
Fast 900 Seiten geballtes Schlachtengemälde
Wer den Heldenzyklus von Joe Abercrombie bislang versäumt hat, der sollte sich dringend zum Buchhändler seines Vertrauens begeben und sich die voluminösen Bände anschaffen.
Warum und was ihn dann erwartet, wollen Sie wissen?
Nun, nehmen Sie eine auf den ersten Blick austauschbare archaische Fantasy-Welt und situieren Sie darin ein übliches Rollenspielszenario an. Da gibt es dann jede Menge natürlich gewiefter und starker Krieger, ein paar Magier, intrigante Politiker, wirklich fiese Männer fürs Geheime und Grobe, Helden und Gauner, Diebe und Mörder, Duellanten und Götter, und schon haben sie einen Eindruck, um was es bei Abercrombie nicht geht!
Zwar nutzt der Engländer all die oben so schön von mir aufgezählten Versatzstücke, reichert sie mit Königreichen, die sich im Aufstieg bzw. Niedergang befinden, an, nur sind seine auf den ersten Blick stereotypen Gestalten und bekannte Situationen dann eben doch ein klein wenig anders als erwartet. Das liest sich auf den ersten Blick vertraut, weicht dann aber immer mehr von den bekannten Klischees ab und beschreitet ganz neue, interessante Wege. Für niedliche Elfen und Drachen, Gnome und Trolle ist hier kein Platz. Dafür um so mehr für eine glaubwürdige Beschreibung von Gewalt, von Scharmützeln, Hinterhalten, Gefechten und Kriegen.
Vorliegend verfolgen wir weiter, wie die mehr oder minder unfähigen Truppen der Union versuchen, in dem ihnen fremden Gebiet der Nordländer gegen diese Krieg zu führen. Beleuchtet werden "nur" fünf Tage, eine, nein die entscheidende Schlacht der übermächtigen Union gegen die untereinander zerstrittenen Nordländer. Ein paar der auftretenden Figuren sind uns aus den anderen vier Bänden bereits bekannt, zu diesen gesellen sich einmal mehr mit spitzer Feder gezeichnete Unikate.
Es geht darum zu töten und den Feind zu vernichten - und dies mit jedwedem Mittel, das man eben zur Hand hat. So ist der Text nichts für zartbesaitete Gemüter, wird die Brutalität des Tötens in all seiner Schrecklichkeit dargestellt. Verbunden mit jeder Menge schwarzem Humor, Sarkasmus und dem Auge für skurrile Situationen und feige Adelige nimmt uns Abercrombie an die Hand und führt uns in die Schlacht. Dabei wird viel gelitten und geschrien, fließt literweise Blut, geht es rau und ungezügelt zu. In blitzlichtartigen Momentaufnahmen hält der Autor dabei die schonungslos dargestellte Grausamkeit des Krieges fest, fallen Sympathieträger wie Feiglinge gleichermaßen dem Zufall und der Klinge oder Keule zum Opfer. Hier wird nicht klinisch rein gezaubert, hier atmet man den Dreck und die Verzweiflung des gemeinen Fußvolks, ohne dass man Gut von Böse unterscheiden oder gar trennen könnte.
Nichts für schwache Nerven
Beherrschender Charakter dieses Bandes ist Bremer dan Gorst. Bleiben die meisten anderen Protagonisten - Abercrombie-untypisch - relativ flach, so nimmt uns das in seinen Briefen und Selbstgesprächen dokumentierte Leiden, seine Einsamkeit und unglückliche Liebe gefangen. Einst Leibwächter des Königs wurde er aufgrund seines Pflichtversäumnis - man fand ihn mit heruntergelassenen Hosen bei einer Dirne, während sein König angegriffen wurde - nicht etwa als Kämpfer, sondern als Chronist an die Front versetzt. Einst gefeierter Duellant, jetzt ein Mann, der seine Selbstachtung verloren hat, der entgegen allen Befehlen in selbstmörderischen Kämpfen seinen Tod sucht und dabei Heldentum beweist, ist er ein ambivalenter Charakter.
Anders als in den bisherigen Bänden stehen dieses Mal nicht einige Personen im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern der Autor hat seine Figurenanzahl ungleich weiter gefasst. Die vielen Erzähler tragen dazu bei, dass sich die komplizierte Schilderung der vielen zum Großteil zeitgleich ablaufenden Handlungen nicht zu verwirrend anbietet, dass der Leser immer den Eindruck hat mitten dabei zu sein. Gleichzeitig fehlt ein wirklicher roter Faden, der die bisherigen Geschehnisse fortsetzen würde.
Geboten wird das Tagebuch einer Schlacht, das in vielen Facetten festgehalten wird, wuchtig in seiner Darstellung, brutal und schonungslos, aber gleichzeitig spannend und bannend. Zwar nicht ganz so intrigant und politisch wie die ersten drei Bände, doch dafür um so mitreißender, packender und gewalttätiger - nichts für schwache Nerven eben.
(Carsten Kuhr, September 2011)

Heldenklingen (Die Klingen-Romane 5)
- Autor: Joe Abercrombie
- Verlag: Heyne
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Ein Buch, eine Schlacht, große Unterhaltung. Kritiker mögen anmerken, dass die Story nicht wirklich entwicklungsreich ist, doch bei den vielen Erzählsträngen, dem zum schreien komischen Bremer dan Gorst und dem epischen Stil stört das überhaubt nicht: 85°
Abercrombie zertrümmert alle klassischen Fantasymotive.Beispiele:Der skrupellose Magier Bayaz,der das Geldschöpfungsmonopol der Klingenwelt hat,ist geradezu eine Verhöhnung von Gandalf.Die Helden Gorst und Whirrun schlagen den klassischen Fantasyhelden in die Gesichter.
Abercrombie zeichnet ein erbarmungsloses,realistisches Menschenbild:Der MENSCH ist weder gut noch böse,sondern irgendetwas dazwischen.
Stellungnahme zum Krieg?Der Jungbauer Beck beginnt im Roman als Kriegsschwärmer und scheidet als Kriegsgegner aus;beim alten Soldaten Kropf ist die Entwicklung umgekehrt.
Reizvoll:in die Gedanken und Gefühle der Hauptfigur Bayaz bekommt der Leser nicht mehr Einblick als Die Figuren ,die direkt mit ihm zu tun haben.
Schwach;Was die Hexe Ischri eigentlich in der Handlung verloren hat,bleibt unklar.Diese Figur wird von Abercrombie denkbar lieblos behandelt.
Insgesamt:Kinder und eingefleischte Tolkienfans sollten diesen Roman nicht lesen,alle anderen Fantasyfans unbedingt.
Wie auch schon in den drei ersten Bände, erwartet den Leser hier ein Roman, der sich wohltuend vom üblichen Fantasy - Mainstream abhebt.
Abercrombie ist für mich neben G.Martin (Das Lied v. Feuer und Eis), Scott Lynch (Die Lügen des Locke Lamorra) und Richard Morgan (Glühender Stahl), einer der besten Fantasy - Autoren der Gegenwart und damit auch einer der wenigen Autoren des Genres, die ich überhaupt noch lesen mag.
Es ist erhebend, Bücher zu lesen, die sich auf solch erwachsene Art von den typischen Orksen-, Elfen-, und Zwerge Geschichten unterscheiden (Die ich mittlerweile einfach satt habe). Mir gefällt auch, das es sich bei den Büchern nicht wieder um irgendeinen dubiosen Zyklus handelt, sondern diese Bücher - bis auf die ersten drei, für sich alleine stehen. Ich bin gespannt auf "Red Country". Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal das abartige, extremst unpassende und hässliche Buchcover kritisieren. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man soetwas (neben den völlig dämlichen und unpassenden Buchtiteln), so dermaßen vermurksen kann.
Also ich sehe es so:
Joe Abercrombie ist ein sehr guter Schriftsteller und seine Geschichten sind einfach toll! Dramatisch, brutal, an manchen Stellen witzig, spannend, aufregend!
Alle Figuren in seinen Büchern haben einen besonderen Charakter. Sie werden sehr gut beschrieben. Man spürt einfach das, was die Charaktere in den Büchern fühlen. Ob Wut, Trauer oder Freude.
Ich muss aber leider zugeben, dass an manchen Stellen zu viel beschrieben wird! Manchmal kommt es wie eine Ewigkeit vor, bis man die Beschreibung eines Ortes durch hat. Es wird so viel beschrieben, dass es mir so manchmal vor kam als ob er jeden kleinen Stein beschreiben würde! :D Ich glaub, das Wort "beschreiben" hab ich noch nie so oft in so kurzer Zeit verwenden müssen!
Aber wie schon geschrieben. Er ist ein toller Schriftsteller und ich lese seine Bücher einfach gern!
Aber jeder hat natürlich seine eigene Meinung!
Könnte der Autor noch erklären, wieso, bei all der recht positiven Kritik das Buch von ihm dann "nur" 70 erreicht? Ich kann das aus der vorliegenden Kritik nicht nachvollziehen.
Kritik an der Kritik beseite: Abercrombie steht eh mit seinen bisherigen vier und nun dem 5. Teil über dem Durchschnittsgeschreibsel grausliger hochgelobter Fantasyversuchler.