
Ein neuer Auftrag für den Generalsanierer
Das schlägt doch nun wirklich dem Fass den Boden aus. Nicht genug damit, dass unser Trickbetrüger und schlitzohriger Gauner Feucht von Lipwig, der auf Anweisung des Gerichts für seine Untaten gehängt wurde, nur um als dienstverpflichteter Postminister die im Dornröschenschlaf liegende Ankh-Morpork'sche Post wach küssen durfte, nein, jetzt hat Lord Vetinari ihn auch noch zum Geschäftsführer einer maroden Bank gemacht!
Dass eine Promenadenmischung von einem Hund die Mehrheit der Anteile an der Bank besitzt, dass die gierig-dekadente Familie der Üppigs versucht, die Kontrolle der Bank an sich zu reißen, das ginge ja noch, doch dann muss unser redegewandter Generalsanierer feststellen, dass das Gold im Tresor fehlt. Da ist guter Rat zunächst teuer. Wie gut nur, dass Feucht aufgrund seiner Erfindung der Briefmarken beste Beziehungen zu den örtlichen Druckereien unterhält. Jetzt gilt es nur noch, den Bewohnern von Ankh-Morpork die neue Papierwährung schmackhaft zu machen - und mal ehrlich, wer wäre dazu besser geeignet als ein sympathischer Großschwätzer und Hochstapler?
Statt Wiederholungen neue Ideen zuhauf
Als alles seinen gewünschten Gang zu gehen scheint, als die Sparstrümpfe geleert und die Sparbücher gefüllt werden, marschiert im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Unheil auf unsere Metropole zu. Eine ganze Armee massiv-goldener Golems stellt sich in die Dienste der Stadt. Willige, fähige Arbeitskräfte, die nie ermüden, die nie essen müssen, die aber auch nie konsumieren. Was droht, ist eine Massenarbeitslosigkeit und Armut, gar nicht zu reden davon, dass die unbezwingbare Armee jedes Nachbarreich überrennen könnte. Da muss unser Schlitzohr sich etwas einfallen lassen.
Während andere, selbst versierte und renommierte Autoren verzweifelt nach Themen suchen, scheinen die Ideen Terry Pratchett nur so zuzufliegen. Dieses Mal, wen wundert es, bekommt die Welt der Hochfinanz und Wirtschaftspolitik ihr Fett ab. Das liest sich dann, bedenkt man die momentan grassierende Bankenkrise aufgrund Übernahme maroder Kredite und persönlicher Bereicherungswut, fast ein wenig wie ein Tatsachenbericht, der im Gewand eines Fantasy-Romans daherkommt. Mit spitzer Feder und Gespür legt Pratchett seine Finger immer gerade dahin, wo es weh tut. Amüsant und kurzweilig erklärt er uns marktpolitische Regularien, merkantile Wellenbewegungen und die Auswirkung von Angebot und Nachfrage auf die internationalen Arbeits- und Finanzmärkte. Das wirkt fast wie eine sehr amüsante Vorlesung in Wirtschaftswissenschaften, verblüfft ob seiner zugrundliegenden Einfachheit und hat mich zumindest so manches Mal zu einem »A-Ha« und »ach so« animiert. Andere, weniger mit Einfällen gesegnete Autoren hätten aus dem Stoff gleich mehrere Bücher gemacht, Pratchett packt alles zu einem großen Ganzen, das aber auch in Details ein faszinierend reales Bild unserer Marktwirtschaft widerspiegelt.
Fitness für den Kopf und für den Bauch - Lachen ist gesund
Doch Terry Pratchett wäre nicht einer der beliebtesten und beständigsten - und das ist wirklich, ein Phänomen - Autoren, wenn er nicht neben all dem verborgenen Wissen, das er seinen Lesern zukommen lässt auch für eine herzhafte Stärkung der Bauch- und Brustmuskulatur sorgen würde. Bekannte und liebgewonnene Gestalten treten auf - ein gewisser Würstchenverkäufer möchte ein Darlehen zum Ankauf eines fahrbaren Bauchladens, Feucht hat sogleich die Idee einer Fast-Food Franchise-Kette - eine veritable Romanze zeichnet sich ab und auch die Attentätergilde kann sich über Mangel an Aufträgen nicht beklagen.
Alles in allem also wieder ein echter Scheibenwelt-Roman voll hintergründigen, intelligenten Humors, wenn auch nicht ganz so spritzig wie »Ab die Post«, dem ersten Abenteuer mit Feucht. Bemerkenswert noch, dass der bisherige Übersetzer Andreas Brandhorst dieses Mal von Bernhard Kempen abgelöst wurde, der seine Sache bravourös erledigte.

Schöne Scheine
- Autor: Terry Pratchett
- Verlag: Manhattan
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Die Übersetzung ist aus meiner Sicht eine kleine bis mittlere Katastrophe. Schade, dass man dabei nicht auf die jahrelange Erfahrung und das schriftstellerische Feingefühl von Andreas Brandhorst zurückgegriffen hat, welcher es immer wieder schafft, nicht nur den "Geist" der Ideen TPrachetts zu erfassen und in die Übersetzung einfließen zu lassen, sondern auch eine Konstanz in den fantasy-spezifischen Begrifflichkeiten geschaffen hat: z.B. der "Imp" der bisher als "kleiner Dämon" bzw. früher als "kleiner Kobold" in den technomantischen Uhren und Organizern zuhause war, ist bei Bernhard Kempens Übersetzung ein "Imp" geblieben; oder aber die "Wache" bzw. die "Wächter" sind mit zunehmender Häufigkeit zu "Polizei" und "Polizisten" geworden.. Auch sind einzelne Passagen nicht sehr konsistent und in der Ausdrucksweise zweideutig, wodurch das Buch recht holprig wird, v.a. wenn man manche Szenen zweimal lesen muss, um die Zusammenhänge zu verstehen (sogar wenn man ein erfahrener PTepianer ist).
Vielleicht zeigt sich hier auch die zunehmende Erkrankung dieses unvergleichlichen Schriftstellers, die ihm das Erfassen komplexer Sequenzen und weitreichender Zusammenhänge zunehmend erschwert.
Wir müssen ihm dankbar sein, dass er sich dennoch um seine Fans bemüht und ihren Durst nach Neuigkeiten von der Scheibenwelt trotz aller Widrigkeiten zu befriedigen sucht. Um in diesem Bild vom Durst zu bleiben schließe ich mit den leicht modifizierten Worten von Campino von den Toten Hosen: "Warum werden wir nicht sitt?" Wünschen wir ihm gute Gesundheit! ELP
Auch ich muss sagen, es hat sich wieder mal gelohnt. Der einzige Wermutstropfen ist, das der deutsche Verlag wieder nicht das englische Originalcover von Paul Kidby verwendet hat, sondern das der amerikanischen Ausgabe. Vermutlich wollte man da Lizenzgebühren sparen auf kosten des Wiedererkennwerts.
Und auch ich habe mich manchmal über die wahl der Personalpronomina gewundert, das ist bei Übersetzungen aus dem englischen zur Zeit leider immer häufiger zu bemerken, die Qualität scheint nachzulassen.
Da dies für den Wortwitz und die wunderbare Gesellschaftskritik Terry Pratchetts den Göttern sei Dank nicht gilt, haben wir hier einen Wunderbaren Scheibenweltroman.
Diese "Fortsetzung" von "Going Postal" hat es wirklich in sich, denn neben einer guten Satire auf das Bankenwesen ist dieser roman auch gleichzeitig eine gute Einführung in die Geldtheorie mit ihren verschiedenen Stützungsideen.
Auf dem Weg des Postministers durch das Geldwesen begegnen wir Golems, Clowns, Meuchelmördern und anderen beliebten Figuren der Scheibenwelt und lernen etwas über eine ungewöhnliche Geisteskrankheit, wie es sie nur in Ankh-Morpork geben kann.
Fabelhafte Unterhaltung, auch wenn die Wahl der Anredepronomina in der Übersetzung ein wenig irritierend ist.