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Michael Drewniok
Kleiner Wald wird Bahnhof unirdischer Götter

Buch-Rezension von Michael Drewniok Nov 2006

Im einem abgelegenen Winkel des US-Staates Massachusetts ging es in einem Landstrich, dessen Eckpunkte etwa von den Städten Arkham, Innsmouth und Dunwich markiert werden, schon immer recht unheimlich zu. Neu-England wurde im frühen 17. Jahrhundert besiedelt, was aus amerikanischer Sicht eindeutig vorzeitlich ist, aber schon früher gab es Leben in den dichten Wäldern und dunklen Gebirgstälern – in den Augen der frommen, Hexen verbrennenden Pilgerväter indianisches Heidenvolk, das Umgang mit Dämonen und Teufeln pflegte. So mancher weiße Mann konnte den Verlockungen verbotener Wahrheit und Macht nicht widerstehen und verschrieb sich ebenfalls dem Bösen.

So einer war Alijah Billington, der Anfang des 19. Jahrhunderts den einsam und tief im dunklen Wald jenseits von Arkham gelegenen Stammsitz seiner ohnehin verrufenen Familie bezog. Die wenigen Nachbarn wussten von seltsamen, unheimlichen Geräuschen und Schreien zu berichten, und Alijah verdankte es wohl nur seiner überstürzten Abreise ins Ausland, dass ihm ein unfreundlicher Besuch der örtlichen Justiz erspart blieb.

Ruhe kehrte ein im Billington-Wald, bis nun, im März des Jahres 1921, Ambrose Dewart, der Letzte seiner Sippe, in das Land seiner suspekten Ahnen zurückkehrt. Ein freundlicher, mittelalter, kinderloser Witwer und Privatgelehrter ist er, der sich gleich mit Feuereifer in die Familienpapiere vertieft. Dabei war er gewarnt: Der alte Alijah hat präzise Anweisungen hinterlassen, was man in seinem Haus tunlichst unterlassen sollte. Vor allem gilt es den uralten Steinturm zu meiden, der sich inmitten eines rätselhaften Steinkreises unweit des Hauptgebäudes erhebt. Natürlich tut sich Ambrose dort zuallererst um und entdeckt kryptische Hinweise darauf, dass dieser Ort seinem Ahnen als eine Art magischer Bahnhof diente, an dem er recht unfreundliche Gäste aus fremden Welten zu empfangen pflegte. Größer ist allerdings Ambroses Schrecken, als er erkennt, dass eine fremde Macht sich seines Geistes zu bemächtigen beginnt; Alijah ist offenbar weder fern noch so tot wie alle Welt dachte.

Erschrocken ruft Ambrose seinen Vetter Stephen Bates aus Boston zu Hilfe. Dieser kommt indes zu spät; er findet den Freund stark verändert vor. Die nächtlichen Umtriebe im und um das Billington-Haus werden von ihm inzwischen tatkräftig gefördert. Stephen forscht ebenfalls in den alten Papieren, aber er muss sich vorsehen – vor dem misstrauischen Ambrose, noch mehr aber vor den schauerlichen Gästen, die dieser aus dem längst weit in fremde, gefährliche Sphären geöffneten Turmportal auf die Erde herabgerufen hat. Die Großen Alten aus kosmischer Urzeit gehen wieder um in den Hügeln, doch dort mögen sie nicht mehr bleiben, denn größere Beute lockt in den großen Städten der Menschen, und wie schon Alijah vor ihm muss auch Ambrose bald entdecken, dass er die Geister, die er rief, nicht mehr los werden kann – und von Dankbarkeit dem Befreier gegenüber ist ebenfalls wenig zu spüren…

August bleibt Zauberlehrling und wird kein Meister

Samuel Johnson und James Boswell, Johann Wolfgang von Goethe und Johann Peter Eckermann, Sherlock Holmes und Dr. Watson – der Meister mit den großartigen Geistesblitzen und sein Schüler, der als Chronist fungiert sowie die alltägliche Kärrnerarbeit leistet, für die das Genie (sich) zu schade oder schlicht untauglich ist: Diese Konstellation werden wir in der Geschichte und in der Kunst zu allen Zeiten finden. Nun also Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) und August William Derleth (1909-1971), ein ganz besonders skurriles Paar: der weltfremde ";Einsiedler von Providence” und… ja, wer eigentlich? Derleth schätzt der Freund des Unheimlichen als Gründer der legendären ";Arkham Press”, die klassischen und modernen Horror zu einer Zeit verlegte, als dieser sich keiner besonderen literarischen Wertschätzung erfreute. Er legte das Fundament für den Lovecraft-Kult, was verdienstvoll genug ist. Aber was weiss man sonst über diesen Mann, der praktisch sein ganzes Leben in einer obskuren Kleinstadt namens Sauk City verbrachte?

Und wir müssen nach diesem August Derleth fragen, denn von einer Hoffnung muss sich der Gruselfan sogleich verabschieden: ";Das Tor des Verderbens” ist ganz sicher kein Werk des großen H. P. Lovecraft, das nach dessen Tod vom Freund und Vertrauten Derleth entdeckt, vollendet und veröffentlicht wurde. Diese fromme (und verkaufsförderliche) Mär hält sich nun schon fast sechs Jahrzehnte, was wieder einmal beweist, dass Wünsche sich durchaus erfüllen können, wenn sie nur inbrünstig genug geäußert werden. Ein neue, bisher unbekannte Geschichte oder sogar ein Roman von Lovecraft – das wünschen sich alle Leser dieses längst als Kultautor heilig gesprochenen Mannes, der zu den fähigsten, aber leider nicht zu den fleissigsten seiner Zunft gehörte.

Doch das ";Tor des Verderbens” hat einzig und allein August Derleth aufgestoßen. Dies muss auch deshalb festgehalten werden, um Lovecrafts Status als legitimer Nachfolger Edgar Allan Poes zu sichern, denn die Lektüre dieses Romans könnte darüber ernste Zweifel entstehen lassen. (Unter http://www.petitiononline.com/cghplad/petition.html kann sich der strenge Fan übrigens an einer Kampagne mit dem Titel ";Remove H. P. Lovecraft’s Name from August Derleth’s Books” beteiligen.)

Übertreibung tötet jede Stimmung

Obwohl alle Zutaten einer typischen Lovecraft-Story – verwunschene Winkel am Ende der Welt, schleimige Urzeit-Götter, degenerierte Hinterwäldler, hirnhautsprengende Zauberbücher, allzu neugierige und/oder besessene Forscher – vorhanden sind, wollen sie sich einfach nicht zur dumpfen Bedrohlichkeit verdichten, die der Meister (wenn er in Form war und seinen Hang zum überflüssigen Adjektiv im Griff behielt) so meisterhaft heraufbeschwören konnte. Schüler Derleth kennt die Regeln des kosmischen Horrors, den Lovecraft schuf, aber er versteht sie nicht wirklich, und er achtet sie nicht. Der Herausgeber Derleth ist dem Schriftsteller Derleth in jeder Hinsicht überlegen. Statt sich wie Lovecraft nur auf Andeutungen zu beschränken, die jeder Leser selbst in Vertretung des typischen, d. h. vom Schrecken überwältigten Lovecraft-Helden zusammensetzen muss und die dabei stets rätselhaft-faszinierendes Stückwerk bleibt, strebt Derleth Ordnung im Cthulhu-Chaos an – und entzaubert es dadurch gründlich: Große Alte und Äußere Götter stürmen das Turmportal in Billingtons Wald wie Hausfrauen die Kaufhaustüren am Schlussverkaufstag. Ein Finsterling wie Cthulhu ist gruselig, das wusste Lovecraft, aber bringt er auch noch seine rabaukigen Kumpane mit, können sie höchstens noch eine Geisterbahn betreiben, aber ganz sicher nicht die Welt in Angst & Schrecken versetzen!

Abgesehen davon imitiert Derleth den verehrten Lehrer und Freund nicht nur im Guten, sondern stur auch im Schlechten: Lovecrafts Cthulhu-Stories sind primär Stimmungsbilder und Momentaufnahmen einer fiktiven Parallel-Genesis (die allerdings deutlich vor Adam und Eva beginnt). Die Handlung beschränkt sich meist darauf, dass ein Neugieriger die Nase allzu tief in kosmische Angelegenheit steckt und diese dann zusammen mit dem Kopf verliert. Kein Wunder also, dass Lovecraft nie einen Cthulhu-Roman geschrieben hat! Auch Derleth muss die daraus erwachsende konzeptionelle Schwäche irgendwann erkannt haben. ";Das Tor des Verderbens” ist kein Roman mit stringenter Handlung, sondern eine Sammlung dreier Novellen um das verhexte Billington-Haus, die sich zu einer Geschichte verbinden sollen. Das klappt aber nicht, weil Derleth nicht fähig oder mutig genug ist seinem Publikum zu vertrauen. Er betrachtet es anscheinend als Bande von gedächtnisschwachen Tröpfen, denen er jedes Mal das gerade Gelesene noch einmal erzählen muss. Der (dritte) ";Bericht des Winfield Phillips” (dessen Namen Lovecraft ehren soll) liest sich entsprechend langatmig, zumal Derleth darüber sträflich die überzeugende Auflösung seines aufwändig inszenierten Geisterspuks vernachlässigt. Auffällig bricht die Handlung einfach ab, was man dem Verfasser einer Kurzgeschichte nachsehen würde. In einem Roman darf so etwas freilich nicht geschehen!

Im Detail dennoch lohnende Lektüre

Trotzdem lohnt die Lektüre. Im Detail gelingt Derleth durchaus, was er im Gesamten vermissen lässt. Besonders Ambrose Dewarts Bemühungen, die Vergangenheit seiner seltsamen Sippe zu rekonstruieren, ist spannend zu verfolgen. Er muss sie aus Buch- und Zeitungsstudien, Interviews und archäologischen Vor-Ort-Studien mühsam zusammenflicken. Hier, wo man stets mehr ahnt als wirklich weiß, funktioniert die Geschichte nach Lovecraftschem Vorbild. Und wenn man nicht ständig den Atem des Meisters sucht, wird man sich auch sonst redlich unterhalten. August Derleth ist kein guter Schriftsteller, aber er gibt sich alle Mühe und hat seinen Stoff im Griff. Auf diesem Niveau kann sich ";Das Tor des Verderbens” allemal sehen lassen – und schließlich: Der Originaltitel ist doch einfach genial!

Das Tor des Verderbens

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Letzte Kommentare:
14.07.2017 09:29:15
N.-G.H.

Ein kurzer Nachtrag noch zu Frank Belknap Long und seiner Glaubwürdigkeit:

Gerade bei dem von Ihnen angesprochenen Buch handelt es sich ja um Longs Erinnerungen an Lovecraft, die ca. 40 Jahre nach Lovecrafts Tod erschienen. In der Geschichtswissenschaft gibt es den flapsigen Satz "Traue keinem Zeitzeugen, der sich erinnert". Zum einen War Long einer von Lovecrafts engsten Freunden, was zur Folge hat, dass er einige Sachverhalte anders wahrgenommen hat als weniger beteiligte Zeitzeugen. Dann hat Long viele, wenn nicht alle der Geschichten und Annekdoten zu HPL in seinem Leben mehrmals verschiedenen Fans erzählt. Wenn man eine Geschichte über einen langen Zeitraum immer und immer wieder erzählt (vor allem vor einem interessierten Publikum) bleibt sie nicht etwa immer gleich, sondern wandelt sich. Der Erzähler findet andere Erzählstränge, die dazu passen könnten und baut sie ein, außerdem wird die Geschichte dadurch auch für den Erzähler von mal zu mal mehr "seine Geschichte" (fiktion) als "die Geschichte" (Tatsachenbericht). Ein weiterer Punkt ist, dass Zeitzeugen auch vom allgemeinen Narrativ beeinflusst werden. Eine Studie hat ergeben, dass Probanden, wenn man Kinderfotos von ihnen nimmt und den Hintergrund etwa in die Freiheitsstatue ändert, nach kürzerem Zweifeln die meisten der festen Überzeugung sind als Kind in New York gewesen zu sein. Warum ist das wichtig? - Zu dem Zeitpunkt, wo Long sein Buch veröffentlichte, galt landläufig noch das Bild vom "Einsiedler in Providence".

Ich hoffe, sie konnten meinen Gedanken gut folgen. Liebe Grüße,
ngh

12.07.2017 12:13:48
N.-G.H.

Hallo Herr Drewniok,

" "Der Einsiedler aus Providence" unterschlägt keineswegs die Tatsache, dass Lovecraft sich in seinen letzten Lebensjahren von seiner Rolle als Gentleman-Autor zu emanzipieren, zu reisen und auf seine Mitmenschen zuzugehen begann;"

Dennoch würde ich nicht von "relativiert" sprechen. Wirklich einsiedlerisch hat er nur während der frühen Depression in den 1910er-Jahren gelebt. Mit dem Eintritt in den Amateurjournalismus öffnete er sich zusehends. Aus dieser Zeit stammen einige seiner regsten Briefpartner und Freunde (Samuel Loveman, Frank Belknap Long, etc.). Über den Amateurjournalismus lernte er Sonia H. Greene kennen, seine spätere Ehefrau. Er zog nach New York, wo sein "gesellschaftliches Leben" so aktiv war wie kaum zuvor. In den Folgejahren, mittlerweile zurück in Providence, machte er, sofern es seine Finanzen zuließen, reisen in ganz New England und zT weil darüber hinaus (so besuchte er Robert H. Barlow und Henry S. Whitehead, beide in Florida). Außer in den 6 Jahren zwischen 1908 und 1914 führte HPL also ein geregeltes Sozialleben, nur dass viele der Menschen zu denen er eine intelektuelle Bindung verspührte eben nicht in Fußreichweite waren, wodurch er auf den Briefverkehr angewiesen war. Wenn diese Kontakte nicht zählen würden, dann müsste man in Zeiten des Internets und der Isolierung des Individuums von einer Generation von Einsiedlern sprechen. Außerdem evoziert der Begriff schlicht ein Bild, dass so nicht tragfähig ist.

""Obskur" ist in der Tat ein schlecht gewähltes weil doppeldeutiges Wort. (Eine Reflexion der Lovecraftschen Adjektivitis?) Sauk City war (und ist) eine Kleinstadt fern (nicht nur) der klassischen US-Verlagsszene. "

Ja, natürlich, aber hier dann der Einwand, dass Ein Autor nicht aus Weimar oder New York kommen muss um erfolgreich zu sein, ebenso wenig ein Verlag. Die Frage nach dem Ort an dem ein Autor oder ein Verlag beheimatet ist ist mMn irrelevant. Wichtig ist die Arbeit, die geleistet wird. Und hier muss man schlichtweg sagen, dass Derleth als Autor vielleicht nicht jedem gefällt, seine Tätigkeit als Verleger kann man aber trotz einiger Ausrutscher (zB der Posthumen Kollaborationen mit HPL) gar nicht genug wertschätzen. Er (und Wandrei) haben HPL vor dem Vergessen bewahrt, ebenso wie Robert E. Howard. Er hat Clark Ashton Smith in seinen späten Jahren immer wieder Buchveröffentlichungen ermöglicht, auch wenn die Verkäufe bei Smith-Titeln (unverständlicherweise) rückläufig waren. Nicht zu vergessen all die anderen Autoren des Golden Age of Pulp, die sonst vielleicht nie in Hardcover erschienen wären oder ggf. sogar vergessen worden wären.

Übrigens gibt es eine durchaus rege August-Derleth-Society in Sauk City und einen August Derleth Park. Der Autor wird also immernoch wahrgenommen. Und der kleinen Spitze mit dem Bullen kann ich einen anderen kleinen Fakt zum Ort entgegnen: "In the Harper's Weekly magazine of November 21, 1914, Sauk City was named "America's Foremost City." und "The community was incorporated as a village in 1854, making Sauk City the oldest incorporated village in the state."


Ich freue mich auf weitere rege Diskussion.
Mit freundlichen Grüßen,
N.-G.H.

09.12.2016 00:47:24
Michael Drewniok

Kritik ist immer legitim, zumal sie hier sachlich vorgetragen wird sowie in einigen Punkten zutrifft. Dazu einige Anmerkungen.

"Zum einen ist der nun zitierte Abschnitt sehr fehlerhaft:"

SEHR fehlerhaft?

"Zum einen ist Lovecraft beim besten Willen kein "Einsiedler" gewesen. Sicherlich beziehen Sie sich hier auf Franz Rottensteiners Textsammlung 'Der Einsiedler aus Providence' (1992). Doch ist diese Aussage zu Lovecraft von der neueren Forschung (spätestens seit den 2000-ern) wiederlegt worden."

Nicht widerlegt, sondern relativiert. "Der Einsiedler aus Providence" unterschlägt keineswegs die Tatsache, dass Lovecraft sich in seinen letzten Lebensjahren von seiner Rolle als Gentleman-Autor zu emanzipieren, zu reisen und auf seine Mitmenschen zuzugehen begann; es ist tragisch, dass er so früh starb, weil man gern wüsste, ob und wie sich diese Entwicklung fortgesetzt hätte. Andererseits lebte Lovecraft - auch weil er an der Armutsgrenze existierte - zurückgezogen. Er diskutierte, aber in erster Linie korrespondierte er. (Sein Freund Frank Belknap Long, der Lovecraft regelmäßig persönlich traf, verlängert dessen 'Einsiedlerjahre' übrigens bis ins Jahr 1924: F. B. Long, Mein Freund H. P. Lovecraft, Leipzig : Festa Verlag 2016, S. 28.)

"Dann heißt der Verlag, den Derleth gründete 'Arkham House'"

Das ist korrekt und "Arkham Press" mein Fehler.

"Auch stellt sich mir die Frage, warum sie Sauk City eine 'obskuren Kleinstadt' nennen?

"Obskur" ist in der Tat ein schlecht gewähltes weil doppeldeutiges Wort. (Eine Reflexion der Lovecraftschen Adjektivitis?) Sauk City war (und ist) eine Kleinstadt fern (nicht nur) der klassischen US-Verlagsszene. 3500 Einwohner zählt sie heute. Insofern würde Sauk City sicherlich auf keiner Liste potenzieller Orte auftauchen, in denen ein Verlag wie Arkham House entstehen könnte. (Außerdem kann ich Jenny-Lou Mrshl Toystory-ET nicht aus meinem Gedächtnis streichen; ein männliches Holsteinrind, das zwischen 2001 und 2014 in Sauk City lebte und als spendefreudigster Bulle - mehr als 2 Mio. Spermagaben - in die Geschichte einging; er scheint aktuell das prominenteste Kind dieser Stadt zu sein.)

"Derleth war mit Sicherheit kein Meister, aber er war für das Pulp-Genre ein profilierter Autor und zählte zu den beliebtesten seiner Zeit."

Ist mir bekannt (s. http://www.phantastik-couch.de/august-derleth.html). Aber er war sich wie gesagt bewusst, dass er zwischen Anspruch und ökonomischer Notwendigkeit lavierte: "My prolificity is a matter of economic necessity, and I have no doubt that the quality of my work has suffered to some extent because of its necessary quantity." (zitiert nach: Biography/About Derleth, http://www.newderleth.org)

Mit freundlichen Grüßen;

M. Drewniok

08.12.2016 14:27:26
N.-G.H.

Sehr geehrtes Phantastik-Couch Team, sehr geehrter Herr Michael Drewniok,

Leider muss ich Ihrer Rezension in einigen Punkten kritisch begegnen:

Zum einen ist der nun zitierte Abschnitt sehr fehlerhaft:

"Nun also Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) und August William Derleth (1909-1971), ein ganz besonders skurriles Paar: der weltfremde „;Einsiedler von Providence” und… ja, wer eigentlich? Derleth schätzt der Freund des Unheimlichen als Gründer der legendären “;Arkham Press”, die klassischen und modernen Horror zu einer Zeit verlegte, als dieser sich keiner besonderen literarischen Wertschätzung erfreute. Er legte das Fundament für den Lovecraft-Kult, was verdienstvoll genug ist. Aber was weiss man sonst über diesen Mann, der praktisch sein ganzes Leben in einer obskuren Kleinstadt namens Sauk City verbrachte?"

Zum einen ist Lovecraft beim besten Willen kein "Einsiedler" gewesen. Sicherlich beziehen Sie sich hier auf Franz Rottensteiners Textsammlung "Der Einsiedler aus Providence" (1992). Doch ist diese Aussage zu Lovecraft von der neueren Forschung (spätestens seit den 2000-ern) wiederlegt worden. Lovecraft war kein Einsiedler ((außer vielleicht während einer Depression zwischen den Jahren 1909 und 1914) siehe: http://deutschelovecraftgesellschaft.de/lovecraft/ ), tatsächlich war er ein sehr geselliger Mensch; man denke nur an das rege Sozialleben, das er während seiner Jahre in New York pflegte oder die ausgiebigen Korrespondenzen, die er mit Weird-Fiction-Enthusiasten überall in den USA führte.

Dann heißt der Verlag, den Derleth gründete "Arkham House", in anlehnung an das Haus, das Derleth bauen ließ um dort zu leben und von dort den Verlag zu führen und der Stadt in Lovecrafts semifiktionalem Neu-England.

Auch stellt sich mir die Frage, warum sie Sauk City eine "obskuren Kleinstadt" nennen? Hätte Derleth für die Verlagsgründung nach New York ziehen sollen? Oder gibt es triftige Gründe Sauk City "obskur" zu nennen? Was ich damit sagen möchte, ist, dass sie hier eine unnötige Wertung einbringen, die nicht legitim ist.

Derleth war mit Sicherheit kein Meister, aber er war für das Pulp-Genre ein profilierter Autor und zählte zu den beliebtesten seiner Zeit. Natürlich sollte man ihn nicht an den Lichtgestalten des Genres (Lovecraft, Howard, Smith) messen, da man neben diesen nur verlieren kann.

Zu Derleth:

https://flensburgergesellschaftfuerphantastik.wordpress.com/2016/11/13/autorenportrait-august-william-derleth/

Und als Vertiefung zu ihren Ausführungen darüber, dass der vorliegende Text nicht von Lovecraft ist, sondern von Derleth, hier etwas:

https://flensburgergesellschaftfuerphantastik.wordpress.com/2016/04/07/die-derleth-lovecraft-collaborations/

hochachtungsvoll,
N.-G.H.

28.10.2009 22:43:25
Michael Drewniok

Man merkt vor allem, dass der Rezensent - der über den Cthulhu-Mythos durchaus informiert ist - sich jenseits der fannischen Sichtweise mit dem besprochenen Buch und mit August Derleth beschäftigt hat. Derleth war sich seiner schriftstellerischen Grenzen - die auch dem Veröffentlichungsdruck geschuldet waren - stets bewusst. Insofern maße ich mir nichts an, sondern folge dieser - auch von der Literaturkritik geteilten - Meinung; entsprechende Sekundärliteratur habe ich berücksichtigt, Verweise darauf finden sich in meiner Derleth-Bio-/Bibliografie. Der individuelle Unterhaltungswert von "Das Tor des Verderbens" wird durch die Rezension keineswegs in Frage gestellt. Die Fehler des Buches dürfen darüber jedoch nicht negiert werden; sie existieren, und sie werden genannt.

22.07.2009 08:04:07
Bianca Flier

Man merkt, dass der Rezensent kein Kenner des Cthulhu-Mythos ist. Muss ja auch nicht sein.
Cthulhu wurde von Lovecraft ins Leben gerufen - und Derleth größtenteil zu verdanken, dass sein Werk der Nachwelt erhalten geblieben ist.

Beide Schriftsteller waren eng befreundet; Lovecrafts fiktionale Autorengestalt "Comte d' Erlette" ware eine Huldigung an Derleth, der französische Vorfahren names d' Erlette besaß.

Derleths "Tor des Verderbens" ist für mich eine der besten von den unzähligen Cthulhu-Geschichten, die aus dem Fundus der weltumspannenden Lovecraft-Gemeinde und ihrer Autoren hervorgegangen sind.

Über Derleth zu schreiben, er sei "kein guter Schriftsteller" ist eine Anmaßung des Rezensenten. Aber vielleicht beginnt ja bei ihm der Schriftsteller erst beim Literatur-Nobelpreisträger. Ich finde so eine Entgleisung innerhalb einer Rezension armselig.

Bianca Flier

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