
Ein Werk, das eigene Wege geht
Michael H. Schenk - mit diesem Autorennamen verbindet der Fantasy-Freund ein ambitioniertes Projekt. Vor Jahren startete im Mira Taschenbuchverlag die Reihe um die Pferdelords, eine tolkienesque Fantasy-Saga, die sich in bislang acht Bänden zu einem eigenstänigen Zyklus voller liebevoller Details und überzeugender Kulturen gemausert hat. Um so unverständlicher daher die Entscheidung des Verlags, die auf 12 Bände projektierte Reihe nicht fortzusetzen. Des einen Leid, des anderen Freud - im Arcanum Fantasy Verlag fand Michael H. Schenk nicht nur einen Interessenten für andere Romanprojekte aus seiner Welt, sondern auch begeisterte Aufnahme der Pferdelords. Schon im Februar 2011 wird, der bisherigen Gestaltung angepasst, das neunte Abenteuer der mutigen Pferdekrieger unter dem Titel "Die Pferdelords und die Nachtläufer des Todes" erscheinen.
Vorab aber wandert Schenk auf interessanten Abwegen. Wie schon angedeutet, bleibt er seiner Welt treu, doch statt den mutigen Reitern stellt er dieses Mal die kleinen, stolzen Kerle mit ihren Bärten in den Mittelpunkt des Geschehens.
Wer nun aber meint, einen müden Heitz-Abklatsch kredenzt zu bekommen, der reibt sich verwundert die Augen. Wir kennen dies ja, unsere Zwerge graben sich voller Inbrunst durch tiefste Gebirge, legen Stollen an und schürfen Metalle. Nebst dem obligatorisch schäumenden Bier und der scharfen Axt haben es ihnen ihre zwergischen Frauen angetan, die sie buchstäblich auf Händen tragen.
Bei Schenk ist dies ein wenig anders - ein wenig ist eine Untertreibung. Hat man so etwas schon einmal gehört, Zwerge, die auf dem Meer leben, deren Städte auf gigantischen Flößen schwimmen und die in den Tiefen der Ozeane auf Metall- und Kristallsuche sind?
In zwei zunächst getrennten Handlungssträngen lernen wir auf der einen Seite unsere Meereszwerge kennen, erfahren dann aber auch von einer Gefahr, die dem Menschenreich Anram droht. Während wir zusammen mit dem Schürftaucher Varnum in seinem Tauchanzug den Meeresboden nach Erz und den so begehrten Kristallen absuchen, die die Menschen dann als Lichtspeicher für die Laserkanonen der königlichen Marine nutzen, werden Handelsschiffe Anrams überfallen und versenkt. Hinter den Überfällen und Anschlägen, die nur zu bald auch die Küstenregionen heimsuchen, stecken nicht etwa wilde Korsaren oder finstere Marodeure, sondern ein bislang unbekanntes Volk. Riesenhafte Insekten, die Sendar, sind auf Expansionskurs - sie suchen neuen Lebensraum für ihre Stämme, suchen Wissen und dringen vehement und gnadenlos in bislang friedliche Reiche vor. Vor ihren gigantischen Zangen, ihrer Masse an erbarmungslosen Kriegern, ihrem Mut und ihrer Intelligenz muss man sich in Acht nehmen - das lernen nicht nur die Seefahrer Anrams, sondern auch die Zwerge des Meeres ...
Sorgfältig ausgetüftelte Details
Michael H. Schenk spielt auch vorliegend wieder seine unbestrittene Stärke aus. In liebevoll erdachten Details, die logisch ineinander greifen, schildert er uns fremde Kulturen. Seien es die Meereszwerge, die mutig und voller Tatendrang in ihren schweren Tauchanzügen die die blaue Tiefe abtauchen, nur von ihrem Atemschlauch gehalten nach Bodenschätzen suchen, oder die chitingepanzerten Sechsfüßler, die Kulturen, deren Lebensweise ist fremdartig und durchdacht, überzeugt durch sorgfältig ausgetüftelte Details und einer glaubwürdigen soziologisch-wirtschaftlichen Grundlage.
Ähnlich wie bei den Pferdelords gibt es zwar jede Menge Abenteuer, Gefechte und Schlachten, doch stehen diese nie wirklich im Vordergrund. Sicherlich zittert man mit den tapferen Protagonisten, doch interessanter noch empfand ich die fremde Welt, die der Autor mir vor Augen führte. Die Schilderungen der Tauchgänge, die Gummischläuche und Tauchhelme, das erinnerte an Kapitän Nemo und Co, ging dann aber doch ganz eigene Wege und strahlte vor allem ein gerüttelt Maß an Authentizität aus. Dasselbe gilt für die Beschreibung des Insektenstaats der Sendar, deren andere Denk- und Lebensweise uns näher gebracht wird.
Sieht man von gehäuft auftretenden Schreibfehlern auf, die ein etwas sorgfältigeres Lektorat wünschenswert gemacht hätten, erwartet den Leser ein faszinierend anderer Roman um die schlagkräftigen Kleinen, ein Werk, das eigene Wege geht, das nicht vordergründig auf Schlachtengemetzel ausgelegt ist, sondern sich erfolgreich bemüht, uns andere, fremde Kulturen und deren Lebens- und Denkweisen nahezubringen. Schenk at his best.

Die Zwerge der Meere
- Autor: Michael H. Schenk
- Verlag: -
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Für Leser, die sich schon mit der „Pferdlords-Reihe“ beschäftigt haben, mag es ja einfach gewesen zu sein, in dieses Buch zu finden. Denn die Geschichte spielt auf der gleichen Welt (beweist eine sehr schöne Übersichtskarte am Anfang des Buches). Aber für mich als „Frischling bei den Pferdelords“ und echter Zwergenfan, war es erst einmal ein herber Schlag, meine geliebte Rasse, nicht nur auf, sondern auch noch unter Wasser zu erleben! Wenigstens ist Hr.Schenk einigen „Traditionen“ treu geblieben: Seien Zwerge sind stoisch, manchmal knurrig, stolz, aufbrausend und von tiefer Ehre beseelt. Sie schürfen und schmieden und kämpfen mit Äxten! Neu ist hingegen, dass sie tauchen, Glasbearbeiten, rudern und fischen…
Was zu Anfang aus 5 Handlungsträngen beginnt (von denen nur 1,5 von Zwergen handeln), verbindet sich sehr langsam zu einem Einzigen. Was (mich) zu Anfang verwirrte, die enormen Unterschiede der einzelnen Protagonisten, half (mir) später besser in die einzelnen Stränge zu finden.
Jedes Volk, hat eigene Geschichte, Etikette, Namen, Waffen usw. Hr.Schenk schafft es das man schon nach wenigen Sätzen weiß, von welchem Volk nun gerade die Rede ist… Sicher bleiben Fragen offen, aber die finden hoffentlich in einem Folgeband eine Erklärung?!
Wunderbar sind auch die „Wortneuschöpfungen“ (die einem eher ein Schmunzeln als ein fragenden Blick bescheren), und die neue Technik (die zum großen Teil mit wissenschaftlicher Genauigkeit eine Erklärung findet).
Nach nicht allzu langer Zeit ist man in der Geschichte fest verwurzelt und erlebt (fast schon zu viel) spannende Abenteuer mit den unterschiedlichen Protagonisten. Kurzum es macht wirklich Spaß, diese (mit Tolkinelementen versehende) Geschichte zu verfolgen, die doch Ihren ganz eigenen Charm hat. Hier noch ein kurzer Dank an „Wolfsfrau“, ohne die ich vielleicht nie zu diesem Autor gefunden hätte!
92° Micha