
Mögen sie Superhelden?
Es passierte kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Ein fremdes Raumschiff suchte die Erde heim, ein Virus wurde freigesetzt und seitdem ist nichts mehr, wie es vorher war.
Das Wild-Card-Virus tötet die meisten Menschen, die davon befallen werden. Ein geringer Prozentsatz mutiert zu Jokern, Menschen, deren Äußeres zum Grossteil furchtbar umgestaltet wurde, ein paar Wenige ziehen das große Los. Sie werden zu Assen, Menschen, die äußerlich sie selbst bleiben, dafür aber mit Superkräften ausgestattet werden. Auch wenn es nur Promille sind, die entsprechende Kräfte bekommen, so sind es doch viel zu viele Menschen, um sie alle, nur ihrer Kräften wegen, in öffentliches Brot und Arbeit zu bringen.
Da kommt das Unterhaltungsbusiness gerade recht. Statt Big Brother oder Dschungelcamp, heisst es nun in einer Reality Show der Superlative – Amerika sucht den American Hero.
Die Castings laufen ein wenig anders, als bei gewöhnlichen Shows, da wird schon einmal ein Football-Stadion eingeebnet, doch die Kandidaten machen sich vor immer laufender Kamera zum Affen – wir kennen das ja. In vier Gruppen – Pik, Kreuz, Karo und Herz – aufgeteilt, treten sie gegeneinander an, müssen Prüfungen bestehen und Rätsel lösen. Nur dem Sieger bleibt es erspart einen aus der Mitte der Gruppe auszuwählen, der dieselbige verlassen muss.
Dass zur selben Zeit, während sie sich im TV prostituieren, in Arabien ein despotischer Anführer mit Hilfe dortiger Asse aufmacht, ein Unrechtsreich zu errichten stört sie zunächst wenig. Dann aber besinnen sie sich darauf, dass sie, statt sich zum Amüsement der TV-Zuschauer zum Affen zu machen, mit ihren Kräften auch Sinnvolleres anfangen können ....
Superhelden recharged – beissende Realitätssatire und packende Abenteuer reichen sich die Hand
Schon einmal, zwischen 1996 und 1999 erschienen die ersten sechs US-Bände der Anthologien-Reihe um die Wild Cards auf Deutsch. Noch lange bevor George R. R. Martin mit seiner viel gepriesenen Games of Thrones Serie die Bestsellerlisten stürmte, veröffentlichte Heyne die Bände aufgeteilt auf 10 deutsche Taschenbücher. Neben Martin selbst schrieben damals Autorenkollegen aus New-Mexico, wie der zu unrecht fast vergessene Roger Zelazny (seine Amber Chroniken sind unvergessen) oder Howald Waldrop mit. Nachdem sich der Erfolg damals doch eher in bescheidenen Grenzen hielt, stellte Heyne die Edition ein.
Nun, nachdem sich alles, auf dem der Name George R. R. Martin thront verkauft wie geschnitten Brot, startet der Penhaligon Verlag in der GoT-freien Zeit einen neuen Versuch, die typisch US-amerikanische Superheldenmelange an den deutschsprachigen Leser zu bringen. Zunächst wurden drei Bände angekauft.
Gerade in den letzten Jahren konnten entsprechende Verfilmungen von Superhelden-Comics auch auf der großen Leinwand die Massen ins Kino locken, so dass der Versuch dieses Mal deutlich erfolgsversprechender zu starten scheint.
Zwischenzeitlich hat Martin eine neue, junge Generation von Autoren um sich geschart. Wie Ian Tregillis, der dieses Jahr einer der Ehrengäste auf dem Elstercon in Leipzig war berichtet, treffen sich die befreundeten Autoren einmal Monatlich um gegenseitig ihre neuen Texte zu besprechen und zu kritisieren. Dabei bekommt auch der Grossmeister Martin regelmässig sein Fett ab, so dass es auf den Meetings wohl recht turbulent zugeht.
Das Superhelden-Universum der Wild Cards bietet den Verfassern, so unterschiedlich sich ihre Beiträge auch anbieten, ein idealen Nährboden um ihre Geschichten ablaufen zu lassen. Gerade die Vielzahl der beitragenden Autoren und deren unterschiedliche Herangehensweise an die Handlung bedeuten für den Leser viel Abwechslung, immer wieder andere Sichtweisen und Details, so dass Langeweile ein Fremdwort ist.
Dazu trägt auch bei, dass es die Verfasser verstehen, immer wieder Kritik an modernen Auswüchsen unserer Gesellschaft in die Handlung zu integrieren. Die Darstellung der Realität hinter den so angesagten Reality-Shows ist ebenso entlarvend wie erschreckend, hier ordnet sich Alles der Quote unter, wird menschenverachtend und zynisch mit Existenzen umgegangen.
So ist dies ein von einem Autorenteam verfasster Roman,der packend zu unterhalten weiß, der die etwas antiquierten Superhelden in ein neues Jahrtausend führt und den Leser spannend aber auch augenzwinkernd satirisch unterhält.

Wild Cards
- Autor: George R. R. Martin
- Verlag: Penhaligon
Deine Meinung zu »Wild Cards«
Hier kannst Du einen Kommentar zu diesem Buch schreiben. Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer, respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Danke!
Kaum war der Zweite Weltkrieg überstanden, gab es die nächste Katastrophe: Ein Alienvirus brach aus. Der Erreger führt zu Mutationen unterschiedlicher Art, wen es wie trifft, ist so unvorhersehbar wie die Vergabe der Karten beim Kartenspiel, weshalb das Virus auch Wild-Card-Virus genannt wird. Manche Betroffene verändern sich körperlich und werden fortan Joker genannt, andere, die Asse, erhalten übernatürliche Fähigkeiten.
Der neueste Schrei im Fernsehen ist die Castingshow „American Hero“, bei der Asse in verschiedenen Gruppen gegeneinander kämpfen, der Sieger erhält Ruhm und Geld.
In Ägypten wird derweil ein Anschlag auf den Kalifen verübt, durch jemanden mit übernatürlichen Fähigkeiten, was zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen und rassistischen Übergriffen auf Joker führt.
Obwohl dem deutschen Leser suggeriert wird, das dieser Band der erste Band der Reihe ist, gibt es schon eine ganze Reihe davon. Trotzdem kann man durchaus mit diesem Band starten. Immer wieder wird zwar auf frühere Ereignisse verwiesen, man muss sie aber nicht kennen, um das Buch zu verstehen. Zu Beginn gibt es eine Vorbemerkung, die in die Welt, eine Parallelwelt der unsrigen, einführt. Die Parallelwelt ist unserer Welt sehr ähnlich, ich fand es immer sehr amüsant, wenn Prominente erwähnt werden, die es auch bei uns gibt.
Erzählt wird von verschiedenen Autoren in verschiedenen Geschichten, jede aus der Perspektive eines Charakters, was mir gut gefallen hat. Die einzelnen Geschichten erzählen eine zusammenhängende Geschichte, durch die verschiedenen Blickwinkel erhält man ein sehr umfassendes Bild der Geschehnisse. Am besten haben mir persönlich dabei die Teile gefallen, die über die Castingshow erzählen, die Szenen in Ägypten fand ich nicht ganz so gut, zumal es dort recht blutig zuging – und mehr als ein Charakter getötet wurde. Teilweise kommen die Geschichten mit einer guten Portion Gesellschaftskritik daher.
Sehr gut gefallen haben mir die verschiedenen Charaktere, deren Mutationen und Fähigkeiten von viel Phantasie zeugen. So kann sich einer in Wespen auflösen, einer bringt alles zum Rosten, was er anfasst, jemand kann sich in mehrere Kopien seiner selbst teilen, ein anderer wird zu Diamant, in Ägypten wurden viele äußerlich zu den Alten Göttern (z. B. Anubis mit dem Schakalkopf), es gibt im Grunde nichts, was es nicht gibt.
Ich muss zugeben, dass mir keiner der Autoren vorher bekannt war – bis auf George R. R. Martin natürlich, der nicht nur als Herausgeber fungiert, sondern auch eine Geschichte beiträgt.
Mir hat der Einstieg ins Wild-Card-Universum gut gefallen, ich freue mich schon darauf, den nächsten Band (bereits erschienen) zu lesen, der an die hier erzählten Geschehnisse anknüpfen wird und hoffe sehr, das noch weitere Bände, auch vorhergehende, erscheinen werden. Von mir gibt es daher eine Leseempfehlung für alle, die phantastische Geschichten und Superhelden mögen.