
In alter Frische wieder dort, wo nie zuvor ein Mensch war
Das Jahr: 2265. Nach dem gescheiterten Versuch, die energetische Barriere am Rand der Galaxis zu durchbrechen, schleppt sich das Föderationsraumschiff ";Enterprise" schwer beschädigt durch den Raum. Das Angebot der Raumstation ";Vanguard", sein Schiff reparieren und überholen zu lassen, ist für den jungen Captain James T. Kirk zu verlockend, um es auszuschlagen. ";Vanguard" sollte eigentlich noch im Bau sein. Die Grenznähe zu den Reichen der nicht eben friedfertigen Tholianer und der jederzeit kriegerischen Klingonen stimmt Kirk nachdenklich. Was stellt die ";Vanguard" wirklich dar?
In der Tat dient die Raumstation der Föderation als Basis für die eine forcierte Erforschung des Taurus-Sektors, der sich wie ein Puffer zwischen das Territorium der Tholianischen Gemeinschaft und das klingonische Imperium legt. Zwar erhoben diese beiden Mächte nie einen Anspruch auf diesen abgelegenen Winkel, doch die hektischen Aktivitäten der Föderation und die offensichtliche Geheimhaltung erregen Misstrauen.
";Vanguard" ist ein denkbar ungeeigneter Ort für Geheimnisse. Die Station dient allen Völkern der Galaxis als Hafen, Reparaturdock und Warenumschlagplatz. An Bord wimmelt es von Fremdlingen, unter denen sich manche zwielichtige Existenz befindet. Spione unterwandern die Sicherheitsmaßnahmen. Die Spannung wächst, als die Tholianer ein Föderationsschiff attackieren und eine Planetenbasis zerstören.
Der neugierige Kirk erfährt endlich, was er wissen möchte, doch die Erkenntnis macht ihn nicht glücklich. Womöglich haben die Föderationswissenschaftler etwas entdeckt, das eine Nummer zu groß ist für die Menschheit. Die Tholianer und die Klingonen lassen nicht nach in ihrem Bemühen, das Geheimnis zu lüften - ein Geheimnis, das sich plötzlich nicht als archäologisches Objekt, sondern als Relikt einer feindseligen und sehr lebendigen Vergangenheit entpuppt ...
Rückkehr im ganz großen Stil
Nachdem die deutschen ";Star-Trek"-Fans sich viele Jahre im Schlaraffenland wähnten, weil man sie mit einschlägiger Lektüre geradezu verschwenderisch versorgte, wurden sie ziemlich abrupt auf eine Null-Diät gesetzt. Zu viele oft unterdurchschnittliche weil kreativarme Romane hatten die Verkaufszahlen einbrechen lassen, doch statt das Angebot auf die wenigen durchaus lesenswerten Titel zu beschränken, wurde ";Star Trek" gänzlich aus dem Programm geworfen. Eine Lösung war das nicht, zumal ";Star Trek" in Buchform in den USA weiterhin prächtig gedieh.
Mehr als ein halbes Jahrzehnt ist nunmehr verstrichen, und ";Star Trek" kehrt zurück. ";Vanguard" stellt eine der Mini-Serien dar, die das Franchise im Bereich Buchmarkt inzwischen dominieren. 1200 recht eng bedruckte Seiten bieten Raum genug für ein wahrlich galaktisches Spektakel. Hier wird nie gekleckert und immer geklotzt. ";Vanguard" ist ein Zirkus mit mehreren Manegen.
Ein Epos braucht seine Anlaufzeit
Bis die Gesamtvorstellung richtig in Gang kommt, vergeht freilich einige Zeit. ";Vanguard: Der Vorbote" ist die Ouvertüre. Autor Mack muss uns die Schauplätze und Figuren der Handlung erst einmal vorstehen. Zwar gelingt ihm das sehr unterhaltsam, dennoch wirkt ";Der Vorbote" vor allem im ersten Buchdrittel episodenhaft. Erst allmählich beginnen sich die Handlungsstränge zu verknüpfen, werden die Fragen beantwortet, die sich der Leser in den Auftaktkapiteln in reicher Zahl stellt.
";Star Trek" war nie literarisch, sondern Science Fiction ‚aus zweiter Hand‘. Unzählige Mythen und Klischees der Alltagskultur werden durch eine leistungsfähige Kombination aus Mixern und Filtern gejagt, trivialisiert und zu massenkompatibler Unterhaltung verarbeitet. Das ist nicht abwertend gemeint, denn gelingt es, entsteht leichter, spannender Lesegenuss ohne Reue, wie ihn ";Der Vorbote" bietet.
Nichts geschieht, dass wir nicht schon in mehr als einer ";Star-Trek"-TV-Episode oder einem Film gesehen haben. Die Verbindung zwischen ";Vanguard" und ";Deep Space Nine" liegt nicht grundlos nahe. Mack variiert, aber in erster Linie erweitert er den Rahmen, in den er seine Geschichte stellt. Er fokussiert die Handlung nicht auf die ";Enterprise"-Crew, sondern lässt sie streckenweise in dem Gewusel seiner vielen - zu vielen? - Figuren aufgehen.
Behutsame Kurskorrektur: Der Mensch ist wieder Mensch
Mit Vorsicht ist deshalb das jubelpersische Interview mit Verfasser Mack zu genießen, der die Gelegenheit nutzt, kräftig (und unwidersprochen) die Werbetrommel für sein Werk zu rühren, das nicht so innovativ ist, wie er uns weismachen möchte. Beglückwünschen muss man ihn auf jeden Fall zum Verzicht auf den ";UMUK"-Unfug, den Gene Roddenberry ‚seiner‘ Zukunft aufprägte. Die forcierte Harmonie einer ‚fortgeschrittenen‘ Menschheit wirkte nicht nur lächerlich unrealistisch, sondert nahm ";Star Trek" durch den Verzicht auf zwischenmenschliche Konflikte ein wichtiges Spannungsmoment. Die Föderation bietet in ";Vanguard" ein durchaus zwielichtiges Bild, und siehe da: Es funktioniert! Der Zweck heiligt auch in der Zukunft die Mittel. So funktioniert die Welt.
Alte Helden in neuen Abenteuern
Sie war eine recht hemdsärmelige Truppe, die Crew der ersten, der ‚echten‘ ";Enterprise", und das darf man sogar wörtlich verstehen, wenn man sich die nostalgischen, in der Rückschau schon wieder futuristischen Frottee-Uniformen vor Augen führt. Viel zu spät hat man im ";Star-Trek"-Franchise erkannt, was man an Captain Kirk (den wir hier als Figur streng von seinem Alter Ego William Shatner trennen wollen) hatte: die ideale Spitze eines Dreiecks, dessen Gegenstücke vom besonnenen Spock und vom mahnenden Dr. McCoy (hier allerdings noch von seinem Vorgänger Dr. Piper vertreten) bilden.
Kirk verkörpert ein rohes, nicht in seiner komplexen verwickelten Chronologie verstricktes und nach vielen hundert TV-Abenteuern verkrustetes ";Star Trek". Als Captain ist er realistisch betrachtet sicherlich unfähig, da er sich unbekümmert stets mitten ins Getümmel stürzt, statt picardmäßig von der Kommandozentrale heraus zu delegieren. Wer sich daran stört, gehört zu denen, die ";Star Trek" eine Bedeutung unterstellen, die diese Serie - und zwar in allen Inkarnationen - nicht besitzt. ";Star Trek" ist Unterhaltung mit einem moralisierenden Unterton, der in der Kirk-Ära erfreulich einfach auszublenden ist. Mack demonstriert uns das anhand der Einführung jener ";Star-Trek"-Uniformen, die weibliche Crewmitglieder in Miniröcke und knapp geschnittene Oberteile zwingt. Logisch ist das nicht, würde Spock sagen, und es wurde im Namen von Gleichberechtigung und Fortschritt ab ";Star Trek - The Next Generation" gekippt. Im Fernsehen der 1960er Jahre ging man unbekümmert chauvinistisch und unter Berücksichtigung des kostengünstig zu erzielenden Schaueffekts zur Sache. Mack übernimmt dies einfach und sorgt für politisch unkorrektes Schmunzeln.
Neue Helden nach alten Mustern
Über den Daumen gepeilt bestreiten Kirk und seine Crew höchstens ein Fünftel der Handlung. Viele neue Gesichter tauchen mit eigenen Geschichten und persönlichen Schicksalen auf. Zum Teil sind sie in der ‚klassischen‘ ";Star-Trek"-Serie von 1966-69 als Randfiguren aufgetaucht (und höchstens den Trekkie-Geeks bekannt), aber Mack kreiert darüber hinaus eine ganze Galerie eigener Charaktere. Sie sollen hier nicht vorgestellt werden, was den Rahmen dieser Rezension endgültig sprengen würde. Stattdessen hat sich Mack einmal mehr sehr projektorientiert für Charaktere entschieden, die behutsam alte ";Star-Trek"-Traditionen mit den Lesergewohnheiten des 21. Jahrhunderts kombinieren.
Jawohl, ins ";Star-Trek"-Universum sind nunmehr Realitäten wie Ehebruch, Militarismus oder lesbischer Vulkanier-Sex eingezogen. Die Helden zeigen Schwächen und Schrammen. Im letzen Moment wird dennoch die Notbremse gezogen: Der verkommene Schmuggler (eine Harry-Mudd-Kopie) hat Prinzipien, den harten Stationschef (einen Ben-Sisko-Klon) plagen Selbstzweifel und Gewissensbisse, Kirk schwenkt in letzter Sekunde wieder auf Föderationskurs ein. Weiterhin gibt es zu viel gefühlsduselige Seifenoper, die den Faktor ";Menschlichkeit" in die Zukunft tragen soll. Dass Mack dabei übertreibt, verdeutlicht die Erleichterung des Lesers in den Szenen, in denen die Handlung endlich auf Action umschaltet. Irgendwann reicht es wirklich mit dem Privatleben der Hauptfiguren. In dieser Hinsicht steht die eigentliche Renovatio des neuen-alten ";Star Trek" noch aus.
Des Kirks neue Kleider
Da der Abgang von ";Star Trek" aus dem deutschen Buchszene unrühmlich war (s. o.), musste der Neubeginn gut überdacht sein, um einerseits die in dürren Jahren übersättigte ";Star-Trek"-Käuferschaft und andererseits die inzwischen nachgewachsene Lesergeneration zu interessieren. Der Cross-Cult-Verlag wählte klug eine US-Vorlage, die aktuell ist und trotzdem ihre Attraktivität bereits unter Beweis stellen konnte. David Mack ist der neue Star im Buch-Bereich des ";Star-Trek"-Franchises und liefert gut zu vermarktende Arbeit.
Der Gestaltung der deutschen ";Vanguard"-Version wurde große Sorgfalt gewidmet. Das Cover ist keine Schema-F-Zeichnung von Keith Birdsong & Konsorten, sondern eine sorgfältig komponierte und angefertigte Collage: Vor einem bunten Sternenhimmel - ein Foto der (echten) Raumstation ";Hubble" - schweben sehr ‚realistisch‘ ausgeführt die ";Enterprise" im Vordergrund und dahinter ";Vanguard". Das Ergebnis wirkt angenehm ‚rau‘ und passt zu einer Zukunft, die eigentlich längst Vergangenheit - die der 1960er Jahre nämlich - ist.
Als besonderes Feature wurde dem Roman eine mehrteilige und ausklappbare Aufrisszeichnung der ";Vanguard" - geschaffen vom Künstler Masao Okazaki - beigeheftet, die diese Raumstation in verschiedenen Ansichten zeigt. Dem Leser hilft es, den Überblick zu behalten, wenn es an Bord wieder einmal hoch hergeht und man sich fragt, wo genau sich unsere Helden gerade aufhalten.
Darüber hinaus gibt es eine ";Kartei der Hauptpersonen", die aufgrund der Vielzahl der Figuren hilft, den Überblick zu behalten. Macks tüchtig geschönten Erinnerungen an das ";Vanguard"-Projekt und seine übertriebenen Danksagungen an Gott, Gene Roddenberry & die Welt sind eher komisch als informativ.
Der Kaufpreis ist moderat, und das schließt sehr angenehm einen Kreis, in den sich der Leser gern ziehen lässt. ";Star Trek" ist wieder da - und so umgesetzt (und mit ein bisschen mehr Tempo) wünschen wir uns weitere neue Abenteuer!

Der Vorbote
- Autor: David Mack
- Verlag: -
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David Mack legt mit „Der Vorbote“ den Auftakt zu einem neuen Kapitel im Star Trek Universum vor. Die Handlung spielt auf und um die Sternenflotten-Raumbasis 47, die den Namen Vanguard trägt, zur Zeit der ersten Fünfjahresmission von Captain Kirk und seinem Raumschiff Enterprise. Mack kennt sich gut aus im Setting und schreibt eine Geschichte herunter, die man gut lesen kann. Mir persönlich gefällt die Idee, der neu eingeführten Charakter eines JAG-Offiziers und eines Reporters. Die Handlung hat mich durchaus überzeugen können, aber sie hat viele Schwächen. Da ist einerseits, dass die Spannung immer wieder regelrecht abgewürgt wird, weil die Handlung auf andere Handlungsstränge mitten im Kapitel wechselt, die erst mal überhaupt nichts mit der Grundstory zu tun hat. Mack verbindet Action-Sequenzen, ein wenig schrägen Humor, ein bisschen Herzschmerz und politische Intrigen zu einer gut lesbaren Star Trek Geschichte, die nur das Tor für eine neue Star Trek Saga aufschlägt und erste Charakterisierungen der Hauptfiguren liefert.
Wie sich Vanguard (weiter-)entwickelt, bleibt abzuwarten.
David Mack gelingt es im Einstiegsroman „Der Vorbote“ zumindest in Ansätzen, sich von anderen Science-Fiction Serien, die auf Raumstationen spielen (DS9 oder Babylon 5) abzusetzen, obgleich der Titel „Der Vorbote“ (englisch: „Harbinger“) unglücklich gewählt scheint, wo doch seinerzeit das erste PC-Spiel über Deep Space Nine auch den Titel „Harbinger“ trug. Ob hier eine gewisse Eigenständigkeit gewahrt bleibt, werden die nachfolgenden Romane zeigen, von denen schon einige auf Deutsch vorliegen.
Ein vielversprechendes erstes Kapitel der neuen Serie ist mit „Der Vorbote“ aber sicherlich schon erzählt worden. Ich bewerte den Roman mit grundsoliden 80.