
Ein Mensch von Konsequenz
Der 34 Jahre alte Ryan Perry ist als Entwickler und Eigentümer des sozialen Netzwerks "Be2Do" Multimillionär geworden. Seit die Journalistin Samantha Reach ihn für "Vanity Fair" interviewt hat, sind beide ein Paar. Bei einem Arztbesuch erfährt Ryan, dass er an einer seltenen und nicht heilbaren Herzkrankheit leidet, hypertropher Kardiomyopathie. Der Arzt gibt ihm noch ein Jahr und setzt ihn auf eine Warteliste für Herztransplantationen.
Ryan beginnt seiner Umwelt zu misstrauen. Er wechselt von seinem Arzt Dr. Gupta zum auf wohlhabende Patienten ausgerichteten Dr. Hobb und tauscht sein Hauspersonal aus. Nach einem Monat wird ihm in Shanghai ein Spenderorgan transplantiert. Kurz darauf beendet Samantha die Beziehung ohne Begründung. Ein Jahr später liest Ryan den ersten Roman Samanthas und trifft sich mit ihr. Von da an ereignen sich seltsame Dinge, die Ryans Leben aus der Spur bringen und ihn existenziell bedrohen. Eine Chinesin verletzt ihn schwer mit einem Messer und sagt, sie könne ihn jederzeit töten. Später bedroht sie ihn am Telefon: sein Herz gehöre ihr und sie wolle seinen Tod. Ryan will herausfinden, was es mit der Organspende auf sich hat.
"Sein Körper tat so, als sei er bei guter Gesundheit, obwohl er in Wirklichkeit gerade dabei war, ihn im Stich zu lassen."
Leichte Ausschläge ins Übernatürliche
"Racheherz", der im Original "Your Heart Belongs to Me" heißt, nach der Drohung, welche die Chinesin gegen Ryan ausspricht, folgt den neueren Thrillern des Autors, die mitunter ganz frei von phantastischen Elementen sind. Auf den ersten knapp 200 Seiten beschreitet Koontz einen Nebenweg in das Übernatürliche. Dies geschieht durchaus absichtsvoll und ist Bestandteil eines zu Beginn traditionellen Ermittlungspfades, der später eine interessante Entwicklung erfährt. Auf den weiteren etwas mehr als 200 Seiten, nach Ryans Operation und einem Zeitsprung um ein Jahr, wird "Racheherz" zu einem Roman, dessen Horror frei von Phantastik und in einer abscheulichen Realität verankert ist.
Der Roman handelt auch von menschlichen Gefühlen, Liebe, Gier, Verlustängsten, und von einer perversen Mischung aus Machtmissbrauch, Profitgier und Menschenverachtung. Die zentralen Charaktere weisen tiefe Verletzungen auf, die sie zu Handlungen mit weit reichenden Folgen veranlassen. Ryan ist egoistisch, oberflächlich, allenfalls durchschnittlich sympathisch. Sein Reichtum erlaubt ihm, alle Arbeiten, die ihm nicht gefallen, von anderen Menschen erledigen zu lassen, und darüber hinaus noch einiges mehr. Koontz charakterisiert seine Hauptfigur sehr scharf als einen Mann, der nur Rücksprache mit seinem Selbsterhaltungstrieb hält und seit sieben Jahren nur noch bei sich selbst versichert ist. Ryan sieht gerne Filmklassiker im Fernsehen und ist Fan von William Holden.
Ein Roman mit Subtext und einem Anliegen
Rund die Hälfte des Romans behandelt die Zeit vor der Transplantation. Die Bedrohung Ryans macht nur einen relativ geringen Teil der Erzählung aus. Koontz ist sehr viel mehr interessiert am Innenleben seiner Figuren, vor allem daran, wie Menschen sich selbst manipulieren und welch große Bedeutung Subtext in unserem Leben hat. Diesen Begriff verwendet Koontz so oft und geschickt, dass es zwingend auffällt. Den Roman hindurch erzeugt Koontz viel Subtext, den er schlussendlich zu einem widerspruchsfreien Ganzen fügt. Erst dann fällt uns auf, dass viele der beiläufigen Text- und Handlungselemente einen zweiten Erzählpfad beschreiben und das eigentliche Anliegen des Romans vermitteln, in dem es darum geht, wie wir durch Unterlassen, durch Nichtbeachtung von Zeichen, durch das Ausblenden von Informationen und die Folgen dieses Verhaltens unser Schuldkonto anreichern. Ob es bei all der Schuld auch um Erlösung geht? Hierauf gibt das im Kontext der Erzählung seltsam anmutende Ende Hinweise, die wir vordergründig eindeutig verstehen können, aber nicht müssen.
Nach mehreren Jahrzehnten erfolgreicher Autorschaft, gelingt es Koontz noch immer, eine frisch wirkende Prosa zu schreiben, wo manch andere Autoren formulaisch und desinteressiert am eigenen Stoff wirken. Zudem lohnt es sich, seine Romane im Original zu lesen, weil er ein guter Spracharchitekt ist und seine Prosa einen erstaunlichen Wortschatz aufweist. Jedes Wort zählt, die Hinweise für das Verstehen werden oftmals nur in unwichtig wirkenden Details geliefert. Man sollte Racheherz langsam und aufmerksam lesen, weil der Lesegenuss so einfach größer ist. Für mich ist "Racheherz" einer der besten Horrorthriller in diesem Jahr.

Racheherz
- Autor: Dean Koontz
- Verlag: Heyne
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Erstmal vorweg, schließe mich der Couch - Rezension, die überaus präzise und gerecht ist, absolut an:
von vielen als Vielschreiber etwas "verschrien", muss man Koontz zugestehen, das er mit Prosa wirklich sehr gut umgehen kann, da es sogar bei dieser Übersetzung zu spüren ist, kann man auch nur dem Übersetzer beglückwünschen, das so gut transportiert zu haben...
Warum hole ich so weit aus??
Weil dieser Roman von Koontz für mich sogar das beste darstellt, was er in den letzten Jahren geschrieben hat!
unfairerweise hab ich die Lektüre nach ca. drei Kapiteln erstmal hinten angestellt, weil ich von eintrudelnden neuen Büchern unbedingt was lesen wollte...(das waren dann ironischerweise mehr oder weniger Flops).
gestern Nachmittag wieder aufgenommen, habe ich das RACHEHERZ dann an einem Nachmittag "verschlungen" und sogar noch beendet.
Koontz schaffte es in kürzester Zeit mich an die Geschichte zu binden, der Hauptprotagonist, der mir zunächst nichmal sonderlich sympatisch rüberkam (was im nachhinein auch so sein soll/der Story geschuldet ist), durchläuft verschiedene "Entwicklungsstadien in der Geschichte, um am Ende dann tatsächlich so etwas wie "Erlösung" zu finden, Konntz webt da dann einen tollen Subtext ein...auch das gar nicht mal zu Happy Endige Finale ist in dieser Form absolut großartig.
Womit wir wieder da wären, das Koontz (wenn er dann zur Höchstform aufläuft) immer noch absolut packende Thriller schreiben kann, wovon sich viele der "hochgelobten" neuen Thrillerautoren (die einem dann mit viel Vorfreude wie eine Seifenblase platzen) noch etwas von Ihm abschauen können...
ich kann mir schon vorstellen, das die Story nicht jedem zusagt, aber 87° von der Couch sind nicht zu hoch gegriffen!
trotz meiner neueren "strengeren" Wertungen vergebe ich wirklich sehr gute 85°.
Dieses Buch ist voller Wiederholungen,unnötiger Poesie,Fachbegriffen mit denen nur Autofreaks und Botaniker etwas anfangen können,und
entlosen Beistrichsätzen. Die immer wiederkehrenden Liebserklärungen und LSDartigen Traumsequenzen machen das lesen zu einer Tortur .
Spannung kommt auf, wird aber durch das gerade Genannte , gleich wieder im Keim erstickt. Man könnte 400 Seiten besser nutzen.
Dean Koontz JA!! aber der nächste Roman wird warten müssen .
ich schrieb soeben in "Amazon" sowas wie eine kleine Beurteilung aus meiner Sicht. Die bisherigen Rezensionen waren ziemlich schlecht.
Auch ich vermisste die gewohnte Spannung und fand das Werk etwas ausufernd und langatmig, - beim Nachdenken darüber fiel mir jedoch auf, dass ich mich ebenso hab irreführen lassen wie die Hauptromanfigur: durch all dessen Ängste und Suchen nach Erklärungen und eventuellen Intrigen hat er die Frage nie gestellt, die m.E. zentral ist.
Was macht diesen Dr. Hobb so zuversichtlich? Und woher bekommt er so schnell das Spenderherz.
Der Herzkranke im Roman weiß zwar unterschwellig, dass da was nicht koscher ist, aber das bleibt bis zum Schluss eben "unterschwellig". Und ebenso erging es mir beim Lesen.
Insofern scheint es ein guter Schachzug des Autors zu sein, so viele Irrungen und ausufernde Überlegungen einzufügen. Jedenfalls empfand ich es so.