Das Monster in dir
"Das Schwert der Vorsehung" ist der zweite Band aus Sapkowskis Geralt-Zyklus und wie Band 1 eine im Grunde unveränderte Neuauflage der 1998 bei Heyne erschienenen Übersetzung von Erik Simon.
Fans des 2007 auf den Markt gekommenen Computer-Rollenspiels "The Witcher", das sich erfreulich eng an Sapkowskis Romanvorlage hält, werden in den sechs Kurzgeschichten um den tragischen Hexer Geralt von Riva tatsächlich die eine oder andere Szene wieder erkennen (umso erstaunlicher eigentlich, dass der dtv in Gestaltung und Werbung keine Anstalten macht, die zahlreichen Fans des Spiels auf ihre Bücher aufmerksam zu machen. Eine Anzeige für das Spiel auf der letzten Seite des Buches scheint da nicht hilfreich).
Von sterbenden Mythen
Wie im vorhergehenden Band begleiten die Kurzgeschichten den tragisch-melancholischen Hexer und Monsterjäger durch seine vom Niedergang der Magie geprägte Welt. Diesmal allerdings ohne eine abgesetzte Rahmenhandlung, sondern als lose zeitlich aufeinander folgende Episoden. Wieder sind die Geschichten geprägt von wenigen, immer wiederkehrenden Bekannten und wenigen Freunden Geralts in einer Welt, die immer weniger Platz für mythische Kreaturen von Basilisken über Sirenen bis zu Elfen bietet. Und damit immer weniger Bedarf am aussterbenden "Beruf" des Hexers und Monsterjägers. Wo Mutanten wie Geralt früher vielleicht nicht gern gesehen, so doch als wichtig geachtet wurden, schlägt ihnen inzwischen mehr und mehr offenes Misstrauen und Verachtung entgegen - der Hexer findet sich immer mehr selbst in die Rolle derer gedrängt, die er jagt: eine mythische Monstrosität, ohne die die Welt besser dran wäre.
Und so kreist auch sein eigener Fokus immer häufiger um seinen persönlichen Zweifel, der schon im ersten Band thematisiert wurde: Auf welcher Seite steht er, der Jäger, eigentlich selbst? Lautet doch sein Auftrag als Hexer, das Schützenswerte zu schützen, stellt sich ihm immer wieder die Frage, ob nicht eigentlich die seinen Schutz brauchen, die sein Berufsstand bisher jagte. So verbietet es ihm sein persönlicher Ehrenkodex zum Beispiel, die letzten Drachen jagen. Trotzdem schließt er sich einer Gruppe Drachenjäger an - allein, weil die Magierin Yennefer, mit der ihn eine lange, unglückliche Liebe verbindet, ebenfalls an der Expedition teilnimmt. Eine Expedition, die wie die nachfolgenden Geschehnisse vom Konflikt zwischen Gewissen und Auftrag geprägt ist.
Kein Platz für Gothic-Romantik
Sapkowski schafft es auch in diesem Band, seinem Protagonisten Geralt weitere Tiefe und Entwicklung zu geben. Und obwohl Geralt so melancholisch wie schon im vorangegangenen Teil ist (und womöglich noch zynischer), liest sich "Das Schwert der Vorsehung" keinesfalls düster oder schwülstig. Schuld daran sind nicht zuletzt die hervorragenden Nebenfiguren, wie der altbewährte Dichter und Barde Rittersporn, der seinen Freund Geralt mehr als einmal mit seiner Suche nach neuen Heldenepen und Liebschaften in Schwierigkeiten bringt, der herzlich lebensfrohe Ritter Drei Dohlen mit seinen ebenso kampflustigen wie freizügigen Leibwächterinnen Tea und Vea oder der jovale Baron Freixenet, der einst ein Kormoran war.
Amüsant ist es auch, wenn Sapkowski klassische Märchen wie die Geschichte von den sieben Raben oder der kleinen Seejungfrau entmystifiziert - um sofort eine bessere, erdigere Version daraus zu machen und sie in sein Hexer-Universum einzuflechten. Sein trockener, derber Humor und die wenn möglich noch schnelleren Dialoge hellen so seine Geschichten immer wieder auf, die vom Grundton durchaus das Zeug zur Gothic-Stimmung gehabt hätten. Ein düster-romantischer Gothic-Vampir hätte jedoch bei Sapkowskis ganz und gar nicht hilflosen Mägden einen schweren Stand - und die (wiederum aus dem Mythenschatz Osteuropas entliehenen) einheimischen Vampirvarianten bekommen es mit den zwei Schwertern des Hexers zu tun.
Und schließlich hat die Vorsehung, deren Schwert Geralt führt, auch für ihn noch eine Überraschung bereit, die sein von Tragik bestimmt scheinendes Leben unerwartet aufhellt. Und damit dem Buch zum Schluss noch die Schwere nimmt.
"American Gods" in Riva
"Das Schwert der Vorsehung" ist sicherlich kein Buch für Freunde der Hoch- oder der epischen Heldenfantasy. Sapkowskis mit Schwächen und Zweifeln behafteter Held und die gesamte Stimmung sowie der Humor des Romanes dürften schon weit eher Fans von Neil Gaimans "American Gods" oder "Neverwhere" ansprechen, denn hier wie dort sind die Mythen und ihre Helden und Monstren zu einem Leben am Rand der Gesellschaft (oder im Untergrund) verurteilt.
Was auch diesen Band der Geralt-Saga zu einem ungewöhnlichen, durchaus mehrfach lesbaren Schatz der modernen Fantasy macht, auf dessen dritten Teil man gespannt sein darf.

Das Schwert der Vorsehung
- Autor: Andrzej Sapkowski
- Verlag: Heyne
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Der Hexer Geralt von Riva ist wieder unterwegs, um die Welt von Ungeheuern zu befreien. Dies ist der zweite Kurzgeschichtenband über Geralts Abenteuer.
Geralt ist ein vielschichtiger Charakter, der oft mit seiner Bestimmung zu kämpfen hat. Seine Geschichten sind meist mit Humor erzählt, jedoch gibt es auch hin und wieder traurigere Klänge. Hexern wird unterstellt, keine Gefühle zu haben, bei Geralt ist das aber anders, auch wenn er es selbst nicht zugibt, hat er doch eine ausgesprochen lebhafte Gefühlswelt.
Es gibt auch das eine oder andere Wiedersehen, Geralts Freund Rittersporn ist genauso wieder dabei wie seine große Liebe Yennefer. Und auch über Geralts Beziehung zu Ciri wird einiges erzählt. Dazu gibt es eine ganze Reihe Ungeheuer, mir gefällt, dass es nicht die sonst so üblichen sind sondern dass es hier viele Ungeheuer, womöglich aus dem östlichen Legendenkreis (der Autor ist Pole) gibt, die man hier gar nicht kennt.
Die Anthologie enthält sechs Geschichten, die allesamt begeistern können. Andrzej Sapkowski ist ein toller Geschichtenerzähler. Teilweise bauen seine Geschichten auf bekannten Märchen oder Legenden auf, z. B. gibt es eine Geschichte, die an „Die kleine Meerjungfrau“ erinnert, doch es gelingt ihm, jeweils ganz eigenen Geschichten daraus zu machen. Alle Geschichten sind flüssig zu lesen und spannend.
Ich kann die Geralt-Geschichten sehr empfehlen. Wer die PC-Spieleserie „The Witcher“ kennt, sollte auf jeden Fall einen Blick wagen, denn diese baut auf den Geralt-Geschichten und -Romanen auf. Wer gerne Fantasy liest ist hier auch auf jeden Fall richtig. Der Autor hat bisher zwei Kurzgeschichtenbände und mehrere Romane über Geralts Abenteuer geschrieben, so dass für viel unterhaltsamen Lesestoff gesorgt ist. Absolute Leseempfehlung!
Hat mir der erste Band über Geralt den Hexer schon gut gefallen, so legt das Schwert der Vorsehung noch einen drauf. Damit ist dieses Buch mein erstes 100% Highlight des Jahres. Sechs wundervolle Kurzgeschichten von durchaus unterschiedlicher Stimmung. Spannend, komisch, anrührend emotional, ernst und kritisch, romantisch im besten Sinne und manchmal derb. Ich habe so wenig auszusetzen, dass mich beim Lesen manchmal das Gefühl beschlich, Sapkowski hätte die Geschichten für mich geschrieben. Seine Sprache, seine Ideen und seine Figuren sind einfach genial.
Aus Hans Christian Andersens Märchen: Die kleine Meerjungfrau macht Sapkowski eine doppelbödige Geschichte über die Auswirkungen einer nicht erwiderten Liebe. Wie er die Nixe und den liebeskranken König beschreibt, ist köstlich. Aber in der Geschichte: ‚Das kleine Opfer’ ist nicht die Nixe die tragische Gestalt, sondern die Bardin Essi Daven.
Die Geschichte: ‚Das ewige Feuer’ ist ebenso witzig wie hintergründig, ein ums Überleben kämpfender Gestaltwandler, der sich in die genaue Kopie eines Halblings verwandelt und dessen Geschäfte übernimmt, ach, es macht wenig Sinn, etwas vom Inhalt zu verraten, das würde nur die Freude beim Lesen schmälern. Also, lest selber, jede Geschichte ist es wert.
einfach sensationel ich kann es nur jedem empfehlen der nicht auf die normalen 0815 Heldengeschichten steht. kann mich dem oben geschriebenen kommentar nur anschliessen...nur schade dass man so lange auf die Baende warten muss..das koennte sicher schneller gehn
Als allererstes: Der Protagonist der Bücher heißt Geralt mit "t" und nicht Gerald. :-)
Ich habe jetzt beide Bücher der Reihe gelesen und bin immer noch ziemlich begeistert.
Ich kann es nur jedem empfehlen, der sich für wirklich gute und "erwachsene" Fantasy interessiert.
Die Bücher haben so ziemlich alles, was man braucht. Der Hauptcharakter ist kein typischer "Held in strahlender Rüstung", sondern ein ständig zweifelnder, nachdenklicher Mensch/Mutant. Außerdem gibt es viele witzige Dialoge und mehr als einmal gibt es Stellen innerhalb der Geschichten, die einen auch zum Nachdenken anregen können.
Im Anschluss an die beiden Kurzgeschichtenbände startet nun auch in Deutschland die richtige fünfteilige Saga um Geralt. Allerdings erst im November 2009 laut Verlagsinfo. Schade!
Also, wie gesagt: KAUFEN!
Und das Computerspiel gleich dazu. Gibt die Atmosphäre der Bücher gut wieder und man trifft viele Charaktere, die man aus den Geschichten kennt. Aber am besten bis September warten. Da kommt die bugfreie und überarbeitete Enhanced Version raus.