuch des Jahres, ich hätte nicht gedacht, dass er mich so faszinieren wird. Ich bin begeistert. Mich hat der Roman von Anfang an gepackt, auch emotional, und sich als wahrer Pageturner entpuppt. Wer es gerne mal mysteriös und/oder gruselig mag, und wen es nicht stört, dass das Ende relativ offen ist, kann sich hier auf unterhaltsame Lesestunden freuen.
Ich bin mir leider nicht sicher was ich von diesem Buch halten soll. Ich erkenne die Freundschaft zwischen Lettie und dem Junge aber ich versteh nicht ganz was sie ist oder wo sie ist.
Ich finde das Buch schön und es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an, aber ich finde es werden zu viele Sachen und Umstände offen gelassen. Ich bin 13 und das Buch stand bei den Jugendbüchern. Mir stellt sich außerdem die Frage wieso die Hamstocks nicht Altern? Ich finde es interessant aber zu unschlüssig.