
Victorianische Romance-Fantasy von der Stange
Seit Jahrtausenden wachen sie, die sich selbst Schattenwächter nennen, über die Welt. Unsterblich sind sie, und doch allein in ihrem Kampf gegen das Böse, das sich aufmacht, mittels Gewaltverbrechen den eigenen Tod zu besiegen. An materiellen Gütern mangelt es ihnen nicht, und doch sind sie arm, denn eine Verbindung zu den Menschen, Mitleid oder gar Liebe sind ihnen verboten. Ihre einzige Aufgabe, der sie alles Andere unterordnen besteht darin, die Dämonen in den Tartarus zu werfen. Und darin sind die gut, sehr sehr gut - bis sie auf einen neuen Gegner treffen.
Lord Black ist einer, nein der Erfahrenste und Versierteste der Schattenwächter. Vor Jahren hatte er mit einem jungen Mädchen, das von einem Dämon als Geisel genommen wurde, Mitleid und heilte sie von ihren sonst tödlichen Verletzungen. Während Black anschließend in der Welt unterwegs war, den Dämonen die Stirn zu bieten, wuchs Elena im London des 19. Jahrhunderts als sein Mündel heran. Statt sich aber auf Bällen zu vergnügen, ihre Tanzkarten zu füllen und sich einen Gatten zu angeln, verdingt die junge Dame sich als Krankenschwester in einem der kostenlosen Hospitäler für Arme, ja will studieren und Ärztin werden.
Dass junge Frauen bestialisch ermordet und zerstückelt werden, nährt nicht nur die Furcht vor dem Ripper, sondern bringt auch Lord Black wieder in die Themsemetropole zurück. Gegen seinen Willen von der emanzipierten, eigenwilligen Elena fasziniert, macht er sich auf, den Ripper zu jagen - der ihn dort zu treffen versucht, wo er verletzlich ist - in seiner Zuneigung für Elena ...
Viel Bekanntes, bunt gemischt macht noch keinen Bestseller
Die victorianischen Romance-Fantasy-Romane sind en vogue. Quer durch alle Verlage wird die Nachfrage nach entsprechendem Lesefutter mehr oder minder überzeugend gestillt. Vorliegender Roman, einmal mehr der Auftakt einer neuen Reihe und zudem ein Erstlingswerk, reiht sich daher in eine wahre Phalanx von Titeln ein.
Inhaltlich bleibt die Autorin dabei dem Gewohnten verpflichtet. Es gibt die umwerfend charismatischen, wohlgestalteten Krieger mit übernatürlichen Gaben, die "Jungfrau in Not" und einen finsteren Plan der bösen Mächte, der unseren Helden an seine Grenzen führt.
Dass einmal mehr die Ripper-Morde als Kulisse und Bestandteil der Handlung herhalten müssen, ist vorliegend eher als Nachteil zu werten, als dass die Autorin daraus sonderlich Faszination zieht. Immer wieder blitzt im Text zwar ein wenig Tempo, Spannung und Faszination auf, letztlich aber entwickelt sich der Plot nicht stringent genug, bieten sich die Charaktere zu stereotyp dar. Kaum einmal überrascht die Handlung den Leser mit so nicht vorhersehbaren Entwicklungen, ich hatte bei der Lektüre immer den Eindruck, das Buch bereits einmal in einer etwas abgewandelten Form gelesen zu haben. Nun lese ich auch sehr viel derartige Romane, doch die fehlende Eigenständigkeit ist augenfällig.
Insgesamt gesehen eher nichtssagende Dutzendware ohne Tiefgang, Überraschungsmomente oder faszinierende Gestalten.
(Carsten Kuhr, November 2012)

Wenn die Nacht beginnt
- Autor: Kim Lenox
- Verlag: -
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London 1888: Elena Whitney hatte einen Unfall, bei dem sie ihr Gedächtnis verloren hat. Sie lebt nun bei ihrem Vormund, Lord Black, den sie allerdings noch nie gesehen hat, da er sich im Ausland aufhält. Sie arbeitet als Krankenschwester in einem Armenkrankenhaus und ihr größter Wunsch ist es, einmal Ärztin zu werden.
Archer ist ein Schattenwächter, ein Unsterblicher, der Menschen jagt, deren Seelen verdorben sind. 1888 ist er in London unterwegs, er jagt Jack the Ripper. Und dieser ist hinter Elena her.
Kim Lenox hat hier ein Buch vorgelegt, das eine Mischung aus historischem und Fantasy-Roman ist. Ich finde, das ist ihr gut gelungen. Das viktorianische London, einerseits mit seinem gehobenen Bürgertum, das Dienstpersonal hat und Bälle gibt, andererseits die armen Bevölkerungsschichten, Frauen, die sich prostituieren müssen und Männer, die Arbeit leisten müssen, die gefährlich ist und oft Verletzte und sogar Tote fordert, ist gut gelungen. Sogar die Queen hat ihren Auftritt, was mich überraschte und mir sehr gefiel.
Die Charaktere sind alle gelungen, Elena, die sich ein Leben abseits dessen wünscht, was ihr Stand ihr vorschreibt, ist sympathisch und bietet Identifikationsmöglichkeiten. Archer, der trotz seiner Unsterblichkeit Gefühle hat und vor allem die beiden anderen Seelenwächter, Mark und Selene, die Persönlichkeiten mit einer interessanten Geschichte und teilweise skurrilen Eigenarten sind.
Weniger gefallen hat mir die oft sehr ins kitschige abgleitenden Gefühlsszenen. Aber: Sie passen gut in diese Zeit, sind so schwülstig wie die viktorianische Zeit eben auch war – und deshalb kann ich sie gut akzeptieren und sie stören mich kaum. Abgesehen davon nämlich ist die Geschichte sehr spannend und es fiel mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen.
Da es sich hier um den Beginn einer Trilogie handelt (das Buch hätte allerdings auch als Einzelband funktioniert), kann man sich schon auf weitere Shadow Guard-Abenteuer freuen. Der nächste Band wird Mark im Zentrum haben und soll im April 2013 auf Deutsch erscheinen. Der dritte Band wird von Selene handeln. Ich freue mich schon auf beide Bücher.