
Ein Füllhorn von Ideen
";Wenn du einen Frosch in kochendes Wasser wirfst, hüpft er wieder heraus. Wirfst du den Frosch aber in einen Topf mit angenehm warmem Wasser, das du langsam immer weiter erhitzt, dann ist der Frosch tot, bevor er begriffen hat, dass man ihm an den Kragen will.";
Genauso war das auch mit den Sternen:
";Die Auslöschung der Sterne geschah zwar nicht allmählich und unauffällig, doch für die meisten von uns hatte sie zunächst keine katastrophalen Auswirkungen.";
Zunächst nannte man es das ";Oktober-Ereignis";, ein paar Jahre später bezeichnete man es als ";Spin";. Wilson schildert das Phänomen zunächst aus Kindersicht. Tyler Dupree, der Erzähler, war zwölf, die Zwillinge Jason und Diane Lawton waren dreizehn. Sie alle waren gute Freunde und wohnten zusammen auf dem Lawtonschen Besitz; die Zwillinge mit ihren Eltern im ";Großen Haus";, Tyler mit seiner Mutter in einem kleinen Bungalow am Rand des Grundstücks. Tylers Vater arbeitete früher nicht nur mit dem Vater der Zwillinge – von allen nur E. D. gennant – in der gemeinsamen Firma zuammen, sondern war auch gut mit ihm befreundet. So fühlten sich die Lawtons nach dessen Unfalltod verpflichtet, für Tyler und dessen Mutter zu sorgen und behielten sie als Haushälterin. Jason war gewissermaßen ein kleines wissenschaftliches Genie und wurde von seinem Vater als Erbe herangezogen. Der ideenreiche Geschäftsmann hatte mit neuen technologischen Projekten immer wieder Erfolg. Diane war dagegen die kaum beachtete Tochter. Carol, die Mutter der Zwillinge, praktizierte früher als Ärztin, verfiel jedoch zusehends dem Alkohol.
Ist eine fremde Macht am Werk?
Während einer Feier im Großen Haus passierte es dann; die drei Kinder saßen im Dunklen auf dem großen Rasen und betrachteten sich die Sterne, als diese plötzlich verschwanden. Daß sie nicht wirklich weg sein konnten, das war den Kindern klar, aber sie waren nicht mehr zu sehen. Doch nicht nur die Sterne und der Mond waren verschwunden, auch die Satelliten in der Erdumlaufbahn. Denn im Fernsehen waren nur noch lokale Sender zu empfangen. Am Morgen ging zwar die Sonne auf, aber es war eine gefilterte Sonne. Um die Erde war ein riesiger Energieschirm gelegt, für den es keine Erklärung gab. Handelte es sich dabei um ein Naturereignis oder wurde das Ganze von einer fremden Macht gesteuert?
Die Wissenschaftler waren ratlos und man lernte, sich mit dem Phänomen zu arrangieren. Erst mehrere Jahre nach dem Ereignis erhielt man neue Erkenntnisse, als man versuchte, eine Sonde durch den Schirm ins Weltall zu beförden. Doch der Satellit prallte an der unsichtbaren Barriere ab – so dachte man zunächst. Doch er lieferte Daten für eine ganze Woche. Dafür gab es nur eine Erklärung: die Zeit außerhalb des Schirms verging wesentlich schneller als auf der Erde. Der Satellit hatte seine Umläufe um die Erde tatsächlich gemacht – innerhalb von etwa einer Sekunde. Für die Wissenschaftler wird klar, was das bedeutet. In einem Erdenjahr altert das Weltall um Millionen Jahre und den Erdbewohnern bleiben vielleicht nur noch 50 Jahre, bis die Sonne zu einem verglühenden Stern wird.
Die Idee der abgeschirmten Erde ist zwar nicht absolut neu, aber relativ unverbraucht, und so wie Robert Charles Wilson im Verlauf der weiteren Handlung da noch etwas draufzusetzen vermag und ein wahres Füllhorn von Ideen ausschüttet, da ist auch der SF-Kenner so manches mal noch zu verblüffen.
Aufarbeitung von verschiedenen Standpunkten aus
Der Erzähler Tyler Dupree schildert die Erlebnisse quasi aus seiner Gegenwart in einem zweiten Handlungsstrang als Rückblende, wobei sich beide Stränge immer mehr einander nähern. Ebesnso ungewöhnlich wie die Tatsache, ein für die Welt einschneidendes Ereignis zunächst aus Kindersicht zu betrachten, fährt der Autor fort, indem er diese drei Kinder sich in verschiedene Richtungen entwickeln lässt, die dann für drei unterschiedliche Standpunkte stehen, die mit der vorliegenden Situation völlig anders umgehen.
Jason wird, wie bereits abzusehen war, Wissenschaftler und verschreibt sein Leben der Lösung des Rätsels und entwickelt dabei Möglichkeiten für das Fortbestehen der Menschheit. Mit seinen Ansichten gerät er dabei immer mehr in Konflikte mit seinem machtbesessenen Vater.
Diane – als krasser Gegensatz dazu – gerät in die Welt der Sekten, die in einer Weltuntergangsstimmung Hochkonjunktur haben. So kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Religion und Wissenschaft, die der Autor eher mit dem Leser austrägt als die Zwillinge untereinander, denn die haben sich durch ihre verschiedenen Standpunkte bereits weitgehend entfremdet.
Tyler schließlich wird Arzt. Obwohl auch er durch Jason in verschiedene Projekte zur Rettung der Welt eingebunden wird, ist es seine vordringliche Aufgabe, sich um das Wohlergehen der Menschen in der Gegenwart zu kümmern.
Nicht nur diese drei Charaktere, sondern auch viele weitere besitzen eine wirkliche Struktur und sind bildhaft dargestellt, so daß der Leser auch mit den Personen mitfiebern kann und nicht nur das kosmische Geschehen an sich betrachtet.
Ist das Ende abgeschlossen?
Die Hauptfrage, die man sich während des Lesens stellt, ist natürlich: kann der Autor für diese Fülle von Ideen auch eine halbwegs logische Erklärung aufbieten und die losen Stränge zum Abschluß wieder verknüpfen oder wird am Ende wie bei vielen Endzeitromanen alles im Nichts verlaufen? Ohne hier allzu viel vorwegzunehmen, kann ich verraten, daß der Autor auch am Schluß noch einige Überraschungen in petto hat und der Leser durchaus auf ein mehr als befriedigenden Abschluß hoffen darf. Eine hundertprozentige Aufklärung kann und darf man nicht nicht erwarten, denn die Möglichkeit für eine Fortsetzung hat sich der Autor schon offengelassen, wenngleich ";Spin"; absolut als abgeschlossener Roman bezeichnet werden muß.
Zum Abschluß noch etwas zu den vorhandenen Druckfehlern. Lockt einem dabei ein ";Schweigegelübnis"; noch ein Schmunzeln hervor, so ist es schon bedenklich, wenn der Übersetzer den Genitiv konsequent ignoriert (…während einem seiner Besuche,…wegen ihrem Vater). Dies ist dann zuweilen beim Lesen schon fast schmerzhaft.
";Die Romane von Robert Charles Wilson zählen zum Besten, was die Science Fiction derzeit zu bieten hat";, wird die New York Times auf dem Buchrücken zitiert. Bisher war mir der Autor und seine Romane nur dem Namen nach bekannt. Doch ausgehend vom vorliegenden Romans ";Spin"; könnte an der Aussage durchaus etwas dran sein. Schon lange nicht mehr vermochte mich ein Science Fiction-Roman derart überzeugen wie ";Spin";.

Spin
- Autor: Robert Charles Wilson
- Verlag: Heyne
Deine Meinung zu »Spin«
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Es ist eher als Beziehungsroman einzuordnen, der SF Hintergrund dient fast nur als Staffage. Das es dem Autor mit den utopisch - technischen Aspekten der Geschichte nicht so Ernst ist, wird am Ender immer offensichtlicher: es werden dann quasi im Schnelldurchgang alle verbliebenden Rätsel in einer simplen Schilderung aufgelöst.
Nachdem ich fast die gesamte europäische und russische Science Fiction und Phantastik gelesen hatte, fiel mir zufällig dieses extrem langweilige und mehr als überflüssige Buch in die Hände. Aus Mangel an Alternativen quälte ich mich bis Seite 351, dann konnte ich nicht mehr weiter lesen.
Schon die Grundannahme, den "Spin", verstehe ich nicht. Erst durch ihn entstehen doch die Probleme die durch die unterschiedlich schnell ablaufende Zeiten entstehen. Ohne ihn hätte es doch noch Milliarden Jahre gedauert bis die Erde Probleme mit der sich aufblähenden Sonne bekommen hätte?!
Auch die weiteren Konsequenzen die aus den physikalischen, psychologischen und sozialen Effekten gezogen werden überzeugen mich nicht. Es wirkt als hätte der Autor keine Lust seine Idee zu entwickeln und zu durchdenken. Der ganze Stil ist leblos und uninspiriert. Alle halbwegs interessanten Konzepte sind an anderen Stellen, von anderen Autoren, vor langer Zeit und besser ausgearbeitet worden.
Mir kam es so vor, als wäre der "Spin" auch um das Buch gespannt, hatte sich außerhalb die Zeit um drei Jahre weiterentwickelt, war im Buch gerade eine Sekunde vergangen. Es entwickelte sich nicht, zu farblos, eindimensional und trocken werden die Figuren gezeichnet, niemand ist sympathisch oder gar zur Identifikation geeignet . Auch die sonstige "Entwicklung", wenn man von so was überhaupt sprechen kann, ist zäh und lahm, die unterschiedlichen Zeitebenen wirken gekünstelt und bremsen zusätzlich.
Das es noch mehrere Teile gibt verstehe ich noch weniger als den „Spin“.
Ich ärgere mich noch immer es überhaupt begonnen zu haben und dass liegt leider auch an den Rezensionen hier.
Was Robert Charles Wilson besonders auszeichnet, ist dass er einen phantastischen Handlungsrahmen aufspannen kann, ohne in die übliche SF-Falle zu tappen. Er umgeht die Notwendigkeit, seine Handlung mit einem futuristischen technischen Szenario basierend auf "passend zurechgebogener Physik" odar gar biologischer Unsterblichkeit hinterlegen zu müssen durch einen eleganten Kunstgriff. Alles, was die Handlung in dieser Hinsicht unbedingt benötigt, findet einfach außerhalb des durch seine handelnden Personen und den Leser beobachbaren Bereiches statt und wird durch den rasend schnellen Zeitablauf außerhalb der Spin-Membran ermöglicht und plausibel. Es ist eine Zeitreise der anderen Art; nicht beschleunigtes Bewegen durch die Zeit bringt Fortschritt und Erkenntnis sondern extreme Verlangsamung der Eigenzeit mit einer relativ zur Eigenzeit extrem beschleunigten Evolution.
Ein Thema, wie es spannender nicht sein kann. Leider hat der Autor die Story mit seinem Stil in den Boden geschrieben. Die ständigen Retrospektiven stören den Lesefluß und nehmen die Spannung permanent wieder zurück. Stellenweise kann es dadurch auch zu Irritationen kommen, vor allem, wenn man die Lektüre einmal unterbrechen mußte. Schade, das Thema hätte auf jeden Fall etwas besseres verdient.
Die Handlung beginnt im Jahre 4x10 hoch 9 nach Chr., als wir Diane und Tyler, ein nicht mehr ganz junges Paar, in Padang treffen, wo sich Tyler einer gefährlichen medizinischen Behandlung unterziehen will.
Rückblenden, die bis etwa in unsere Zeit reichen, erzählen die Geschichte der genialen Zwillinge Diane und Jason und ihres Freundes Tyler.
Das Leben der drei Hauptpersonen ist geprägt durch den "spin", einem riesigen Energieschirm, der plötzlich die Erde vom restlichen Universum abgeschirmt hat.
Stellvertretend für die übrige Menschheit zeigen uns die Hauptcharaktere unterschiedliche Möglichkeiten, mit dem verstörenden Ereignis umzugehen.
Jason wird Wissenschaftler und versucht, das Schicksal der Menschheit wieder in deren eigene Hände zu legen. Diane flüchtet in den Glauben und gerät in eine Sekte. Jason versucht, sein Leben möglichst "normal" zu leben.
Wilson schreibt packend, es entstehen äußerst interessante Denkansätze und "Was wäre wenn?" Phantasien. die Charaktere sind glaubhaft und sorgfältig gezeichnet. Es gibt Liebe Tod, Intrigen und politisches Kalkül.
Man mag das Buch kaum aus der Hand legen.
Dann aber, ganz am Ende, reißt plötzlich der Schwung ab. Die Lösung wird von Jason erzählt und ist logisch und schlüssig, der Leser erlebt sie aber nicht mit.
Das ist schade! Ich denke, ein so guter Geschichtenschreiber wie Wilson hätte es besser machen können.
Trotz dieser Schwäche am Schluss kann ich das Buch nur wärmstens empfehlen.
Ein absolut lesenswerter Roman. Wer SF mag, sollte Spin lesen. Es ist eine durchweg spannende Geschichte, die es schafft alle wichtigen Fragen bis zum Ende zu beantworten (es gibt ja leider genug Bücher bei denen man am Ende weniger klar ist, als vor dem Lesen), und dabei trotzdem die Spannung / Neugierde des Lesers bis in die letzten Seiten hinein zu erhalten.
Der Klappentext des Buches wird seiner Aufgabe allerdings nicht gerecht. Ich wußte, dass das Buch mehrfach gelobt und ausgezeichnet wurde, aber allein dieses Textes wegen habe ich das Buch auf der Suche nach neuem Lesestoff wenigstens vier bis fünf Mal wieder weggelegt. Auch wenn mir das einige tolle neue Fundstücke beschert hat, ist es wohl kaum das was die Verfasser des Klappentextes im Sinn gehabt haben dürften. Also nicht abschrecken lassen! Obwohl der Text an sich nicht falsch ist, läßt er für meine Begriffe genau das aus, was die Geschichte erst so richtig interessant macht. Und so wird dann schon auf den ersten 80 Seiten deutlich, dass die Geschichte sehr viel mehr hergibt ist als der lahme Text auf der Rückseite vermuten läßt...
Fast wäre der Phantastik-Couch-Bespr. nichts hinzuzufügen. Auch ich kannte Wilson zuvor nur von Klappentexten, habe "Spin" eher zufällig gekauft, hoffte dabei, daß ein Hugo" schon für Qualität bürgen müßte. Und wie! Nicht nur die tollen Ideen, auch der Stil hat mich begeistert. Die Figuren sind wie selten in der SF glaubwürdigund anrührend geschildert. Die auch für einen langgedienten SF-Fan erstaunlichen Ideen werden eher beiläufig in eine fast durchweg spannende Handlung eingewoben.
Hier freut es mich ausnahmsweise, daß es nicht nur eine, sondern später auch eine dritte Fortsetzung geben wird.
Für mich der beste SF-Roman seit "Otherland"!
Robert Charles Wilsons „Spin“ hat mich echt fasziniert. Was der Autor hier dem Leser an interessanten Ideen und durchaus glaubwürdigen Szenarien vorlegen kann, welche von unserer Zukunft erzählen, ist einfach fantastisch. Dieses Buch berührt jeden Menschen, der sich damit beschäftigt.
Wer hat nicht schon je einmal an das Ende der Welt und der Zeit gedacht? Wie würde Gott mit uns verfahren? Wäre es ein armageddon-artiges Ereignis sondergleichen oder einfach nur ganz harmlos? Gibt es gar keinen Gott? Sind es die Hypothetischen, die das Universum seit Anbeginn der Zeit beeinflussen und unter Kontrolle halten?
Die Ereignisse werden grundsätzlich aus der Sicht eines Arztes, eines Wissenschaftlers und einer religiösen, sektenartigen Gruppierung geschildert. Es ist immer wieder faszinierend, wie hier diese essenziellen Gegensätze, also die Wissenschaft versucht, alles mit logischen Punkten zu begründen und zu untermauern, währenddessen die Religion auf ihrer Seite fanatische Ansichten entwickelt, um bestimmten Begebenheiten oder seiner eigenen oder Gottes Existenz einen Sinn zu geben. Die Wirkung des Spins auf die Menschen, ist sehr differenziert. Manche "verfallen" dem Spin geradezu und wollen alles erfahren, andere versinken in Angst oder Melancholie. Die Erzählung dieser sehr verschiedenen Ursachen und ihren jeweiligen Wirkungen auf die menschliche Psyche in dieser Zeit, auf die jeder Mensch ein wenig anders reagiert, haben mich besonders gefesselt. Man erfährt gründlich, wie gross der Kontrast zwischen diesen Bereichen ist und was er dann überhaupt bedeutet. Was Wilson meiner Meinung desweiteren auszeichnet, ist seine vollendete Erzählkunst. Er versteht es immens, eingehende, detailreiche und zugleich fesselnde und anrührende Geschichten zu erzählen. Sie beinhalten oft einen bestimmten Anteil von nicht fiktiven, realistischen Elementen, die uns an die heutige Zeit erinnern. Sie sorgen für den gewissen Grat der Vertrautheit.
Ein Roman, der imstande ist,
jeden Leser zum Nachdenken anzuregen.
(Dieser Text wurde im Original kopiert und hier eingefügt)
Endlich wieder ein Autor, der unter menschliche Evolution und Zukunft nicht nur Raumschiff, Technik und Besiedelung fremder Planeten versteht.
Wilson bleibt ganz einfach auf der Erde und spinnt sein Garn und das routiniert und spannend. Die Überraschungen liegen nicht im so oft zitierten „sense of wonder“ sondern in den kleine, manchmal flüchtigen Details, die häufig erst nach dem unterbrechen des Lesens im Kopf gären.
Ein schöner Roman, der zeigt was Science Fiction noch sein kann.
Einer der ganz grossen Höhepunkte der SF des Jahres. Ein genialer Plot vereinigt mit einer sehr einfühlsamen und fesselnden Schreibe sorgen dafür, dass dieses Buch den Hugo Award 2006 verliehen bekam. Und das voll und ganz zurecht.