
Der Fährmann über den Styx verliebt sich
Es gab eine Zeit, da waren sie das perfekte Paar. Die Rede ist von den Lehrern Janine und David. Seitdem sie zusammen an einer kirchlichen Schule angefangen hatten zu unterrichten fühlten sie sich zueinander hingezogen, eine Zeitlang war das Leben einfach nur schön und sie glücklich. Als Spencer, Janines erste große Liebe die in die Brüche gegangene Beziehung wieder aufleben lassen will gibt Janine David den Laufpass. Kurz darauf wird sie schwanger, Spencer lässt sie erneut sitzen.
Bei der Geburt geht dann alles schief. Sie verliert ihr Kind, ist selbst kurz davor zu sterben. In einer Nahtoderfahrung vermeint Janine auf einem Fluss beim Moor einen mysteriösen Mann in einem Boot zu erblicken, der für die Überfahrt Münzen von ihr fordert. Als sie die Geldstücke aufgewühlt und panisch in den Fluss wirft ist der Fährmann wütend und verfolgt sie - bis sie denn verwirrt und panisch aufwacht.
Dass David wieder in ihr Leben tritt ist eines der wenigen Dinge, die ihr Dasein erträglich gestalten. Der Verlust, die Trauer halten sie fest im Griff. Dass sie Halluzinationen von Charon, dem Fährmann hat, der sie verfolgt, schreibt sie zunächst ihrem Verlust und den Nerven zu. Dann aber stehen Tote wieder auf, verfolgen David und töten Spencer. Jemand, ein Wesen macht seinen Besitzanspruch auf Janine geltend und er tut dies ebenso mitleidlos wie effizient. Janine, David und ihre gemeinsame Freundin Annette wenden sich an Vater Hugh, den Priester der Schule. Zusammen wollen sie versuchen, Charon zu bannen um endlich ihr Leben wieder selbstbestimmt führen zu können.
Ungewöhnliche Nutzung eines altbekannten Sujets in einer inhaltlich wie handwerklich vorbildlichen Ausführung
Was ist das für ein Buch, mit dem der Buchheim Verlag in die Buchhandlungen drückt?Schon äußerlich merkt man dem Titel an, dass hier etwas Besonderes auf den Leser wartet. Prägedruck, Rundumfarbschnitt, Lesebändchen und zahlreiche Innenillustrationen von einem der renommiertesten phantastischen Illustratoren unserer Zeit legen beredt Zeugnis davon ab, dass der Verleger bemüht war, das Buch aus dem Allerlei der Großverlage hervorzuheben.
Und dies ist ihm bestens gelungen. In der sehr angenehm zu lesenden Übersetzung von Bernhard Kleinschmidt erwartet den Leser eine Mischung aus alten Themata mit einer aktuellen, ergreifenden Handlung.
Es geht um den aus der griechischen Mythologie bekannten Charon, den Fährmann, der die Toten in ihr neues Reich geleitet. Allerdings wird eben jener Fährmann vorliegend doch etwas anders, frischer und überzeugender dargestellt, als man dies bislang gewohnt war. Hier begegnet uns ein Wesen, das selbst zu Fühlen in der Lage ist. Ein Wesen, dass, getrieben von eben jenen Gefühlen bereit ist, für seine Zukunft, seine Liebe zu kämpfen und all seine Mittel einzusetzen, das Gewünschte zu bekommen.
Darüber hinaus geht es natürlich um Verlust, um Trauer, um einen Neubeginn. Mit viel Einfühlungsvermögen stellt der Autor die innere Leere der Mutter, die ihr Kind verloren hat dar, die Kälte die sie zunächst spürt, die innere Lähmung der Mutter, die ihre Rolle nie erleben durfte und nun verzweifelt bemüht ist weiterzumachen. Dazu gesellen sich die anderen Hauptfiguren - sie alle sind interessant, weil zwar ganz unterschiedlich, aber letztlich alle leidend dargestellt.
David, der sich Vorwürfe macht, einen anderen Lehrer verbal angegriffen zu haben, der danach einen Herzinfarkt erleidet und stirbt, Annette, die Lesbe, die in ihren Beziehungen immer wieder scheitert, sie alle werden geplagt von Angst, Reue und Schuld.
Wie sagte Reich-Ranicki einmal so treffend: „Mich interessieren keine glücklichen Menschen, die sind langweilig. Mich interessieren Menschen, die leiden, die innerlich von ihren Gefühlen zerfressen werden". Und hier wäre er sicherlich mit Buch und Autor zufrieden gewesen.
Das heißt aber beileibe nicht, dass der Plot depressiv daherkommen würde. Gerade die ungewöhnlich andere Zeichnung Charons als aktiv Agierender der seine Machtmittel nutzt um seine egoistischen Ziele zu erreichen wirkt überraschend und neu. Das Sujet der Heimsuchung durch geister wird vorliegend auf ganz ungewöhnliche Weise genutzt, um beim Leser Furcht und Grauen zu erwecken. Und genau dies, das was einen wirklich guten Horror-Roman auszeichnet, ist Golden gelungen.
So erwartet den Leser nicht nur ein handwerklich vorbildlich gestaltetes Buch, sondern auch ein Lesegenuss der ein altes Thema in einen aktuellen Kontext setzt, mit einem ungewöhnlichen Finale aufwartet und uns an die Seiten fesselt.

Der Fährmann
- Autor: Christopher Golden
- Verlag: Buchheim Verlag
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Autor Christopher Golden scheint hierzulande relativ bekannt zu sein, was dem Umstand geschuldet ist das er Romane zur TV-Serie „Buffy“ in rauen Menge verfasst hat. Meine Google-Suche ergab noch Zusammenarbeiten mit Hellboy-Papa Mike Mignola und diverse andere Bücher, mir war er jedoch bisher vollkommen unbekannt, obwohl er sogar einmal einen Stoker-Award gewonnen hat.
„The Ferryman, so der Originaltitel des Buches, wurde bereits im Jahr 2002 in den USA veröffentlich und ich fragte mich nach - wie auch während - der Lektüre des Buches, wieso es bisher nicht den übersetzten Sprung über den großen Teich geschafft hat.
Doch fangen wir am Anfang an…
„Love is in the Air“ – oder zumindest war es einmal so für David und Janine, bis Janine ihrer Beziehung zu David einen Laufpass gibt, sich mit ihrem Ex-Lover erneut einlässt, schwanger wird und aus ihrem Ex-Lover einen Ex-Ex-Lover macht. Janine verliert ihr Kind bei der Geburt, hat eine Nahtoderfahrung - in der sie dem titelgebenden Fährmann begegnet – und David tritt nach all dem ganzen Debakel wieder in ihr Leben, als sie dringend seelische Unterstützung benötigt, plagen sie doch Halluzinationen während sie von übernatürlichen Dingen bedroht und heimgesucht wird. David, Janine und zwei weitere Protagonisten versuchen Janine aus den Klauen des Fährmannes zu befreien, was sich jedoch problematischer als gedacht gestaltet.
Zuerst einmal muss ich Christopfer Golden zugestehen, das er seine Lektionen in griechischer Mythologie gelernt hat und sich in ihr – beziehungsweise der Aktualisierung in der Jetztzeit – leichtfüßig und sicher bewegt. Ich maße mir nicht an ein Fachmann zu sein, wenn es um Charon, Styx, Hades und Co. geht, doch erschien meinem trivialen Lesereherz alles logisch und schlüssig zu sein.
Die Schreibe Goldens ist recht anschaulich und versetzt den Leser gut in die seelischen und mentalen Irrungen und Wirrungen der diversen Protagonisten hinein. Dunkel und düster geht es zu, wenn die Leben der Menschen, welche das Schicksal miteinander verbunden zu haben scheint, ausgeleuchtet werden und man sich einem Seelenstriptease nach dem anderen gegenübergestellt sieht. Doch auch wenn sich das alles nach tiefschürfendem Psychodrama anhören mag, so ist es eins von der unterhaltsamen Sorte, denn Golden verlässt niemals die Pfade des Entertainment und rutscht in Gefilde ab, welche sich durch den moralinsauren Zeigefinger auszeichnen würden.
Ist das nun Horror, Fantasy oder ein Psychothriller?
Irgendwie ist „Der Fährmann“ eine Melange von allem, denn auch wenn Golden niemals zu weit mit Schilderungen und Auswirkungen geht, so ist alles weit davon entfernt harmlos und seicht zu sein. Einen Fan von Richard Laymon wird man hiermit nicht schockieren können, einen Leser von Rosamunde Pilcher wird es jedoch von den Füßen heben… aber wer liest schon Pilcher… (?, Arroganzmodus aus!)
Doch zeichnet sich „Der Fährmann“ nicht nur durch die Story an sich aus, auch die Aufmachung ist eher ungewöhnlich.
Das Hardcover kommt mit geschwärzten Seitenrändern daher und erhabene Schriften zieren den Umschlag. Innen verzieren eine Menge Zeichnungen des (wohl am bekanntesten sind seine Tolkien Arbeiten) Künstlers John Howe die Geschichte und zeichnen eine Momentaufnahme der Geschehnisse als Unterstützung für das eigene Kopfkino, ohne jedoch viel Raum für die subjektive Interpretation weg zu nehmen.
„Der Fährmann“ ist das erste, und scheinbar bisher einzige, Buch des Buchheim Verlages. Verleger Olaf Buchheim setzt sich hier selbst die Messlatte extrem hoch an und es wird interessant sein zu beobachten was aus diesem Verlag noch alles erscheinen wird und ob man die Sprunghöhe zukünftig wird halten können.
Wieso Christopher Golden bisher scheinbar nur Beachtung durch sein Werk zum Vampirkiller-Teenie gefunden hat, bleibt mir ein Rätsel, denn der Mann kann schreiben. Da ich den Originaltext nicht kenne und davon ausgehe das die Übersetzung genau so engagiert wie die optische Umsetzung angegangen wurde, unterstelle ich dem Übersetzet, Bernhard Kleinschmidt, einfach einmal, das er dem Werk nicht seine eigene Interpretation aufgedrückt hat, wie es einige Übersetzer so vortrefflich vermögen, und das Originalwerk unverfälscht in den deutschen Druck gegangen ist.
Müßig zu erwähnen, dass mir dieses Buch Spaß beim Lesen sowie dem betrachten von Howes Kunst gemacht hast.