Alexander Blok: Die Zwölf

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Alexander Blok: Die Zwölf

Blok/Münzner-Die Zwölf

DIE ZWÖLF

Schwärze: Abend.
Weiß: Schnee fällt.
Wind und Wind!
Keiner der sich aufrecht hält.
Wind und Wind
Über Gottes weite Welt!

Windsbraut streut
Flockenweiß.
Drunter: Eis.
Gleiten, Fallen: so gehts allen.
Arme Leut!

Eine Schnur, die man spannte.
Dran ein Plakat:
„Alle Macht der Konstituante!“
Kommt ein Mütterchen, das weint,
Weiß nicht, was das alles meint:
Solche Stoffverschwendung
Ausgerechnet jetzt!
Wüßt da bessere Verwendung.
Barfuß ist man und zerfetzt…

Mütterchen, mußt durch den Schnee –
Irgendwie wird es schon gehn.
– Maria-Fürsprech, blick herab!
– Die Bolschewiken bringen mich ins Grab!

 

 

Sturmgesang und Maskenspiel

Nie in der Geschichte hat sich ähnliches zugetragen. Auf der einen Seite eine Handvoll Arbeiter und gewöhnliche Soldaten im Besitz der Waffen, die siegreiche Revolution repräsentierend – und dabei in vollster Armseligkeit; auf der anderen Seite ein wütender Haufe von Leuten, wie sie um die Mittagszeit die Bürgersteige der Fünften Avenue zu bevölkern pflegen, spöttelnd, schimpfend, schreiend: „Verräter, Provokateure!“
John Reed: „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“

Denn ich sage euch: Es muß noch das auch vollendet werden an mir, das geschrieben stehet: „Er ist unter die Übeltäter gerechnet.“ Denn was von mir geschrieben ist, das hat ein Ende.
Lukas 22,37

I
Alexander Blok sprach von seinen Zwölf nur mit größter Vorsicht. Selbst ihm, der mit Tod und Teufeln unerschrocken umgegangen war, war das Gedicht nicht ganz geheuer. „Erdgeist“ nannte er die körperliche Erregung des Januars und Februars 1918 – nach dem „Geist der Erde“, den Faust in seiner Erkenntnisnot um Hilfe anfleht, aber nicht erträgt. Am 29. Januar 1918, als Blok das Gedicht abschloß, heißt es im Notizbuch:

Ich verstehe Faust. „Knurre nicht, Pudel!“

Bei Goethe folgt:

Zu den heiligen Tönen,
Die jetzt meine ganze Seel umfassen,
Will der tierische Laut nicht passen.

Mephistopheles ist schon im Zimmer.
Die ausführlichste Äußerung zu den Zwölf, eine Niederschrift vom 1. April 1920, in der Blok biographische Voraussetzungen, Bauart und mögliche Wirkung des Gedichts bedenkt, zeigt diese Vorsicht als Skepsis des Apokalyptikers gegenüber dem „Tropfen Politik“ in den Versen:

… das letzte Mal ergab ich mich im Januar 1918 den Elementen nicht weniger blind als im Januar 1907 oder im März 1914. Ich widerrufe das damals Geschriebene deshalb nicht, weil es in Übereinstimmung mit den Elementen entstand: So vernahm ich zum Beispiel während und nach der Arbeit an den Zwölf mehrere Tage lang körperlich, mit dem Gehör ein großes Krachen um mich herum – ein anhaltendes Krachen (wahrscheinlich das Krachen vom Zusammenbruch der alten Welt). Daher muß, wer in den Zwölf politische Verse sieht, entweder sehr blind für Kunst sein oder bis an den Hals im politischen Dreck stecken oder von großer Bosheit befallen sein – gleichgültig, ob er ein Feind oder ein Freund meines Poems ist.
Es wäre allerdings auch nicht wahr, jegliche Beziehung der
Zwölf zur Politik zu leugnen. Wahr ist, daß das Poem in jener außerordentlichen und immer kurzen Zeit geschrieben wurde, da der revolutionäre Zyklon einen Sturm auf allen Meeren erzeugt – auf dem Meer der Natur, auf dem Meer des Lebens und auf dem Meer der Kunst; auf dem Meer des menschlichen Lebens gibt es auch eine kleine Bucht von der Art der Marquis-Pfütze, die heißt Politik, und in diesem Wasserglas gab es auch Sturm – leicht gesagt: man sprach vom Ende der Diplomatie, von einer neuen Justiz, von der Beendigung des Krieges, der schon vier Jahre dauerte! – Die Meere der Natur, des Lebens und der Kunst schäumten auf, Wasserspritzer standen als Regenbogen darüber. Ich sah den Regenbogen, als ich die Zwölf schrieb; daher der Tropfen Politik. Wir werden sehen, was die Zeit damit macht. Vielleicht ist alle Politik so schmutzig, daß ein Tropfen alles trübt und verdirbt; vielleicht tötet sie den Sinn des Poems nicht ganz; vielleicht schließlich – wer weiß! – ist sie die Hefe, wegen der man die Zwölf irgendwann in nicht mehr unseren Zeiten lesen wird. Ich selber kann darüber nur voller Ironie sprechen; doch – maßen wir uns jetzt kein endgültiges Urteil an.

Der Tropfen Politik: Das Losungszitat? Die schimpfende Alte, die das Transparent in Fußlappen umrechnet? Der verdrossene Pope? Die Huren, die ihr Geschäft demokratisieren? Die Rote Garde? Bedenkt man, daß Blok unter Politik den Krämerstil des russischen Liberalismus, die Realpolitik, verstand, so sind diese robusten Eindeutigkeiten für ihn das Gegenteil davon. Den russischen Bolschewismus hielt er eine kurze Zeit für etwas viel Größeres als eine politische Partei, nämlich für einen Teil jener „Weltrevolution“, deren erste Seiten schon Catilina, der „römische Bolschewik“ geschrieben habe und die sich in jüngster Zeit für ihn mit den Namen Michail Bakunin, Richard Wagner, August Strindberg und Wladimir Solowjow verband. Nein: Irgend etwas mußte ihm nicht geraten sein an dem Gedicht, daß er so lange dabei verweilte.
Vieles spricht dafür, daß es der Schluß ist. Christus erscheint als ebenso unangreifbar vom Sturm, als ebenso unverwundbar wie die Zwölfer-Patrouille. Der Hund, der die Zwölf von Anbeginn verfolgt (Fausts Pudel?), wird auf seinen Platz verwiesen. Doch Blok war das „Weibliche“ der Christus-Erscheinung nicht recht. „Nicht daß die Rotgardisten Jesu, der jetzt mit ihnen geht, unwürdig wären, aber daß gerade ER mit ihnen geht, wo doch der ANDERE mit ihnen gehen müßte.“ Wer sollte das sein?
Folgt man Bloks Bericht über seine Hingabe an die Elemente, so muß ihm das ausgesprochen Wertende des Schlußteils ein Ärgernis geblieben sein. An diesen Schluß klammerten sich die Deutungen. Jesus Christus (mit oder unter der Fahne oder als Fahne) geht den Revolutionären voran: Preislied? Lästerung? Blok war dieses Rätseln tief verhaßt. „Ich habe nur eine Tatsache konstatiert: wenn man auf diesem Weg in die Säulen des Schneesturms blickt, sieht man ,Jesus Christus‘.“ Wertung konnte nur aus dem Ganzen kommen, nicht aus einem Teil, einem Motiv.
Was Blok vorschwebte, zeigt sein Brief an Juri Annenkow vom 12. August 1918, der als erster Zeichnungen zu den Zwölf anfertigte. Blok schrieb:

Zu Christus: So ist er ganz und gar nicht: ein Kleiner, gekrümmt wie der Hund hinter ihm, trägt brav die Fahne und geht fort. ,Christus mit der Fahne‘ – das ,stimmt und stimmt nicht‘. Wissen Sie, daß (bei mir das ganze Leben hindurch), wenn eine Fahne im Wind schlägt (hinter Regen oder hinter Schnee und vor allem – hinter nächtlicher Dunkelheit), ich mir dann unter ihr einen Gewaltigen denke, welcher eine bestimmte Beziehung zu ihr hat (er hält sie nicht, er trägt sie nicht, wie – das kann ich eben nicht sagen). Das ist überhaupt das Schwerste, man kann das nur finden, aber ich bin nicht imstande, es zu sagen, wie ich es vielleicht am allerschlechtesten eben in den Zwölf zu sagen vermochte…
Wenn es aus der linken oberen Ecke der ,Ermordung Katjkas‘ herwehte wie dichter Schnee und dort hindurch – Christus erkennbar, das wäre ein getroffenes Titelbild.

Bloks Verleger Samuil Aljanski, der die Zwölf nach der Zeitungsveröffentlichung mit Annenkows Zeichnungen herausbrachte, schrieb am gleichen Tag auf, Blok habe sich die Zwölf und Christus hinter diesem Gewaltigen, einem „größer werdenden Lichtfleck“, vorgestellt.
Der politische Liberalismus, die „Marquis-Pfütze“ (wie der Finnische Meerbusen ironisch nach dem Seefahrtsminister Alexander 1., Marquis de Travers genannt wurde) hatte damit tatsächlich nichts zu tun. Um so mehr die Ausbrüche von 1907 und 1914, die mit der Leidenschaft für die Schauspielerin Natalja Wolochowa und die Sängerin Ljubow Delmas die Gedichte der Bücher Schneemaske und Carmen hervorbrachten. Um so mehr mit dem „rettenden Gift der schöpferischen Widersprüche“, mit dem „Gift der Haßliebe“, wie Blok wenige Wochen nach den Zwölf in seinem Wagner-Aufsatz „Kunst und Revolution“ „jenes ,Neue‘, dem die Zukunft gehört“, beschrieb.
Die mörderischen Leidenschaften des Gedichts von 1918 erweisen sich als das Problem, nicht als Episode der Zwölf. Den Konflikt von Leidenschaft und Macht wertet Blok durch die Bauart seines Gedichts entschieden als geschichtliche Legitimation der Zwölf: Aufbegehren, Zorn gegen die „schreckliche Welt“, schöpferisch noch in der Verkehrung. In Bloks Sicht nimmt Christus dem Mörder Petrucha nicht die Schuld ab, sondern ist eins mit den Zwölf, deren einer der Mörder ist.
Blok schließt hier strukturell wie ideengeschichtlich an Puschkins „Ehernen Reiter“ an: Der Imperator Peter jagt im Bunde mit den Elementen, den über die Ufer der Newa getretenen Wassern, den kleinen Beamten Jewgeni, der seine Frau verloren hat und Peter fast zu drohen wagt, in den Wahnsinn. Die Stadt, den Sümpfen abgetrotzt, wird ihren Bewohnern zum Verhängnis. Was Puschkin zu leisten aufgab, war nicht weniger als die Vereinigung von Peter und Jewgeni, Macht und Menschlichkeit. Blok wußte, daß dieses „Peter und Jewgeni in eins“ den Konflikt bis ins Unsagbare kompliziert: Petrucha, unser neuer Jewgeni, tötet Katjka, seine Geliebte, selber und darf – noch lauert der Feind – sich seinem Schmerz nicht überlassen. Den „Weltbrand im Blut“ ziehen die Zwölf wie einst der gespensternde Peter weiter, Petrucha ist einer von ihnen.
Der „Andere“, den Blok vor seinen Zwölf vermißte, hatte zweifellos diesem Konzept entsprechen sollen, und es gibt Hinweise, wie Blok ihn sich vorstellte. Einen Tag vor der ersten Notiz zu den Zwölf schrieb er einen Plan für ein Jesus-Drama auf. In der Charakterisierung seines Jesus – „nicht Mann, nicht Frau“ – nahm Blok ein altes Bild auf, das er in dem Aufsatz zu August Strindbergs Tod 1912 entworfen hatte: Es sei Zeit für eine neue „Geschlechterauslese“, in der das männliche „Prinzip“ und das weibliche „Prinzip“ harmonischer als bisher verteilt seien. Strindberg sei eine der gelungensten „Proben“ dieser neuen Zusammensetzung gewesen und habe für die Überwindung eines Zustands gearbeitet, den Blok so beschrieb:

Wenn das Männliche zum Männchenhaften wird, entartet Zorn zu Bosheit; wenn das Weibliche zum Weibchenhaften wird, verwandelt sich Güte in Empfindsamkeit.

Bloks „neuer Mensch“, als der sich der erhoffte „Andere“ erweist, ist – mit deutlicher Parallele zu dieser Strindberg-Metapher wie zu der Zwölf-Notiz – in einem Heine-Aufsatz von 1919 angedeutet, der Strindberg neben Wagner, Ibsen und Dostojewski auch direkt nennt:

Der Mensch – ein Tier, der Mensch – eine Pflanze, eine Blume. Züge einer unerhörten, wie unmenschlichen, animalischen Grausamkeit; Züge einer ursprünglichen, genauso unmenschlichen, vegetativen Zärtlichkeit. All das – Gesichte, Masken, das Flirren unzähliger Gesichte; dieses Flirren bedeutet, daß der ganze Mensch in Bewegung gekommen ist, sein Geist, seine Seele, sein Körper ganz erfaßt sind von Wirbelbewegungen; in diesem Wirbel der politischen und sozialen Revolutionen, die kosmische Entsprechungen haben, entsteht der neue Mensch…

II
Bloks Vorsicht bezog sich anderseits auf den merkwürdigen Gegensatz von Material und Bauart seines Gedichts. Das Elementare, der „Sturm auf allen Meeren“, ist kunstvoll inszeniert. Der Sturmgesang wendet sich ins Maskenspiel. Das Mysterium findet auf dem Volksbilderbogen statt. Bezeichnend, daß Blok 1918 seine Frau, die Schauspielerin Ljubow Dmitrijewna Mendelejewa, in einem Petrograder Miniaturtheater mit dem Coupletsänger M.N. Sawojarow bekannt machte, um ihr zu zeigen, wie die Zwölf gelesen werden müßten.
B. Gasparow und Juri Lotman haben 1975 darauf hingewiesen, daß der Tag der einzigen Sitzung der Konstituierenden Versammlung, der 5. Januar 1918 (alten Stils), den die Plakate als den Tag (oder einen Tag) der Vorgänge im Gedicht nennen, noch in die Weihnachtswoche fiel. Die Zwölfer-Patrouille könnte also ein Weihnachtsumzug sein, um den sich Maskierte, Puppenspieler, Guckkästner und Leierkastenmann scharen. Auch das Christus-Motiv lasse sich so konkreter fassen: ein Bilderbogen-Christus mit einem Kranz aus weißen Papierrosen. Weiter sei denkbar, daß der Eifersuchtsmord Elemente des Stummfilms verarbeite.
Die Zwölf wären dann: der triviale „Kriminalroman“, tragisch groß begriffen in Dostojewskis Tradition als ein Aufbegehren kindlicher Unmittelbarkeit gegen die Zwänge sozialer Ungleichheit – freilich nicht ohne den „ewigen Beigeschmack von Posse“, die Blok in einer Notiz vom 4. August 1917 an tragischen Vorgängen vermerkt.
Das Verhältnis von „Sturm“ und „Spiel“ in Bloks Zwölf hat aber noch einen weiteren Bezug, der über die literarische Quelle einen geschichtlichen Anschluß vermittelt: Thomas Carlyles Metaphorik in seiner Geschichte der Französischen Revolution (1834/35). Blok las das Buch 1911 in der russischen Ausgabe von 1907 und nannte es „genial“. In dem am 9. Januar 1918, also zu Beginn der Arbeit an den Zwölf geschriebenen Aufsatz „Intelligenz und Revolution“ zitierte Blok aus Carlyles Satz über die Geburt der amerikanischen Demokratie:

Die Demokratie ist geboren und kämpft sturmumgürtet um Leben und Sieg.

Jefim Etkind hat in seiner Studie über die Zwölf 1972 erklärt, daß der „Gürtel der Stürme“, von dem Blok in einer Abwandlung des Carlyletexts 1919 sprach, wie eine Beschreibung des Kompositionsprinzips des Gedichts wirke: die konzentrische Bauweise, in der sich jeweils das 1. und 12., das 2. und 11. usw. Kapitel aufeinanderbezögen, zeige die ersten und die letzten drei Kapitel als den „Sturm-Gürtel“ des Gedichts.
Carlyle beherrscht freilich in einem viel umfassenderen Sinn Bloks Zwölf. Von den „rasenden Tornados von Fatalismus, blind wie Winde“ bis zu den Straßen, die einem „lebendigen, schäumenden, sturmgepeitschten Meer“ glichen, wird „Sturm“ mit unerschöpflicher Phantasie abgewandelt. Carlyle stützte sich selber auf Älteres. Zeitgenossen der Französischen Revolution berichteten über das „Fest der Vernunft“, auf dem sie „tanzten im sausenden Wirbel, wie jene Staubwirbel, die Sturm und Zerstörung vorangehen“. Carlyle zitiert das Buch Hiob:

Und siehe, da kam ein großer Wind von der Wüste her, und stieß auf die vier Ecken des Hauses… (1,19).

Wind als Vorbote, Dirigent, Vollstrecker.
Wichtig wurde für Blok Carlyles eigenartige Theater-Sicht auf die Revolution. Wie matt und unerquicklich, ruft Carlyle im Kapitel „Menschheit“ aus, blieben doch alle vorbedachten Szenen gegen die Ausbrüche der Natur. Das erste nationale Bundesfest, das am 19. Juni 1790 stattfand, schildert er ironisch als höchsten Triumph, den die Thespische Kunst bisher gefeiert habe – ein fragwürdiger „Mummenschanz der Nation“. Wie anders dagegen die „Krone aller Phänomene unserer neuesten Zeit“ – der Sansculottismus. Man lese Carlyles hochtheatralisierte und zugleich naiv bilderbogenhafte Schilderung vom Auftauchen dieses „transzendentalen Phänomens“, um Bloks Wertung des Marschs der Zwölf wiederzusehen:

… als es keine Wirklichkeit mehr, sondern nur Trugbilder des Wirklichen gab, als Gottes Welt vornehmlich das Werk von Schneidern und Dekorateuren und die Menschen steifleinene Masken zu sein schienen, die kopfnickend und fratzenschneidend darauf umhergingen – da tut sich plötzlich die Erde gähnend auf, und im Höllenrauch und Feuerschein hervorlodernder Höllenflammen steigt der Sansculottismus tausendköpfig, feueratmend empor und fragt: „Was denkt ihr von mir?“

Nicht daß Blok es von Carlyle hätte leihen müssen. Spiel im Sinne der Kunst als Spiel auf Leben und Tod hatte er viele Male getrieben. Geradezu skandalös im lyrischen Drama Die Schaubude (1906), als er das „letzte Abendmahl“ zu einer „grausamen Harlekinade“ machte. Doch nun galt es die Revolution. Bloks kunstvolles Spiel vom „Sturm auf allen Meeren“ in den Zwölf erwies sich für ihn als die einzige Möglichkeit, der Erfahrung des „Gewaltigen“ Herr zu werden, das „anhaltende Krachen“ zu überleben. Am 9. April 1918 erwähnt Blok in einem Brief an Andrej Bely den Kräfteverfall nach dem Erscheinen des „Erdgeists“, von dem er sich nun zu erholen glaube. Bely, mit dem Blok seit 1903 eine mehrmals in erbitterte Feindschaft umschlagende Freundschaft verband, hatte Blok davor gewarnt, „all zu andere Noten zu wählen“. Blok wehrte ab, es gebe keinen Grund zum Erschrecken.
In Wirklichkeit hat sich Blok von diesem Januar 1918 nie wieder erholt. Die vielen Funktionen, der Verwaltungsalltag in der Theaterbehörde (den er akkurat, manchmal mit Hingabe durchstand), Gutachten, Reden, Auftritte, der Ärger mit Umzug und Steuern, die Jagd nach Stearinkerzen – alles wäre zu ertragen gewesen, wenn ihm nicht immer mehr klargeworden wäre, daß er seinen poetischen Angriffspunkt verloren hatte. Seine Ämter waren nicht nur Broterwerb, sie waren Ausflucht: Nicht weil er überlastet war, dichtete er nicht mehr, er überlastete sich, weil er nicht mehr dichten konnte, weil er „ertaubt“ war, weil die „Musik der Revolution“ nicht mehr zu hören war. Mit den Zwölf war alles gesagt. Blok war außerstande, sich selbst einzuholen. Die Reden und Aufsätze über Catilina, den Zusammenbruch des Humanismus, über Wladimir Solowjow und die Bestimmung des Dichters waren Rückannäherungen an das Gedicht.
Larissa Reißner bemühte sich 1919, Blok für die Partei der Bolschewiki zu gewinnen; es gab Gespräche, man ritt zusammen aus. Aber der Versuch mußte scheitern. Die Bolschewiki waren durchaus eine politische Partei mit einer Strategie und einer Taktik, und die politische Ökonomie, die nach Bloks Worten das „hohe, kalte und zornige Wissen um die soziale Ungleichheit“ erniedrige, wurde betätigt als die Wissenschaft von der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse. Die Neue Ökonomische Politik brachte Blok endgültig aus dem Gleichgewicht. Er spürte, wie aus allen Ritzen das alte Leben mit Caféhausmusik und Krämergeschäftigkeit wieder hervorkroch. Diese elenden Feiglinge, denen er 1918 hatte das Haus bewachen müssen, sollten wieder das große Wort führen?! Im April 1921 wurde die sich steigernde Ermüdung zur akuten Krankheit. Nervenzerrüttung, Skorbut, Herzklappenentzündung lautete die Diagnose. Gegen eine Kur im Ausland sträubte sich Blok hartnäckig. Als er schließlich einwilligte, nach Finnland zu gehen, kam die Genehmigung für seine Frau zu spät. Einundvierzigjährig starb Alexander Blok am 7. August 1921.

III
Das Artifizielle dieses Sturmgesangs macht einem Nachdichter schwer zu schaffen. Er hat es zwar im einzelnen mit „einfachen“ Gattungen zu tun: Soldatentschastuschka, Abschiedsklagelied, Romanze, Marschzitat, Losungsformel. Das alles aber in Bloks Mystik des Alltags, der geheimnisvollen Erhöhung des Trivialen. Die robusten Eindeutigkeiten im vieldeutigen Spiel der Poesie. Die Zwölf sind immer die Zwölfer-Patrouille und die jünger und (nach einer Randnotiz Bloks zum zehnten der zwölf Kapitel) auch die zwölf Räuber nach Nikolai Nekrassows Moritat „Von den beiden großen Sündern“ in „Wer lebt glücklich in Rußland?“.
Der „Hund“ ist der „Pudel“, der „Hungerhund“ und der herrenlose Köter am Ende des Weihnachtsumzugs. Jesus ist das himmlische „Licht“ Emanuel Swedenborgs, der Mann hinter der Fahne und der Bilderbogen-Christus.
Von den elf bisher erschienenen deutschen Nachdichtungen sind zwei bedeutend. Die Wolfgang E. Groegers von 1921, die 1970 in der Chronik in Vers und Plakat „Links! Links! Links!“ neu gedruckt wurde. Und die Paul Celans von 1958, die hier nach seinen ebenfalls im Reclam-Verlag gedruckten Jessenin- und Mandelstam-Nachdichtungen zum erstenmal in der DDR erscheint.
Wie dieses „Erdgeist“-Gedicht übersetzen? Groeger folgte dem Original mit großer Wörtlichkeit. Für manche Stellen sind bis heute keine treffenderen Entsprechungen gefunden worden. Celan entfernt sich stärker vom Original, was im einzelnen zu Sinnverschiebungen führt, gewinnt aber durch die Reproduktion des rhythmischen Wechsels, der Sprach- und Versstruktur eine deutsche Entsprechung für das Ganze. Zwei Beispiele. Im dritten Kapitel wird der im politischen Vokabular der Zeit verbreitete „Weltbrand“ aufgenommen.

Fachen an den Weltbrand, Würger
Dieser Welt der lieben Bürger,
Weltbrand in Gehirn und Blut.
Herrgott, segne unsre Wut!

Wolfgang E. Groeger

Allerorten, allerwegen
Wolln, Burschui, wir Brände legen.
Das Blut soll kochen und sich regen
Herr im Himmel, gib den Segen!

Paul Celan

Das zehnte (und abgewandelt das elfte) Kapitel beschließt der an die „Warschawjanka“ erinnernde Vers:

Wperjod, wperjod, wperjod,
rabotschi narod!

Vorwärts! Vorwärts zur Tat!
Proletariat!

Wolfgang E. Groeger:

Volk der Arbeit, bleib nicht stehn.
Weiter mußt du, weitergehn!

Paul Celan:

In beiden Fällen sind Celans Fassungen unverbindlich, abschwächend, berauben den Text der Konkretheit. Auch vom Schneesturm im revolutionären Petrograd bleibt mehr die Welt im Schnee, wie wir sie aus Celans Gedicht „Heimkehr“ (1959) kennen.

Schneefall, dichter und dichter,
taubenfarben, wie gestern,
Schneefall, als schliefst du auch jetzt noch.
Weithin gelagertes Weiß,
Drüberhin, endlos,
die Schlittenspur des Verlornen.

Darunter, geborgen,
stülpt sich empor,
was den Augen so weh tut,
Hügel um Hügel,
unsichtbar.

Auf jedem,
heimgeholt – ein Heute,
ein ins Stumme entglittenes Ich:
hölzern, ein Pflock,

Dort: ein Gefühl,
vom Eiswind herübergeweht,
das sein tauben-, sein schnee-
farbenes Fahnentuch festmacht,

Vorbereitung auf Blok, Echo auf Blok. Gewinn und Verlust in Celans Zwölf-Text bedingen einander. Niemand außer ihm hat diese „monumentale Tschastuschka“, wie Ossip Mandelstam das Gedicht nannte, mit auch nur annähernder rhythmischer Virtuosität ins Deutsche gebracht.
Celans Text im Ohr wird man die Faszination verstehen, die von dem Sturmgesang und Maskenspiel nach Juri Annenkow auf die Russen Wassili Masjutin, Michail Larionow, Natalja Gontscharowa, Andrej Gontscharow und Nikolai Dmitrewski ausging und nun – unseres Wissens zum erstenmal – auch auf einen Deutschen.
Celans Text im Ohr versteht auch der deutsche Leser, daß Bloks Bedenken von 1920 nicht enden werden. Die Bedenken des Dichters, der fürchten muß, sein Bild von der Zeit könnte zu klein geraten sein. Die „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ – gingen sie nicht einzig und allein mit dem allergrößten zusammen, was die Menschheit bisher erlebt hatte?
Es ist das „rettende Gift der schöpferischen Widersprüche“ zwischen dem Bericht des Chronisten John Reed und des Evangelisten Lucas, das Bloks nachsymbolistischen Epochenvergleich in unseren Zeiten zu lesen zwingt.

Fritz Mierau, Nachwort, Januar 1976

 

Die Zwölf von Alexander Block

Die Zwölf von Alexander Block nehmen einen einzigartigen historischen Standort ein. Wir könnten uns jedes beliebige große literarische Werk vornehmen, das die Merkmale grandioser Epochen vereint oder erstmals aufweist – bei keinem ist die Bedeutung aus der literarischen Kategorie so in die gesellschaftliche hinübergewachsen.
Das Poem Die Zwölf entstand am Grenzabschnitt zweier Epochen, als in einem Land der Kapitalismus mit Gedröhn zu Fall kam und mit Gedröhn der Sozialismus entstand – im vernichtenden Wirbel der großen russischen Revolution.
Jedoch ist dieser Zeitpunkt – so reich an Geschehnissen und Aufregungen – nicht das einzige Moment, das zur Größe und Einmaligkeit des Poems beitrug. Die Zwölf sind auch dort ein bedeutsames Werk, wo dies nicht unmittelbar verbildlicht wird, sondern wo es klingt wie das entfernte Echo eines Untertons.

Die Entwicklung der vorrevolutionären russischen Literatur ist nicht so eindeutig zu den unwiderruflichen Ereignissen des Jahres siebzehn gelangt wie die russische gesellschaftliche Entwicklung. Für den europäischen Westen, der Rußland nur über die Literatur kannte, waren die Ereignisse der Revolution von 1917 ebenso überraschend und voller Unbegreiflichkeiten wie zwölf Jahre zuvor das revolutionäre Geschehen des Jahres 1905. Damals hatte Maxim Gorki, Europa zugewandt, Geist und Tendenz der russischen Literatur getadelt und durch die Konfrontation der revolutionären Wirklichkeit des Jahres fünf mit der Atmosphäre in der damaligen Literatur Europa Anlaß zur Überraschung und zum Unverständnis geboten, aber auch zum Korrigieren des Vertrauens in die russische Literatur.
Jedoch auch das weitere Ergebnis, das die lebenswichtige Bedeutung des literarischen Beitrags in der Zeit zwischen den beiden russischen Revolutionen bilanziert, befriedigte Gorki nicht. Bei der Bewertung des Gestaltungspotentials im russischen Literaturschaffen hielt Gorki sogar den Klassikern vor, daß sie allzusehr Moskauer waren und das gesamtrussische Leben nur selten und wenig kannten und wahrnahmen. In der Tat: Der gewaltige und vielfältige Reichtum des russischen Lebens führte im vorrevolutionären literarischen Schaffen zu keiner großartigen Gestaltung, selbst die Spuren eines entfernteren Abglanzes der weitreichenden Veränderungen des russischen Lebens und Denkens erscheinen in der russischen Literatur nur als Ausnahmen.
Erst im Jahre 1910 kam es zur futuristischen Revolution, zum Aufstand gegen Geist und literarische Formen des tonangebenden literarischen Symbolismus. Jedoch war die erste Welle des Futurismus nahezu ausschließlich eine literarische Revolution. Das, was Gorki für die russische Literatur forderte – engste Korrespondenz mit den unendlich wichtigen Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens –, hat als organisches Merkmal in das vorrevolutionäre russische Literaturschaffen überhaupt keinen Eingang gefunden.
So war der allgemeine Zustand, als das Jahr 1917 nahte.
Wenn man von der Dichterrevolution der Futuristen absieht, hat die tonangebende russische Literatur die unabwendbar nahenden Veränderungen weder verbildlicht noch vorbereitet. Und doch kann man von ihren Vertretern nicht sagen, sie wären sich der eintretenden Veränderungen nicht bewußt gewesen. Denn es war ausgerechnet ein Repräsentant der literarischen Symbolisten, ein so typischer Individualist wie Alexander Block, der zehn Jahre vor der Oktoberrevolution intuitiv das Nahen eines blutigen Untergangs spürte. Jedoch – und hier kann man beginnen, Block als bedeutenden Vertreter der richtungweisenden Gestaltung in der vorrevolutionären Dichtung und als Vertreter eines großen Teils der russischen Intelligenz anzusiedeln sieht er in dem vagen Bild des nahenden blutigen Untergangs nur die Negation, den apokalyptischen Schrecken, der alle Werte zertrümmert, an die die Existenz seiner literarischen Welt mit tausend Fäden gebunden war und die den Umkreis seiner bürgerlichen Individualität bestimmten. Nur den bewußten Wegbereitern der Revolution war es vergönnt, in der vernichtenden Negation gleichzeitig ein neues Positivum zu sehen: die Geburt neuer Werte einer neuen Gesellschaftsordnung.
Alexander Block hat das Moment des revolutionären Umsturzes nicht vorbereitet.
In den Revolutionsjahren begegnet er uns als Dichter und als Mensch, dem der Boden unter den Füßen entzogen wurde. Die Äußerungen der Revolution prägen sich jedoch seinem Bewußtsein überaus nachhaltig ein. Er wehrt sich dagegen. Je mehr er aber die revolutionäre Gärung verlängert, desto mehr wird sie sein ausschließliches dichterisches Erlebnis, und desto mehr verengen sich die Horizonte, in denen Unglauben und feindliche Voreingenommenheit gegenüber Chaos, Desorganisation, Brutalität und vernichtendem Schrecken der Revolution so breiten Raum einnahmen.
Ein beredtes Dokument dieser Veränderung des dichterischen Repräsentanten des vorrevolutionären Rußlands und eines bestimmten gesellschaftlichen Typus sind Blocks Aufzeichnungen jener Tage, die die grundlegenden Ereignisse der neuzeitlichen Geschichte ebenso festhalten wie das Entstehen ihres russischen poetischen Ausdrucks: der Zwölf von Alexander Block. In diesem Tagebuch finden wir nichts außer der Reaktion der Individualität Blocks auf die revolutionären Ereignisse. Es ist die seismographische Aufzeichnung des inneren Zustands eines erschütterten Dichters und ratlosen Menschen, eines Zustands, wie ihn die abnormen Ereignisse einer außerordentlichen Zeit bedrückend hervorriefen.
3. Januar 1918: Auf den Straßen Plakate. Am 5. Januar auf die Straßen. (Sich erschießen lassen?) Am Abend Gewitter. (Treuer Gefährte von Umstürzen!)
4. Januar 1918: Morgen wird etwas geschehen!
5. Januar 1918: Ein Flugzeug fliegt, obgleich wir starken Frost haben. (Bomben oder eine Proklamation?) Den ganzen Tag und Abend bin ich traurig gestimmt, ich ärgere und verkrieche mich. Irgendwo wird geschossen; mir kommt es zumindest so vor, ich weiß nicht, wer und was, es interessiert mich auch nicht.
6. Januar 1918: Intelligenz und Revolution. Abends ein schreckliches Gewitter. Unbestätigte Nachrichten, angeblich wurde um fünf Uhr früh die Gesetzgebende Versammlung auseinandergejagt. Es denkt sich gut, den ganzen Tag strömen mir Ideen zu…
In diesen Tagen schreibt Block für das Organ der linken Sozialrevolutionäre Banner der Arbeit einen Artikel über Intelligenz und Revolution. In jenen Tagen, in jener Atmosphäre, in einer solchen Stimmung beginnt er nach einer gewissen Unterbrechung auch dichterisch zu arbeiten.
„Auf dem Snamenski-Platz“, lesen wir in Blocks Aufzeichnungen aus jenen Tagen, „ist es neblig. Lampen sind nicht zu sehen, kein Mensch ist zu erkennen, der mehr als zwei Schritt entfernt ist. Unten über der Stadt der bläuliche Vollmond… Sehnsucht nach dem Abend. Ich bin durch die Stadt geschlendert geschlendert… Tauwetter, Wind, im Zimmer ist es kühl. Wieder Gewitter. Blauer Schnee… Um halb elf abends Korrekturen für Banner der Arbeit. Schrecken der nächtlichen Nachrichten und der nächtlichen Straßen… Die ersten Meldungen von der Revolution in Deutschland… Ich habe definitiv den Nachtdienst abgelehnt, das heißt, den Schlaf der Bourgeois zu bewachen.“
In dieser Situation begann Block die berühmten Zwölf zu schreiben.

Schwarzer Abend.
Weißer Schnee.
Wind! Wind!
Seht doch, wie er Menschen fällt!
Wind, Wind,
überall auf Gottes Welt.

Binnen drei Wochen ist das Gedicht geschrieben. Hier versöhnt sich Block mit Dingen, die er für unverzeihlich gehalten hatte. Mit resigniertem Mitleid verewigt er inmitten dieses stürmischen Wetters und unruhigen Tagesgeschehens, umhertappende menschliche Kriechtiere: die Alte, die vor einem Plakat über die Bolschewiki lamentiert, den langmähnigen Dichter, der „mähneschüttelnd murmelt: Verräter!“, und jenen „in der Kutte, um Schneewehn schleichend, schlaff – wie ist dir heut zumute, Genosse Pfaff?“, das „Straßenmädchen…“. Da ist der ganze entsetzliche Knäuel, zu dem Natur und Mensch verstrickt sind; und schließlich wird Blocks zeitgegebene, niedergedrückte, geschlagene Welt mit der sie bedrängenden Wirklichkeit in einer so bizarren Vision versöhnt, wie sie Jesus Christus mit der roten Schärpe auf der Stirn vor zwölf Gardisten darstellt.
Am 28. Januar beendet Block das Gedicht. Am 29. Januar schreibt er in sein Tagebuch:

Schrecklicher Lärm, der in mir und um mich zunimmt. Ich warte. Dieses Dröhnen hörte Gogol… Heute bin ich ein Genie…

Die Genialität des Dichters des heiligen Rußlands, der „kräftigen großen Bäuerin mit den weitausladenden Hüften“, hatte ihm den Weg gebahnt – den eigenständigen und bewundernswerten Weg – zu einem Rußland, das unaufhaltsam skandierte:

Voran, voran, du Arbeitsmann!

Die Zwölf ist nicht nur das berühmteste Gedicht Blocks, es ist ein berühmtes Werk der russischen Poesie. Dieses Gedicht ist nicht nur das Bild der Wandlung einer einzelnen dichterischen Individualität, es zeigt auch das ruhmvolle Einmünden jener Strömung der vorrevolutionären individualistischen russischen Poesie, die nur unklar das Herannahen eines „blutigen Untergangs“ (Block) oder einen „nahenden Hunnensturm“ (Brjussow) beschrieben hatte, in den breiten Fluß der Revolution.
Der Schwerpunkt dieses Gedichts liegt auch im resignierten Abschied von eingeschüchterten und unrühmlich untergehenden Dingen und Erscheinungen einer untergehenden Welt, und nur wie ein schwerer Seufzer klingt hieraus die friedfertige Annahme der neuen Welt und ihres Vorpostens: der zwölf Rotgardisten – Aposteln gleich –, die im „Alltagsschritt“ marschieren, voran „Jesus Christus“, der – für Block – die personifizierte Vorstellung von Rettung und Erlösung ist.
Aber gerade weil diese friedfertige Begrüßung sich der übersteigerten Einbildungskraft eines so typischen Repräsentanten nichtrevolutionärer Dichtung entrang, wie es Alexander Block war, prägt sie nahezu grundlegend das gesamte Gedicht, und so wird es zuweilen für ein revolutionäres Epos gehalten. Das aber ist ein Fehler: Die Zwölf ist nur ein Epos von der Revolution.
Unter dem Aspekt der Entwicklung der russischen Dichtung gesehen, handelt es sich um ein Bindeglied, das zu Geist und Ausdruck der reinsten und freudigsten Erscheinungen der russischen Revolutionslyrik führt.
Die russische Literatur hat zwei Gedichte, die das Wesen der einmalig bewegten Geschichtsepoche so in sich konzentrieren, wie das ein poetischer Ausdruck überhaupt vermag: Alexander Blocks Die Zwölf und Wladimir Majakowskis „150 000 000“. Diese Gedichte haben erstmals das überdimensionale lyrische Bild gezeichnet – zuerst das Bild von der Unantastbarkeit der göttlichen Ordnung, dann das von der menschlichen Wunderkraft der neuen Gesellschaftszustände im revolutionären Rußland – überall dort, wo die Literatur ein Fenster zum Leben war.
Zwischen der Entstehung der Zwölf von Alexander Block und der „150 000 000“ von Wladimir Majakowski liegt eine Spanne von zwei Jahren. Es war aber nicht nur die Chronologie, die zu der freudigen Verherrlichung des stürmischen Marsches der 150 000 000 führte, und zwar über die friedfertig angenommene Vision der blutigen Schritte der Zwölf. Von der Welt und den Bildern der alten Literatur, wie sie uns Lew Tolstoi und Dostojewski vorstellten, führte der Weg über Die Zwölf genetisch zur Epoche der 150 000 000.
In der slowakischen Literatur sind Die Zwölf kein unbekanntes Werk, obgleich sie zusammenhängend und formvollendet erst von Janko Jesenský nachgedichtet wurden. Und ebenso wie in der Geschichte der russischen Literatur Die Zwölf auch ein Symbol sind – neben der Veränderung in der literarischen Entwicklung auch ein Symbol für die Veränderung des Verhältnisses und des Faktums Revolution –, ist auch im heimischen slowakischen Geschehen an das Schicksal der Zwölf die Geschichte geknüpft, zumindest die Geschichte des Verhältnisses zur neuen revolutionären Literatur Sowjetrußlands.
Die offizielle slowakische Kulturöffentlichkeit hat es lange nicht für nötig erachtet, die Existenz dieses Gedichtes zur Kenntnis zu nehmen, obgleich in ihm bereits andere beispielsweise die Tschechen – das Merkmal eines bedeutsamen Wandels in der russischen Poesie und Literatur entdeckt hatten. Man kann sagen, daß Block wegen seiner Einstellung zur russischen Revolution bei uns sogar aus dem Verzeichnis der russischen Autoren getilgt wurde. Dieses Verzeichnis haben für die slowakische literarische Öffentlichkeit lange Zeit die fragwürdigen Größen der Pariser und Prager Emigration repräsentiert.
Die erste Übersetzung des letzten Gesangs der Zwölf erschien im Proletárska nedel’a, der Literaturbeilage der kommunistischen Pravda chudoby. Es war ein literarisch bedeutungsloser Versuch, die Übersetzung war mehr als dürftig; sie war eher eine Umschreibung der ersten mangelhaften tschechischen Übersetzung. Diesem Versuch kam lediglich eine kulturpolitische Bedeutung zu. Es war ein Bekenntnis zu jenen Wegen, die Die Zwölf durch ihre Geschichte signalisierten, und zwar von seiten der damals jüngsten Dichtergeneration, die in dieser wöchentlichen Beilage ihre Arbeiten veröffentlichte. Wenig später, im Frühjahrsband des DAV, erschien ein längerer Ausschnitt, und mit dieser ersten bemerkenswerten slowakischen Nachdichtung eines Gedichtteils begann die erste sozialistische Informationsrubrik über die UdSSR in der slowakischen Revue. Welche besondere Sendung haben doch Gedichte in unserem Zeitgeschehen!
Auf dieser Linie bewegt sich auch die Bedeutung des weiteren Schicksals des Poems in der slowakischen Literatur. Es genügt die Feststellung, daß im Jahre 1934 Janko Jesenský das ganze Poem nachgedichtet hat, ein Vertreter der nationalen Erwecker aus der Lyrikergeneration vor der Staatsgründung von 1918. Literarisch und außerliterarisch Berichtenswertes, das mit den Zwölf verknüpft ist, gehört bereits der Geschichte von Literatur und Gesellschaft an. Die Dichtung der Revolution und die revolutionäre Dichtung haben seit den Zeiten der Zwölf einen immensen Fortschritt erlebt. Die erwähnten Momente verdienen es jedoch, daß wir zu den Zwölf zurückkehren und die Tatsache begrüßen, daß sie in die slowakische Literatur von einem so bedeutenden Repräsentanten der slowakischen Vorkriegsgeneration eingeführt wurden, wie es Janko Jesenský ist.

Laco Novomeský, 1934, aus, Laco Novomeský: Erwägungen. Aufsätze zur Literatur, Verlag Volk und Welt, 1977

Mythos, Hymne, Satire?

– Bloks Revolutionspoem Die Zwölf entstand vor fünfzig Jahren. –

Der Lyriker Aleksandr Aleksandrovic Blok 1880 in Petersburg geboren und dort 1921 gestorben, gilt als bedeutendster Dichter des russischen Symbolismus, dessen zweiter Generation er zugerechnet wird. Einzig Blok gelang es, die symbolistische Dichtung in breiteren Kreisen Russlands populär zu machen. Das ist um so erstaunlicher, als Bloks Poesie sich nicht, nur ihrer symbolischen Verschlüsselung wegen dem raschen Verständnis entzieht; auch die Spuren der Theosophie Vladimir Solov’ews (1853 –1900), die sich allenthalben bei Blok finden, setzen der schnellen Rezeption Hindernisse entgegen.
Die Verbindung von mystisch-religiöser und pan-erotischer Erwartung ist das Hauptelement der frühen formstrengen, symbolträchtigen und musikalischen Gedichtmonologe Bloks. Später, etwa von 1905 an, dringt in sie ein sarkastisch-ironischer Ton ein, und unter dem Einfluss Dostojewskis wendet sich Blok dem Thema Grossstadt zu – doch sind Natur und Stadt in seinen Gedichten Spiegelbilder der eigenen Seelenlandschaft. Erst von 1909 an verstärkt sich in Bloks Dichtungen das realistische Element, zugleich findet der Poet hin zum freien Vers.
Es ist ein einziges Werk, mit dem Aleksandr Blok Weltruhm erlangte und das noch heute, so unübersetzbar es auch sein mag, in allen Sprachen als Dokument einer visionären Revolutionspoesie bekannt, ist: das Poem Die Zwölf. Blok schrieb es vor fünfzig Jahren, kurz nach der Oktoberrevolution und mitten im Bürgerkrieg, zwischen dem 8. und dem 28. Januar 1918; es erschien erstmals im April 1918 in Moskau. „Mythos? Dokument? Hymne oder Satire auf die Revolution?“, fragt Paul Celan in der Vorbemerkung zu seiner 1958 erschienen Uebertragung des Gedichts, und er berührte damit die Fragen, die seit fünf Jahrzehnten die Interpreten beschäftigen.
In seinem Poem zeigt Blok in zwölf Strophen den Mansch von zwölf Rotgardisten, die sich durch Schneetreiben und Aufruhr in Petrograd ihren Weg bahnen und dabei an den Vertretern der gerade verendenden bürgerlichen Gesellschaft vorbeikommen: an einem Bürger, der sich ängstlich versteckt, einer Alten, die ihr Schicksal beklagt („Die Bolschewiken bringen mich ins Grab!“), einem Intelligenzler, der die Zerstörung bejammert, einem fliehenden Popen, einem verhungernden räudigen Köter schliesslich, der – Symbol der auf den Hund gekommenen Bourgeoisie – winselnd umherschleicht. Für privaten Kummer haben die zwölf Jünger der Revolution keine Zeit. ein Gardist, der seine untreue Geliebte auf der Strasse niederschlägt, wird von seinen Genossen veranlasst, weiter mit ihnen zu ziehen, denn die Revolution braucht jeden:

Halt Schritt, halt Schritt mit der Revolution!
Glaub nicht, die drüben schlafen schon!

Unerbittlich marschiert der Zug der Revolutionäre unter der roten Fahne durch das apokalyptische Chaos voran, angeführt von einem Unsichtbaren:

… Gehn und schreiten, schreiten, gehen. –
Hungerhund prescht, hinterher.
Vorn die Fahne, blutig, wehend,
Und, unsichtbar – denn es schneit –
Einer noch, der ist gefeit,
Sturmfern, sanft, so schreitet er,
Schneeglanz, perlend, um sich her,
Rosenweiss sein Kränzlein ist. –
Vorne gehet Jesus Christ.

Bloks Poem Die Zwölf, im Anfang bisweilen noch als antireligiöse Blasphemie einerseits oder andererseits als Satire auf die Oktoberrevolution abgelehnt, wurde bald enthusiastisch aufgenommen und in den ersten Jahren nach der Revolution immer wieder öffentlich rezitiert. Das Gedicht fasziniert – davon ist auch in der Uebertragung noch etwas zu spüren – durch seine Mischung aus freien Rhythmen und strengeren Gedichtformen, aus Revolutionsparolen und Volksliedelementen, durch seine Verbindung von Ironie und Emphase, Tragik und Burleske, lyrischer Zartheit und derb-ordinärem Jargon: es ist ein Sprachkunstwerk des Chaotischen, der Revolution.
Von Anfang an sind die Interpreten des Poems durch die Christusgestalten am Ende des Gedichts irritiert und zu mancherlei Fragen und Deutungen angeregt worden. So hat man Christus, vielleicht nicht zu Unrecht, als eine neue Inkarnation jener „schönen Dame“ gedeutet, die in früheren Gedichten Bloks ausserweltliche Harmonie und ewige Göttlichkeit verkörperte. Blok selbst lehnt jede eigene Deutung ab und schrieb:

Ich wünschte, das Ende wäre anders. Als ich fertig war, staunte ich selbst: weshalb Christus? Aber je mehr ich hinschaute, desto klarer sah ich Christus. Und zur gleichen Zeit vermerkte ich: Leider Christus.

Noch mehr beschäftigte die Interpreten, vor allem die westlichen Slawisten und die russischen Emigranten, die Frage, auf welche Weise ein Symbolist und Mystiker wie Aleksandr Blok zur Revolution fand, wie ausgerechnet er einen so bedeutsamen, wenngleich doppeldeutigen Revolutionshymnus wie Die Zwölf hatte schreiben können. Was faszinierte Blok an der Russischen Revolution?
1920, als der Dichter schon ernüchtert und enttäuscht auf die revolutionären Anfänge zurückblickte, sprach er von dem Lärm, den er bei der Arbeit an den Zwölf tagelang in den Ohren gehabt habe – „wahrscheinlich den Lärm der zerbröckelnden alten Welt“. Blok begriff die Revolution als „schrecklichen Wirbelsturm“, als Schneesturm“, er vernahm in den Oktobertagen „das furchtbare, betäubende Getöse, mit dem er daherkommt. Dieses Dröhnen ist in jedem Fall Ausdruck ihrer Erhabenheit.“ Die Revolution war für ihn eine längst überfällige Katastrophe von kosmischen Ausmassen, er wollte sich daran beteiligen, das Fallende zu stossen. Dabei mischte sich in seine rationale Erkenntnis vom Ende der Bourgeoisie auch ein irrationales Element (vergleichbar vielleicht dem Bennschen „Wer Strophen liebt, der liebt auch Katastrophen“). So notierte Blok etwa am 5. April 1912 in sein Tagebuch:

Der Untergang der Titanic hat mich gestern unsagbar erfreut – es gibt noch einen Ozean.

Hier taucht das alte poetische Motiv der Lust am Untergang, die Faszination durch Chaos, Katastrophe und Schiffbruch unvermittelt auf.
Blok arbeitete auf seiten der Bolschewiki an der Revolution mit, ohne ihren Kern, ihre gesellschaftlich-politischen und ökonomischen Grundlagen, die ihr zugrunde liegende Klassenkampf-Theorie reflektiert zu haben. Ihm war die Revolution wohl mehr ein Abbild eigenen mystischen Erlebens, und aus solchem romantischen Verständnis (oder Missverstehen) erklärt sich wohl auch – ähnlich wie bei dem akmeistischen Lyriker und Blok-Schüler Sergej Esenin – die spätere Enttäuschung über die Realitäten der Revolution. An solchem romantisch-mystischen Revolutionsverständnis übte schon Majakovskij Kritik, als er eines seiner Revolutionspoeme „350 Millionen“ betitelte – an die Stelle der legendären zwölf Revolutionsjünger Bloks setzte er die präzise Zahl der Einwohner des damaligen Russland.
Am 9. Januar 1918, zur gleichen Zeit, als er an den Zwölf arbeitete, schrieb Blok in seinem Essay „Intelligenz und Revolution“:

Die Welt der Russischen Revolution, die die ganze Welt ergreifen möchte,… ist eins mit der Hoffnung, einen Weltzyklon zu entbinden, der in die vom Schnee verwehten Länder den warmen Wind und den Duft der Orangenhaine bringen und den sonnenversengten Steppen des Südens den kühlen nördlichen Regen schenken wird.

Im Zusammenstürzen der alten Ordnung, in der revolutionären Katastrophe, sah Blok, ganz im Sinne seiner frühen mystischen Dichtung, eine höhere, ausserweltliche Ordnung, eine neue Weltharmonie aufleuchten. Vielleicht projizierte er deswegen an die Spitze der Rotgardisten in seinem Gedicht einen göttlichen Anführer. In seinem Todesjahr 1921, in einer Rede auf Puschkin, in der er sich mutig gegen jede Beeinflussung, Behinderung und Vergewaltigung der Dichter durch staatliche Instanzen wandte, sagte er zu der Harmonie, die seinem Verständnis nach aus dem revolutionären Chaos auferstehen müsste:

Was ist Harmonie? Harmonie ist der Zusammenklang von kosmischen Kräften, die Ordnung des kosmischen Lebens. Ordnung ist Kosmos, im Gegensatz zur Unordnung – dem Chaos… Das Chaos ist ursprünglich, elementare Anarchie. Kosmos ist stabilisierte Harmonie, Kultur. Kosmos wird aus dem Chaos geboren. Das Elementare birgt den Samen der Kultur in sich. Aus der Anarchie entsteht Harmonie.

Die Zwölf: Mythos? Dokument? Hymne oder Satire auf die Revolution? Blok hat die Frage nicht beantwortet, und unter den Interpreten seines grossen, nun fünfzig Jahre alten Gedichts neue Verwirrung geschaffen, als er 1920 notierte:

Diejenigen, die in den Zwölf politische Verse sehen, sind entweder sehr blind für die Kunst oder sie sitzen bis an die Ohren im politischen Schmutz oder sind von einer grossen Boshaftigkeit besessen, gleichviel ob sie Feinde oder Freunde meines Poems sind.

Jürgen P. Wallmann, Die Tat, 28.12.1968

Alexander Block in unseren Tagen

1
Die europäische Unruhe der Jahrhundertwende gewann in Rußland ihre einzigartige Radikalität durch die Verlagerung des revolutionären Weltzentrum und die Vorboten der Revolution von 1905 bis 1907 und führte in allen Künsten zu neuen Entdeckungen. Der Realismus, den Maxim Gorki, Iwan Bunin und Leonid Andrejew schrieben, begann schon in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts die russische und die Weltliteratur unübersehbar zu beeinflussen. Zur gleichen Zeit traten Schriftsteller auf, die angesichts der veränderten Weltsituation diese Erneuerung des Realismus mit Skepsis beobachteten und andere Wege suchten – die russischen Symbolisten.
Der russische Symbolismus war eine Kunst der Synthesen. Die Veränderung, die er in der russischen Kultur bewirkte, ist auf die eigentliche kunstgeschichtliche Phase von 1895 bis 1910 nicht zu beschränken. Andrej Belys Petersburg und Fjodor Sologubs Der kleine Dämon oder Alexej Remisows ornamentale Geschichten in der Prosa, Alexander Block und Inokenti Armenski in der Lyrik, Wsewolod Meyerhold und Vera Komissarshewskaja auf dem Theater, das russische Ballett, Michael Wrubel in der Malerei und Alexander Skrjabin in der Musik – sie alle verursachten Umwälzungen, ohne die die sowjetische Kunst undenkbar wäre und deren Tragweite bis heute erkundet wird. Weit besser als diese Kunst der Synthesen kennen wir die Kunst der Analysen, jene 1910 einsetzende mächtige Leidenschaft des Zerlegens und Zerfällens, die selbst noch die ästhetischen Verfahren und Materialien zum Gegenstand ihres Entzückens machte. Die Unvermeidlichkeit dieses Sturms der Analyse, den die Visionäre der Zergliederung entfesselten – Welemir Chlebnikow, Wladimir Majakowski, Sergej Eisenstein, Sergej Tretjakow, Juri Tynjanow und Juri Olescha: jeder auf seine Art –, begreift man aber nicht, wenn man die Welt-Synthesen nicht kennt, die ihm vorausgingen. Die Analysen reagierten nämlich kraft neuer revolutionärer Erfahrungen und Funktionsideale kritisch auf die Welteinheit in den Synthesen der Symbolisten, und es ist kein Wunder, daß sich bei Block nach 1910 ein deutlicher Wandel im Synthese-Begriff vollzieht.
Die Anstrengungen der russischen Symbolisten richteten sich vor allem gegen ein simples Nacherzählen der Welt, das sich mit der Ausbreitung von echtem Milieu, von tatsächlichen Zuständen und Vorkommnissen begnügte. Diese Sicht entsprach freilich in keiner Weise der tatsächlichen Leistung der neuen Realisten, die den revolutionären Umbruch nicht nur sozialkritisch sichteten, sondern sozialpädagogisch förderten.
Die Symbolisten suchten nach einer Authentizität kosmischer Art: Der Text sollte im Zusammenstoß der Andeutungen, Analogien und Suggestionen den kosmischen Zusammenhang aller Erlebnisse des modernen Menschen herstellen. Ob aber das gewonnene Symbol des Zusammenhangs allein die Vorstellung des einzelnen Bewußtseins sei oder vielmehr Wiedergabe eines Objektiven, darüber ist es im Laufe der fünfzehn Jahre mehrfach zum Streit gekommen, denn von dieser Entscheidung hing sowohl die Kunstauffassung wie der Begriff der Welt-Synthese ab. Als die Dichter 1910 den Zustand des Symbolismus besprachen, prallten die beiden Auffassungen noch einmal scharf aufeineinander. Valeri Brjussow verteidigte den Symbolismus als pure Kunst gegen Iwanow und Alexander Block, die mit dem Symbolismus über die Kunst hinausstrebten – „andere Welten schauten“.
Es konnte so aussehen, als vertrete Brjussow hier die Autonomie der Kunst, während seine Gegner, wie er argwöhnte, sie der Religion unterwerfen wollten. Tatsächlich hat gerade Brjussow als Dichter, als Übersetzer, Redakteur und Organisator des Symbolismus für die Emanzipation der Kunst und die Aufnahme der zeitgenössischen westeuropäischen Künste, besonders des französischen Symbolismus, soviel getan, daß ihn Nikolai Gumiljow schon 1910 den Peter den Großen der russischen Kultur nennen durfte. Aber eigentlich ist es doch nicht darum gegangen. Das entscheidende Problem des Streits war das Verhältnis von Kunst und Dichterleben. War die Welt-Synthese Kunst oder Leben? Block 1910:

Ich stehe vor der Schöpfung meiner Kunst und weiß nicht, was ich tun soll. Anders gesagt: was ich mit diesen Welten tun soll, was ich auch mit dem eigenen Leben tun soll, das von nun an Kunst geworden ist, denn seine Schöpfung lebt neben mir – nicht lebendig, nicht tot, eine blaue Vision. Klar sehe ich das Wetterleuchten zwischen den Brauen der Wolken des Bacchus (Eros von Wjatscheslaw Iwanow), klar unterscheide ich die Perlmutter der Flügel (Wrubel – Der Dämon, Die Schwanenprinzessin) oder höre das Rascheln der Seide (Die Unbekannte). Doch all das ist Vision.
Bei dieser Lage der Dinge erheben sich die Fragen nach dem Fluch der Kunst, nach der Rückkehr zum Leben, nach dem gesellschaftlichen Dienen, nach der Kirche, nach Volk und Intelligenz. Das ist eine ganz und gar natürliche Erscheinung, die freilich dem Symbolismus innewohnt, denn es ist die Suche nach dem verlorenen goldenen Schwert, das das Chaos aufs neue durchbohrt, die tosenden violetten Welten ordnet und besänftigt.
Der Wert dieses Suchens liegt darin, daß es die Objektivität und Realität jener Welten augenfällig macht; hier bestätigt sich, daß all die Welten, die wir besuchten, und all die Geschehnisse, die sich darin abspielten, keineswegs unsere Vorstellungen sind, d.h., daß die These und die Antithese bei weitem nicht nur von persönlicher Bedeutung sind.

Alexander Blocks Welt-Synthesen gehören hier sicher zu den bemerkenswertesten und gefährdetsten: Sie sind ausschließlich das Werk eines Lyrikers. Während alle anderen Symbolisten immer wieder gelehrte Texte schrieben (manchmal beachtlichen Umfangs wie Brjussows Puschkin-Studien, Iwanows Dionysos-Abhandlung, Belys Gogol-Monographie oder Mereshkowskis Tolstoi- und Dostojewski-Darstellungen), blieb Block Lyriker, was er auch unternahm. Seine Dramen, seine Prosa, seine Briefe, selbst seine Darstellung über die letzten Tage des Zarenreichs sind die eines Lyrikers, und der Versuch, ein erzählendes Poem mit Milieu und Fabel zu schreiben, blieb ein Fragment. In seiner Prosa „Kunst und Zeitung“ ist nachzulesen, wie er vom Dichter fordert, in der Sprache der Poesie auch für die Zeitung zu schreiben. Und Wjatsches Iwanow meinte diese Leistung des Lyrikers, als er im Januar 1921 von Block sagte:

Im Umgang ist seine Rede so einfach, scheinbar bringt er keine zwei Worte zusammen, aber in seinen Gedichten weiß er intuitiv Sachen von dir, so intime Erlebnisse, die kein anderer weiß.

Die Skepsis, die tiefe Abneigung, welche Block in immer neuen Anfällen gegen das Lyrische hegte, zeigt, wie bewußt er sich der Gefahren war. Daß Block bis zum Schluß so großen Wert auf die Zyklisierung seines gesamten Werks legte, von kleinen Einheiten bis zur Trilogie; und viele Male Großformen ins Auge faßte, „Nachtigallengarten“, „Vergeltung“ oder „Rose und Kreuz“, hängt mit der Suche nach bändigenden Strukturen für Taumel und Gewalt des Lyrischen zusammen. Aber diese vollkommene Übertragung der Menschheitskultur in die Sprache des Gedichts verlieh Blocks Poesie die Bezauberung. Man könne von Block sagen, schrieb Ossip Mandelstam 1922, er sei der Dichter der „Unbekannten“ und der russischen Kultur.
Nicht daß die „Unbekannte“ und die „Schöne Dame“ Symbole der russischen Kultur seien, „aber das gleiche Verlangen nach Kult, das heißt nach einer zweckvollen Entladung poetischer Energie, leitete sein Schaffen im Thematischen und genoß ihren höchsten Augenblick im Dienst an der russischen Kultur und der Revolution“.
Block hielt die Last seiner Welt-Synthesen „im Schweben von Bagatellen“, wie es im Juni 1909 in einem seiner italienischen Gedichte steht:

Die Kunst – Last, auszutragen, die die Schultern drückt.
Und doch – wie halten wir, die Dichter, uns im Schweben
von Bagatellen, die das Leben tauscht, entzückt.
Wie süß, dem freien Nichts der Zeit sich hinzugeben
mit Nichtstun, spürn im Leib das Blut
singend wenden,
sich – hinter einem Federwölkchen – Glut,
die rote Lieb, erhaschen mit den Händen.

Glut erhaschen mit den Händen: Der Dichter befreie die Klänge aus dem Chaos, füge sie zur Harmonie und trage diese Harmonie in die Welt. Blocks ständige Sorge ist das Tagebuch seines Weges, die Trilogie der Vermenschlichung, wie er seine drei Bücher Gedichte nennt, deren Abteilungen und Texte er viele Male umstellte und änderte. Die peinlich genaue Datierung und wechselnde Anordnung baut eine ausgedehnte, an Gegenden reiche Welt voll Wahnsinn und Vergessen, voll Heiterkeit und geheimer Freiheit – seine Welt-Synthese: von einem Augenblick überhellen Lichts durch den unumgänglichen Sumpfwald zu Verzweiflung, Verdammnis, „Vergeltung“ und zur Geburt eines „gesellschaftlichen“ Menschen, eines Künstlers, der der Welt mutig ins Auge sieht.
Entscheidend war die Vorstellung von der Zeit. Die Trilogie der Vermenschlichung meint kein Nacheinander, und die Ansiedlung der Gedichte in der Kalenderzeit bekräftigt nur deren Entmachtung. Die Poesie vertilge die Kalenderzeit, die etwa technische Fortschritte einander ablösen läßt. Poesie folge jener anderen Zeit, die Block die musikalische nennt.
Musikalische Zeit meint – in größeren Zeiträumen empfinden, denken, leben: Die Catilinischen Verschwörungen im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung sind eine Seite in der Geschichte der Weltrevolution, und der Sieg über die Tataren in der Schlacht auf dem Kulikowo-Felde am 7. und 8. September 1380 ist ein Ereignis in der russischen Volksseele von heute. Musikalische Zeit meint – Tatsachen aus allen Lebensbereichen, die dem Dichter in einem bestimmten Augenblick zugänglich sind, zueinanderordnen: alle zusammen schaffen immer einen einheitlichen musikalischen Stoß. Musikalische Zeit meint – Leben jenseits des eingetretenen Kalendertags. Nicht in der Vernachlässigung des unansehnlichen Alltags vor dem strahlenden Feiertag der Zukunft. Sondern die Empfindungen ausbildend für jeden kommenden Umbruch in Stimmung, Haltung, Lebensart.
Was hier für ein Jahr oder für Jahrtausende gilt, galt Block ebenso für jeden Tag und für die Welt überhaupt. Es war die Einheit der Welt, die er auf seine Weise beschrieb – wie hier 1921 in der Puschkin-Rede „Von der Bestimmung des Dichters“:

In den bodenlosen Tiefen des Geistes, wo der Mensch aufhört, Mensch zu sein, in Tiefen, die den Geschöpfen der Zivilisation – dem Staat und der Gesellschaft – unzugänglich sind, schweben Klangwellen, die gleich den das ganze Weltall umfangenden Ätherwellen sind, dort kommt es zu rhythmischen Schwankungen, ähnlich jenen Prozessen, die Gebirge, Winde, Meeresströmungen, Pflanzen und Tiere hervorbringen.

Musik als Urgrund der Welt und Lyrik als unmittelbar abhängig vom Geist der Musik zu sehen, war im Rußland des beginnenden 20. Jahrhunderts ohne Friedrich Nietzsches Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik und ohne Richard Wagners Musik nicht denkbar. Block hat das 1900 russisch erschienene Buch des deutschen Philosophen 1906 gelesen und lange Passagen mit Genugtuung herausgeschrieben. In seinem Aufsatz „Die Dichtung der Beschwörungen und Zaubersprüche“ von 1906 zitiert Block als Bekräftigung seines frühen Synthesebegriffs, der Auffassung von der Ungeschiedenheit von Wort und Tat in der Beschwörungsorgie, aus Nietzsches Fröhlicher Wissenschaft den Satz, der die bannende Macht des Rhythmus in der Mythologie erläutert:

… ohne den Vers war man Nichts, durch den Vers wurde man beinahe ein Gott.

Der Kontext bei Nietzsche ist allerdings eher abfällig. Er fährt fort:

Ein solches Grundgefühl läßt sich nicht mehr völlig ausrotten – und noch jetzt, nach Jahrtausende langer Arbeit in der Bekämpfung solchen Aberglaubens, wird auch der Weiseste von uns gelegentlich zum Narren des Rhythmus…

Blocks Nietzsche- und Wagner-Bild sind genauso wenig bekannt wie seine Beziehung zur deutschen Romantik, etwa Novalis – feststeht aber, daß er die beiden Freundfeinde mit Ibsen und Strindberg als Kronzeugen für seine Ansicht anrief, daß der deutsche und der skandinavische Geist neben dem russischen Geist die größten Opfer im Kampf mit den Gegnern der Elementarkräfte gebracht habe.
Die Oktoberrevolution, die Block, seinen Welt-Synthesen entsprechend, als Teil eines Jahrtausendereignisses – des Anbruchs einer neuen Menschheitszeit – nicht mit der Französischen Revolution, sondern mit den Anfängen des Christentums verglich, ermunterte ihn, Ahnungen und Gewißheiten deutlicher auszusprechen, von denen seine Trilogie der Vermenschlichung längst getragen gewesen war und die Block in einem neuen Augenblick überhellen Lichts 1918 in die Zwölf geschrieben hat, sein sowohl offenstes wie verschlossenstes Gedicht. Blocks nachrevolutionäre lyrische Prosa befragte die Synthese der Zwölf, versuchte eine Rückannäherung, die Wiedergewinnung der nur kurz behaupteten (ertragenen?) Höhe. Sie entwarf mit der musikalischen Zeit in der Geschichte, mit dem Vergeltungsdenken, mit dem Zusammenbruch des Humanismus und seiner Ablösung durch die Welt des Künstler-Menschen die Aussicht einer artistischen Sensibilisierung für die wirklichen Vorgänge in der Welt, die der neuen Menschheitszeit entsprechen sollte.

2
Blocks unmittelbar anschauendes Weltverhältnis meidet alle vereinzelnden Zugänge zur Welt, um mit einem Mal den Blick auf das Ganze, die Empfindung des Ganzen, das Symbol des Ganzen zu gewinnen – den Geist der Musik, die rhythmischen Schwankungen in der Tiefe. So sind seine Gewißheiten zu verstehen: „In unseren Herzen hat der Seismographenzeiger bereits ausgeschlagen.“ (1908) „Mit jeder Faser des Körpers und des Herzens, mit dem ganzen Bewußtsein hört die Revolution.“ (1918)
Das Gleichgewicht von Geistigkeit und Körperlichkeit hielt Block für die Grundvoraussetzung des Lebens in der neuen Zeit. Die Kräftigung des Leibes sah er in einem Wechselverhältnis zur Kräftigung der poetischen Strukturen. 1910 und 1911, als er an dem Poem „Vergeltung“ arbeitete, waren „musikalisches und Muskelbewußtsein“ eins. Wie bei ständiger Handarbeit eine rhythmische Ausbildung der Muskeln an den Armen, dann auf der Brust und auf dem Rücken erfolge, so sollte der Rhythmus des Poems entstehen. Der Verlust des physischen und geistigen Gleichgewichts beraube einen unweigerlich des musikalischen Gehörs, der Fähigkeit, aus der Kalenderzeit, dem über die Welt nichts aussagenden Gang der historischen Tage und Jahre auszubrechen und in jene andere, nicht meßbare Zeit vorzudringen.
Der Ausbruch aus der Kalenderzeit erscheint in Blocks Dichtung als das Wagnis und die Aufgabe der angebrochenen Menschheitszeit. Kalenderzeit war für Block die chronologisch vereinzelnde Folge der Ereignisse, das Genügen am Tage, die Welt ohne ihren kosmischen Zusammenhang. Kalenderzeit war für Block ein positivistisches Aufhäufen von Details, aus dem er in die musikalische Zeit der Geschichtlichkeit ausbrechen mußte. Der Dichter dringe in die musikalische Zeit vor, indem er das Gefühl für seinen Weg ausbilde. Im Februar 1909, wenige Monate bevor in Italien das Gedicht „Die Kunst – Last, auszutragen“ entstand, beschrieb Block in seiner Prosa „Die Seele des Schriftstellers“ den Zusammenhang von Weg und Zeit in seiner Kunst:

Nur wenn solch ein Weg erkennbar ist, läßt sich der ,Takt‘ des Schriftstellers, sein Rhythmus bestimmen. Nichts ist gefährlicher als der Verlust dieses Rhythmus. Die fortwährende Anspannung des inneren Gehörs, das Lauschen auf eine wie aus der Ferne vorüberklingende Musik ist eine unerläßliche Voraussetzung für das Dasein des Schriftstellers. Nur wer die Musik des fernen ,Orchesters‘ (und das ist eben das ,Weltorchester‘ der Volksseele) vernimmt, kann sich eia leichtes ,Spiel‘ erlauben.

Block meinte damit besonders die Sensibilität für Beschleunigung und Verkürzung in der Geschichte. 1910 betonte er, daß die Russen in den vergangenen zehn Jahren mehr durchgemacht hätten als andere in hundert Jahren.
Was Block hier aussprach, war schon die Erfahrung aus seiner Trilogie der Vermenschlichung. Wer sich dem „,Weltorchester‘ der Volksseele“ stellt, kennt weder Zuflucht noch Geborgenheit. Das „leichte ,Spiel’“ war von der Art, die Block im Gedicht „O dies Spiel“ vom 18. Dezember 1913 vortrug: Der Dichter als der ewig Erblickte, der nicht weiß, wessen Blick ihn trifft. Dies die vierte und sechste der neun Strophen:

Nichts quält schlimmer als dies Ungefähr!
O das Graun des Blicks, den man nicht fängt,
Der uns schamlos einkreist und bedrängt:
Doch wer ists, der uns belauert, wer?

Dieser Blick, ob bös, ob gut gesinnt –
Besser wärs, er nähm uns nie zum Ziel!
Zu viel fremde Kraft, die in uns spinnt,
Unerforschter Energien Spiel…

Blocks Ausbruch aus der Kalenderzeit befestigte in der russischen Literatur einen Begriff von Zeitgenossenschaft, der die Stunde des Dichters immer als die Stunde Rußlands und die Stunde der Menschheit nahm. Block liebte es, sich mit etwas so Unfaßbarem wie der Atmosphäre der Epochen – „Unerforschter Energien Spiel…“. – zu befassen, weil er selber die Atmosphäre seiner Epoche so stark empfand. Denn was waren ihm seine Dichtungen anderes als das Ausschlagen des Seismographenzeigers in einer Epoche der Stürme und Katastrophen. Je sensibler ein Dichter sei, hieß es in der Catilina-Prosa, um so unzertrennter empfinde er Eigenes und Nicht-Eigenes. Daher seien die zartesten und intimsten Sehnsüchte der Seele des Dichters in Zeiten der Stürme und Katastrophen übervoll von Sturm und Katastrophe.
Das Vordringen in die musikalische Zeit befreit den Dichter aus dem Wust des aktuell Tatsächlichen, das die wirklichen Vorgänge verdeckt. Gegenstand bleiben die Sehnsüchte und Erschütterungen der Seele oder, wie Block in seiner Wagner-Prosa schrieb, „das rettende Gift der schöpferischen Widersprüche“. Die bedeutendste Äußerung über die Catilinischen Verschwörungen als ein Zeichen für den Zusammenbruch einer Epoche fand Block daher auch in dem Gedicht Catulls „Attis“, dessen Gelegenheit in nichts an die aktuellen geschichtlichen Vorkommnisse erinnert, das aber in den Galliamben, dem Versmaß der rasenden Orgientänze, den ungleichmäßigen, hastigen Schritt des Verdammten, den Schritt des Revolutionärs, des römischen „Bolschewiken“, in dem der Sturm des Zorns klingt, überdeutlich zu erkennen gebe.
Die Betonung liegt nicht auf der Parallele von Catilina und Catull, sondern auf der Ankündigung des Sturms in Tat und Gedicht. Nur so auch sind Blocks Dichtungen zu verstehen. Übervoll von Sturm und Katastrophe, sind sie nicht Zeugnisse eingetretener Revolutionen, sondern Zeugnisse der ungeheuren schöpferischen Widersprüche einer neuen Zeit, welche sie in ihren Anfängen noch kaum zu benennen weiß.
Mit dieser unerschrockenen Annahme und dem offenen Austrag des Kampfs der Gegensätze in seiner Dichtung wurde Block auch für sowjetische Dichter bestimmend, die seiner Poetik nicht folgten. Für Ossip Mandelstam, der ihn einen Mann des neunzehnten Jahrhunderts nannte, aber seine Sensibilität für die Musik der russischen Geschichte als einzigartig pries. Für Anna Achmatowa, die seine symbolistische „Sternenarmatur“ nicht mochte, aber ihn als „Tschelowek-Epocha“ bezeichnete. Für Boris Pasternak, der die romantischen Vorstellung vom Dichterleben verwarf, in dessen Rückschau auf die Revolution nach vierzig Jahren aber unüberhörbar Blocksche Töne klingen:

In diesem bedeutsamen Sommer 1917, zwischen den beiden Daten der Revolution, schien es, als versammelten sich und redeten auf den Meetings auch Bäume, Wege und Sterne. Die Luft schien kilometerweit erfüllt von flammender Inspiration, sie schien Persönlichkeit geworden, beim Namen zu nennen, beseelt und sehend.

Aber ebenso für die Prosa, für Isaak Babel, Michail Bulgakow, Andrej Platonow und Maxim Gorki, dessen nachrevolutionäre Prosa ohne die Auseinandersetzung mit Block, Bely und Sologub nicht denkbar ist.
Was sie mit Block verbindet, sind ihre Vorstellungen von Zeit und Kunst, ihre neuen Welt-Synthesen, deren Voraussetzungen Ossip Mandelstam in der Woronesher Zeit mit einer Gefahrenwarnung benennt:

Wenn ein Schriftsteller es für seine Pflicht hält, koste es, was es wolle, ,das Leben tragisch zu sagen‘, aber auf seiner Palette keine tiefen kontrastierenden Farben besitzt, und vor allem das Gefühl für das Gesetz nicht hat, nach dem das Tragische, auf welch kleinem Abschnitt es immer entstehe, sich unweigerlich in ein allgemeines Bild der Welt einfügt – bringt er nur ,Halbfabrikate‘ von Schrecken und Borniertheit hervor, Rohmaterial, das Ekel erregt und bei der wohlmeinenden Kritik den zärtlichen Namen ,Milieu‘ trägt.

3
Blocks Revolutionsverständnis war an sein Vergeltungsdenken gebunden. Weder seine bedingungslose Annahme des Oktober noch seine spätere Klage über das Verstummen der Musik der Revolution sind außerhalb dieses Zusammenhangs zu begreifen. Soziales Verhalten, geistige Produktivität, schöpferische Widersprüche leiteten sich für ihn nie aus ökonomischen Besitzverhältnissee und politischen Entscheidungen her. Block verstand die Revolution als verdiente Vergeltung für die sozialen Sünden der Vergangenheit und verteidigte sie gegen die sklavischen Ängste, gegen den Krämerstil der russischen Intelligenz. Er schloß aber, Alexander Herzen folgend, die Bourgeoisie aus dieser historischen Kette aus. Weder durch liberalen Humanismus, noch Sentiment noch politische Ökonomie dürfe das hohe, kalte und zornige Wissen um die soziale Ungleichheit erniedrigt werden. Der Bourgeois wird als unschöpferisch verteufelt. Die realgeschichtlichen Beziehungen zwischen Bourgeoisie und Proletariat spielen für Block keine Rolle. Die Bolschewiki waren für ihn eine Zeitlang etwas viel Größeres als eine politische Partei, und Lenin akzeptierte er nicht als Marxisten, sondern als einen russischen Revolutionär, der das Vermächtnis Bakunins und der russischen Bauernaufstände vollstreckte. In einem Brief vom Februar 1909 hat Block die Kräfte benannt, die seiner Meinung nach mit Elementargewalt zur Revolution drängen:

Der gegenwärtige russische Staatsapparat ist natürlich mieses, geiferndes, stinkendes Alter, ein siebzigjähriger Syphilitiker, der mit einem Händedruck die gesunde Jünglingshand infiziert. Die russische Revolution ist in ihren besten Vertretern – Jugend mit einem Nimbus rings um das Gesicht. Auch wenn noch nicht ausgereift ist, auch wenn sie oft knabenhaft unweise ist – morgen ist sie erwachsen. Das ist doch klar wie der helle Tag.
In den Fragmenten russischer Literatur von Puschkin und Gogol bis Tolstoi in den Seufzern der gemarterten russischen Demokraten des 19. Jh., in den hellen und unbestechlichen, den nur
vorübergehend getrübten Blicken der russischen Bauern ist uns eine gewaltige (nur noch nicht in den eisernen Ring des Gedankens gefaßte) Konzeption eines lebendigen, mächtigen und jungen Rußlands vermacht. Wenn irgendwo diese Vermächtnisse bewahrt werden, dann natürlich nicht in den Herzen der ,Realpolitiker‘ (selbst nicht der realsten und lebendigsten von ihnen – der Kadetten), nicht im stolypinschen, nicht im romanowschen – sondern in jenen Herzen nur, die beunruhigt und geöffnet sind, in den Gedanken, die diese Konzeption in sich aufnehmen wie frische Luft.
Wenn etwas lebenswert ist, dann das. Und wenn wo ein solches Rußland ,heranreift‘ dann natürlich – nur im Herzen der russischen Revolution im weiteten Sinn, einschließend die russische Literatur, Wissenschaft und Philosophie, den jungen Bauern, der sich zurückhaltend Gedanken macht ,immer über das gleiche‘, und den jungen Revolutionär mit dem vor Wahrheit strahlenden Gesicht, und überhaupt alles Unangepaßte, Zurückgehaltene, Gewittrige, mit Elektrizität Übersättigte. Diesem Gewitter hält kein Blitzableiter stand.

Nicht daß die beschleunigten Kapitalisierungsprozesse in Rußland Block verborgen geblieben oder von ihm geringgeschätzt worden wären. Es gibt Versuche sich diesen Vorstößen zu einem „Neuen Amerika“, wie ein Gedicht aus dem Jahr 1913 heißt, zu stellen. So gewiß er aber den reinigenden Sturm die Welt des Schreckens und der Totentänze hinwegfegen sah, so ungewiß blieb ihm alles Kommende. Im Prolog zum Poem „Vergeltung“, an dem er seit dem Tod des Vaters 1910 bis zu seinem Tod 1921 mit langen Unterbrechungen arbeitete, stehen die Verse:

Über Europa reißt ein Vieh
Von Gier gequält auf seinen Rachen.
Wer wird ihn töten, diesen Drachen?
Wir wissens nicht. Wie eh und nie
Hülln unsre Grenzen sich in Dunst.
Was jenseits liegt – wir sehn es nicht,
Wir spürn nur, daß es brandig riecht –
Dort wütet eine Feuersbrunst.

Daß dieser Drachen der Erstarrung und des Widergeists auch durch die „Wiedergeburt Rußlands durch die Fabrik“ besiegt werden könnte, hat Block in einem zu fassen versucht, über das er zwischen 1913 und 1916 nachdachte. Fertiggeworden ist es nicht, und es werde, meinte Block schließlich, einem anderen zur Vollendung aufgetragen – „keinem Liberalen und keinem Konservativen, sondern einem Ruhelosen wie ich“. Es seien dafür noch mehrere, auch historische Anläufe nötig. Geschrieben haben es vielleicht Wladimir Majakowski in „Wladimir Iljitsch Lenin“ und Andrej Platonow in seinen großen Geschichten und Romanen von den prometheischen Meistern, von den Künstlern auf den Lokomotiven und in den Wüsten der dreißiger Jahre. War es doch Block bei dieser Wiedergeburt um die Erneuerung der Art gegangen, die sowohl die Dämonisierung des Subjekts als auch seine Verflüchtigung in der Funktionalität hinter sich läßt.
Mit der Überwindung des Dämonismus hat sich Block sein Leben lang herumgeschlagen. Am quälendsten in seinem Poem „Vergeltung“:

In Katastrophen und Stürzen befreien sich meine ,Rougon-Macquarts‘ allmählich aus der russisch-adligen éducation sentimentale, ,Aus Kohle wurde Diamant‘, Rußland zu einem neuen Amerika; zu einem neuen, nicht zu dem alten Amerika.

Ein aufbegehrendes und jäh hinstürzendes russisches Geschlecht sollte von den siebziger Jahren des alten Jahrhunderts bis in die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts verfolgt werden. Block wollte zeigen, wie der Aufruhr in der ersten Generation entkräftet ist durch den letzten Abglanz von Skepsis und Weltschmerz eines epigonalen Byronismus, aber ebenso durch die ersten Anzeichen der Ermüdung des nahenden fin de siècle. In der zweiten Generation wird der Aufruhr gedämpft durch die Empfindungsstumpfheit des Sohnes des neuen Jahrhunderts. Und erst in der dritten Generation, die aus der Verbindung des Sohns des „Dämons“ mit der Tochter eines fremden Volkes, des polnischen, hervorgeht, werde das Neue sichtbar auf seine Umgebung einwirken können. So beginne das Geschlecht, das die Vergeltung der Geschichte, des Milieus, der Epoche an sich erfuhr, seinerseits Vergeltung zu üben. Der neue Sproß schaffe es vielleicht, in das Rad der Menschheitsgeschichte zu greifen. Leitmotiv der Vergeltung sollte die Mazurka sein, der Tanz, der für Block die alten Kämpfe zwischen Rußland und Polen begleitete. Im Poem sollte die Mazurka anfangs leicht aus einem Petersburger Fenster erklingen, dann auf einem Ball sich mit dem Sporengeklirr der Offiziere mischen und endlich hinausdringen auf die polnischen Felder, über das nächtliche Warschau, in den Schneesturm.
Die Erneuerung der Art – „Aus Kohle wurde Diamant“ – sah Block nicht als ein allmähliches Fortschreiten. Gerade dem Zorn gegen die naiven Fortschrittstheorien verdankte das seinem Material nach autobiographische Poem die weitergreifende poetische Idee. In einem Vorwort von 1919 deutete Block die Situation an, in der der Plan für die Dichtung entstanden war. Es handelt sich um die Jahre 1910 und 1911. 1910 starben russische Künstler, die für Block Entscheidendes bedeutet hatten. Mit Vera Komissarshewskaja starb für Block der lyrische Ton auf dem Theater. Mit Wrubel die Unersättlichkeit des Suchens bis zum Wahnsinn. Mit Tolstoi die menschliche Zärtlichkeit, die weise Menschlichkeit. 1910: Krise des Symbolismus, Aufkommen der neuen Richtungen – Ego-Futurismus, Akmeismus, Kubo-Futurismus, 1911: die großen Eisenbahnerstreiks in London, „Panthersprung“ nach Agadir, heißer Sommer, der das Gras bis in die Wurzeln verdorren ließ, Interesse für Ringkampf, tödliche Flüge, schließlich im Herbst die Ermordung des Innenministers und Ministerpräsidenten Pjotr Stolypin, die das Land, das sich bislang noch halb in den Händen des Adels und der Beamten befunden hatte, endgültig unter die Herrschaft der Polizei brachte.
Alle diese Tatsachen aus unterschiedlichen Bereichen der Wirklichkeit hätten, so Block, jenen einheitlichen musikalischen Sinn, den er immer wieder aufzufinden suchte. Allerdings bezeichnet die Arbeit an dem nie vollendeten Poem auch einen wichtigen Einschnitt in Blocks Vorstellungen von der Einheit der Welt. Wenn er in den Jahren vor und nach der Revolution von 1905 bis 1907 seinen Welt-Synthesen das mystische Ineinsgehen aller Erscheinungen zugrundelegte, so datiert ab 1910 ein verstärktes „Bewußtsein der Ungeteiltheit und Unvereintheit von Kunst, Leben und Politik“. Der Unterschied ist gravierend. Wort und Tat fallen nicht mehr ununterscheidbar zusammen. Die 1906 durch die Nietzsche-Lektüre gestützte Vorstellung von der Dichtung als Beschwörungsorgie wird distanzierter betrachtet. Eigengesetzlichkeit der einzelnen Bereiche und Unendlichkeit der Übergänge bedingen einander. Synthese so begriffen heißt: Der unendliche Prozeß der Vereinigung und inneren Durchdringung vernichtet die Gegensätzlichkeiten.
Wenn Revolution Vergeltung war, dann offenbarte sich das Schöpfertum der Massen in der Zerstörung. So sah es Block. Niemand aus seinem Kreis hat mit dieser Unerschrockenheit die Vernichtung der alten Welt selbst in den Grimassen der Revolution angenommen wie Block. Die Musik der Revolution erklang für ihn im Krachen des Zusammenbruchs. Die Mazurka der „Vergeltung“ schlug um in die Lieder der proletarischen Kämpfe, die im Poem Die Zwölf abgerissen durch den Schneesturm klingen. Natürlich entging ihm auch die Arbeitsseite der Revolution nicht. Aber dies seiner Dichtung zugrunde zulegen, erwies sich als unmöglich.
Im Februar 1920 bezeichnete er noch einmal den Augenblick. In jeder Bewegung komme es zu einer Minute der Verzögerung, einer Minute der Besinnung, der Ermüdung, des Verlassenseins vom Geist der Musik. In der Revolution, wo nichtmenschliche Kräfte wirken, sei das eine besondere Minute. Die Zerstörung ist noch nicht abgeschlossen, geht aber schon zurück. Der Aufbau hat noch nicht begonnen. Die alte Musik ist schon nicht mehr, die neue – noch nicht.

4
Die Fähigkeit, „begierig zu leben und zu handeln in der angebrochenen Epoche der Wirbel und Stürme“, habe nur jene neue Menschenart, die Block den Künstler-Menschen nannte. Diesen Künstler-Menschen begriff Block nicht als das Ergebnis der europäischen Entwicklungen des neunzehnten Jahrhunderts, sondern als ihren Widerpart. Er sei eben gerade nicht der gespaltene ethische oder politische oder humane Mensch, sondern der Mensch der Elementarkräfte, derer er sich auf artistisch-meisterliche Weise in ihrer Ganzheit bewußt sei.
In Westeuropa sei er zu Beginn des Humanismus aufgetreten, dann aber seit dem Ende des 18. Jahrhunderts an der Zersplitterung der künstlerischen und wissenschaftlichen Interessen verkümmert. In diesem Zusammenbruch des Humanismus hätten nur wenige unter furchtbaren Verfolgungen den synthetischen Geist, die innere Einheit der Kultur hüten können. Block nennt Heine, Wagner, Strindberg, in Rußland Gogol, Tolstoi, Dostojewski. Kunst als Stimme des Elementaren und selber Elementarkraft sei für diese Künstler nie getrennt gewesen von den barbarischen Massen, den unbewußten Hütern der Kultur. Sie seien auch nicht dem Irrtum einer allmählichen Bildung der Massen durch populistische Senkung des Niveaus verfallen, sondern hätten im Gegenteil die Massen als die Träger eines anderen Gesetzes erkannt, das zur Herrschaft dränge.
Die neue Menschenart, der Künstler-Mensch hat Block von früh an beunruhigt. Die Trilogie der Vermenschlichung meint sie, „Vergeltung“ und Die Zwölf haben sie zum Gegenstand. Seine Sicht auf Wladimir Solowjow, auf die „Musik der alten Familien“ im Leben Michail Bakunins, auf den „Genossen“ August Strindberg und auf Maxim Gorki, den Mittler zwischen Volk und Intellektuellen, ist davon erfüllt.
Wie immer aber der Künstler-Mensch gegen das neunzehnte Jahrhundert entworfen war, so ist er ohne es undenkbar. Das Skythische, das Zigeunerische, das Christus-Modell, Faszination und Beängstigung durch das Petrinische Erbe, die neue „Geschlechterauslese“ wie das „Neue Amerika“ – alles ist durch das europäische neunzehnte Jahrhundert gegangen. Durch Gogol und Solowjow das Skythische, durch Apollon Grigorjow das Zigeunerische, Christus durch Dostojewski, Peter durch Puschkin, die Geschlechterauslese durch die europäische Mystik, die deutsche Romantik und Strindberg und das „Neue Amerika“ durch Nikolai Nekrassow.
Block war sich der tödlichen Gefahren beim Übergang zum Künstler-Menschen bewußt. Er selber sah sich mit in den Abgrund gerissen. Keine andere als die tragische Weltauffassung hielt er für ausreichend, um das ganze Ausmaß der Vorgänge zu erfassen. Die kosmischen Entsprechungen waren sein Alltag. Vom 29. Dezember 1912 ist das Gedicht „An die Muse“, das mit diesen Strophen beginnt:

Dein geheimes Gedicht sagt die Schwere
Des Geschicks, dem der Untergang droht.
Es verhöhnt jedes Glück, schmäht die Ehre,
Lästert Sitte, Gesetz und Gebot.

Es reißt mit, und mitreißend zerreißt es.
Ja, ich hab deine Krallen gespürt.
Die gefallenen Engel, so heißt es,
Hat der Reiz deiner Schönheit verführt…

Und verlachst du den Glauben, dann schimmert
Über dir plötzlich purpurn und grau
Jener Strahlenkreis, der mich erinnert,
Doch an was, weiß ich nicht mehr genau.

Lust und Marter der Lästerung nach dem Fall gehen zusammen. Blocks Dichtung entsteht, indem ständig Kult und Lästerung gegeneinander getrieben werden. Der Künstler-Mensch müsse diese Bedingtheiten der Welt in sich aushalten, ohne sie auszugleichen. Schon im Herbst 1902 hatte Block gegen Milde und Demut des Kults der Schönen Dame die grausame Harlekinade gesetzt, die dann in seinem lyrischen Drama Die Schaubude (1906) eine äußerste Zuspitzung erfuhr. Die Jungfrau aus dem fernen Land, die blasse Freundin erweist sich als Colombine, Pierrots Geliebte. Das Mysterium wird zur Posse. Das letzte Abendmahl findet in der Schaubude statt.
Die Zwölf bringen den neuen Gipfel. Am 29. Januar 1918, als Block das Gedicht abschloß, heißt es im Notizbuch:

Ich verstehe Faust. „Knurre nicht, Pudel!“
Bei Goethe folgt:

Zu den heiligen Tönen, Die jetzt meine ganze Seel umfassen, Will der tierische Laut nicht passen.

Mephistopheles ist schon im Zimmer.

Block zweifelte nicht im mindesten daran, daß es bei diesen „Zwölf“ nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Er berichtete später mehrfach von einem großes anhaltenden Krachen – „wahrscheinlich das Krachen vom Zusammenbruch der alten Welt“ – und von einem furchtbaren Kräfteverfall. Er berichtete von der Hingabe an die Elemente wie bei den Ausbrüchen im Januar 1907 und März 1914, die mit der Leidenschaft für die Schauspielerin Natalja Wolochowa und die Sängerin Ljubow Delmas die Gedichte der Bücher „Schneemaske und Carmen hervorbrachten. Das gleiche hatte sich am Anfang des Jahrhunderts bei der Begegnung mit Ljubow Mendelejewa, seiner späteren Frau, ereignet, jenem „Augenblick überhellen Lichts“, als die „Verse von der Schönen Dame“ begannen.
Das erotische Verhältnis zur Welt (Rußland als Geliebte, Frau, Mutter) zeigt die tödlichen Leidenschaften der „Zwölf“ nicht als Episode der ersten Revolutionstage, sondern als Problem des von Block erwarteten und begrüßten Lebens des Künstler-Menschen in der neuen Zeit. Den Konflikt von Leidenschaft und Macht wertet Block durch die Bauart seines Gedichts entschieden als geschichtliche Legitimation der Zwölf: Aufbegehren, Zorn gegen die „Welt des Schreckens“, schöpferisch noch in der Verkehrung. In Blocks Sicht nimmt Christus dem Mörder Petrucha die Schuld nicht ab, sondern ist eins mit den Zwölf, deren einer der Mörder ist.
Block schließt hier strukturell wie ideengeschichtlich an Puschkins „Ehernen Reiter“ an: Der Imperator Peter jagt im Bunde mit den Elementen, den über die Ufer der Newa getretenen Wassern, den kleinen Beamten Jewgeni, der seine Frau verloren hat durch die Elemente und Peter fast zu drohen wagt, in den Wahnsinn. Die Stadt, den Sümpfen abgetrotzt, wird ihren Bewohnern zum Verhängnis. Was Puschkin zu leisten aufgab, war nicht weniger als die Vereinigung von Peter und Jewgeni, Macht und Menschlichkeit. Block wußte, daß dieses Peter und Jewgeni in eins den Konflikt bis ins Ungeheure kompliziert: Petrucha, unser neuer Jewgeni, tötet seine Geliebte Katjka selber und darf – noch lauert der Feind – sich seinem Schmerz nicht überlassen. Den „Weltbrand im Blut“ ziehen die Zwölf wie einst der gespensternde Peter weiter, Petrucha ist einer von ihnen.
Diese übergreifende Geschichtlichkeit der Dichtung entwickelte Block aus der Materialität des Augenblicks. Die „Zwölf“ sind immer: die Zwölfer-Patrouille der Rotgardisten und die Jünger und (laut Randnotiz Blocks zum zehnten der zwölf Gesänge) auch die zwölf Räuber nach Nikolai Nekrassows Moritat „Von den beiden großen Sündern“ in „Wer lebt glücklich in Rußland?“ Die robusten Eindeutigkeiten – Soldatentschastuschka, Abschiedsklagelied, Romanze, Marschzitat, Losungsformel, Hurengeplänkel – schaffen das vieldeutige Spiel der Poesie.
Daß der Christus des Gedichts zu weiblich geraten sei, wie Block einmal notierte, ist danach eine höchst verständliche Befürchtung. Der andere, der Gewaltige, den Block sich lieber mit den Zwölf wünschte, kann nur der Künstler-Mensch gewesen sein, in dem sich Blocks Nachdenken über ein Leben in der neuen Zeit konzentrierte. Tatsächlich taucht einen Tag vor der ersten Notiz zu den Zwölf im Tagebuch eine Eintragung auf, die unter dem Eindruck der Renan-Lektüre Jesus für ein geplantes Jesus- Drama so sieht: „Nicht Mann, nicht Frau.“ – „Künstler.“
In dieser Charakterisierung seines Jesus nahm Block ein altes Bild auf, welches er in dem Aufsatz zu August Strindbergs Tod 1912 entworfen hatte. Es sei Zeit für eine neue „Geschlechterauslese“, in der das „männliche Prinzip“ und das „weibliche Prinzip“ harmonischer als bisher verteilt seien. Strindberg sei eine der gelungensten „Proben“ dieser neuen Zusammensetzung gewesen und habe für die Überwindung eines Zustands gearbeitet, den Block so beschrieb:

Wenn das Männliche zum Männchenhaften wird, entartet Zorn zu Bosheit; wenn das zum Weibchenhaften wird, verwandelt sich Güte in Gefühlsseligkeit.

Die neue Geschlechterauslese gehörte für Block zur Vorgeschichte des Künstler-Menschen. Den Wechsel der Masken, das schillernde Verhalten der Menschen, die seelenzerrüttenden Kämpfe um die neue Art hat er, die „Zwölf“ befragend, in all seiner nachrevolutionären Prosa erzählt. Am eindringlichsten in einer Vision aus dem „Zusammenbruch des Humanismus“, die die Radikalität seines Erneuerungsbewußtseins bezeugt:

Der Mensch – ein Tier; der Mensch – eine Pflanze, eine Blume. In ihm treten Züge äußerster Grausamkeit zutage, einer scheinbar nicht menschlichen, sondern tierischen Grausamkeit; daneben Züge einer naturhaften Sanftheit, die gleichfalls nicht menschlich, sondern pflanzenhaft zu sein scheint. An das sind zeitweilige Larven, Masken, das Wechseln unendlich vieler Larven. Dieses Wechseln zeigt eine Veränderung der Art an: der ganze Mensch ist in Bewegung geraten; er ist aus dem jahrhundertelangen Schlaf der Zivilisation erwacht, Geist, Seele und Körper sind vom Wirbel der Bewegung erfaßt; in dem Wirbel der geistigen, politischen und sozialen Revolutionen, die ihre kosmischen Entsprechungen haben, vollzieht sich eine neue Auslese, formt sich ein neuer Mensch; der Mensch, das humane Tier, das gesellschaftliche Tier, das sittliche Tier wird zum Künstler, um mit Wagner zu sprechen.

5
Gegner und Verbündete des Künstler-Menschen hat Block genau benannt. Ameisen-Mensch und Dandy-Mensch stünden in diesem Kampf gegen die „Menschen der Elemente“ und die aktiven Revolutionäre, deren „stürmische, physische, äußere Offenbarung“ der Konzentration aller Kräfte auf inneres Wirken bei den Künstlern entspreche.
Rachsucht gegen die Elementarkräfte sei die Triebfeder der Ameisen-Menschen. Fällt der erste hinunter bei der ewigen Suche nach den Nadeln, kriecht der zweite nach, stürzt der ab, kriecht der dritte hinauf. Und der Ameisenhaufen wächst. Voll geheimen Grimms, bemüht, das Toben der irdischen und unterirdischen Elementarkräfte zu vergessen und nicht zu hören, bauen sie wutschnaubend Maschinen und bringen die Wissenschaft voran. Block knüpfte dieses vernichtende Bild eines Produzierens um des Produzierens willen an die Erschütterung, die das Erdbeben von Messina in den fortschrittsgläubigen Geistern ausgelöst hatte.

Plötzlich, in dem historischen Augenblick, da Tolstoi Krieg und Frieden schreibt, Mendelejew das Periodensystem der Elemente entdeckt, da im Schoß der Erde das Erz sich der Picke des Menschen singend unterwirft, da Eisenbahnzüge den Raum in allen Richtungen verschlingen, da der deutsche Kaiser hochmütig den ,wundertätigen Erbauer‘, den Wohltäter der Menschheit und Eroberer der Lüfte umarmt – in eben diesem Moment schlägt in einem Observatorium der Zeiger des Seismographen aus.

Die Wissenschaftler sagten lediglich, daß Süditalien auch künftig Erdbeben drohten; daß dort die Erdkruste noch nicht festgeworden sei. Sind wir aber sicher, daß die ,Kruste‘ über einer anderen, ebenso furchtbaren, nicht unterirdischen, sondern irdischen Elementarkraft, der des Volkes, fest genug geworden ist?

Sei der Ameisen-Mensch unempfindlich für das Ausschlagen des Seismographenzeigers, so fege der Dandy-Mensch den Seismographen einfach hinweg. Die Vernichtung, die der eine nicht begreift, macht der andere sich zum Gaudium. Entstanden aus dem antibürgerlichen Aufruhr, der „manches auf dem Ödland der ,Philantropie‘, der ,Progressivität‘, der ,Humanität‘ und der ,Utilität‘“ versengte, münde die Verneinung in die Selbstzerstörung. Die unerlaubte Grenze überschreitend, lasse das Feuer die Wurzeln dieser Jugend verdorren. Historisch-autobiographisch hatte Block das Problem im Poem „Vergeltung“ zu fassen versucht, doch nach der Revolution schließt er seine Prosa „Die russischen Dandys“ mit der besorgten Feststellung:

Aber auch im Arbeiter- und Bauernmilieu sind schon junge Dandys anzutreffen.

Ameisen-Mensch und Dandy-Mensch hielt Block für nicht leicht überwindbar. Sie seien durchaus in der Lage, sich rasch anzupassen, ja als Gönner und bürokratische Mäzene des Künstler-Menschen aufzutreten. Aber es sei das „rettende der schöpferischen Widersprüche“, die „geheime Freiheit“, die die Umarmung des Künstler-Menschen durch den Spießer-Pöbel oft jäh beende. Das Gift der Haßliebe, das der Künstler-Mensch auf alles ausdehne, sei auf die Dauer für einen auf Ruhe und Endgültigkeit Erpichten unerträglich.
Die „Erprobung der Herzen durch die Harmonie“, welche Block in der Puschkin-Rede als Auftrag der Poesie sieht, müsse Ameisen- wie Dandy-Mensch verdächtig sein: niemand weiß, ob sie die Probe bestünden. Um es nicht so weit kommen zu lassen, erschalle seit jeher der Ruf nach Mäßigung:

Vergiß Poet! ruft man mir zu.
Laß Wohnlichkeit dich inspirieren!
In Frösten lieber dann erfrieren!
Nein, nicht Beschaulichkeit. Nicht Ruh.

Um so willkommener ist die Unruhe und Erregung des Künstler-Menschen dem russischen Revolutionär, der weder die Selbstgefälligkeit des Aufhäufens noch die der Selbstzerstörung hat und Halbheiten, Schwächen und Erbärmlichkeiten beständig kritisiert. Hier treibt das rettende Gift der schöpferischen Widersprüche die Sensibilisierung.
In unseren Tagen, kurz vor dem hundertsten Geburtstag des Dichters im Jahr 1980, gewinnt die Herausforderung von Blocks Welt-Synthesen an Deutlichkeit. Sie übergreift den Sturm der Analysen in den Jahren zwischen 1910 und als sich die Material- und Operationsästhetiken an ihr übten und ihre Zusammensetzung im Laboratorium der Spracharbeit und in der Praxis der Gesellschaft erprobten. Ihre Kühnheit ist nicht übertroffen. Die neue Lektüre hat eben erst begonnen.

6
Block lesend wird man es freilich immer dringlicher mit diesen bezeichnenden Unschärfen zu tun bekommen, die die Empfindungen ins nicht Geheure locken. Wer sich dieser Lockung entzieht, verfehlt den Dichter. Denn Blocks Unschärfen im Historischen, Philosophischen, Politischen sind kein Mangel, sondern seine Art, die Empfindungen für das mit unserem Vorrat an Begriffen schwer oder gar nicht Sagbare zu schärfen. Blocks Geschichtsraffungen, Prozesse riesigen Ausmaßes zusammenziehend, schaffen die Schärfe im Lyrischen, poetische Genauigkeit.
Blocks geistiger Maximalismus scheute vor den äußersten Schlußfolgerungen aus den ihm zugänglichen Informationen nie zurück. Da aber sein Denken weder Weltentwürfe hervorbrachte noch ein Laborieren mit Varianten, ein Spiel der Konzepte war, gibt es bei Block keine Verlängerungen in die Utopie oder Prophetie. Das Artistische am Künstler-Menschen war für Block nie die Fertigkeit, etwas experimentell herauszubekommen, sondern immer die Fähigkeit zur geschärften Empfindung des neuen Augenblicks.
Diese Sammlung der Welt im Augenblick zeigte auch in Blocks letztem großem Gedicht, den „Skythen“ aus dem Jahr 1918, die Leistung der Unschärfe. Da Block mit dem Vergeltungssieg der Elementarkräfte in der Oktoberrevolution die gesamteuropäische Vergreisung durchbrochen glaubte, baute er auf den Anschluß aller solidarischen Kräfte des Westens, auf die Unterstützung der russischen Revolution. Das Gedicht entstand in dem Augenblick, als die Bedrohung des revolutionären Rußland durch das deutsche Kaiserreich noch bestand, vor dem Friedensschluß von Brest-Litowsk. Es ist als eine Anrede der Skythen an Europa gebaut, ein Warngedicht.
Block ging von der Möglichkeit eines neuen Hunnensturms oder Tatareneinfalls, aus, wie er im 4. bzw. 12. Jahrhundert Europa beunruhigt hatte und der nun, im 20. Jahrhundert, wieder drohe. Die Skythen hätten immer den Schild zwischen Europa und Asien gehalten und die Hauptlast getragen. Wenn sie jetzt im Stich gelassen würden, könnten sie vielleicht den Schild wegziehen und Todeskampf der beiden Gegner tatenlos zusehen.
Die historische Doppelgestalt Rußlands zwischen Europa und Asien hatte schon frühere Jahrhunderte ständig bewegt. Block betont die Aufnahmefähigkeit für den scharfen gallischen Verstand wie für den düstern deutschen Genius, aber auch die Empfindlichkeit für die Musik des Panmongolismus. Block knüpft hier an Wladimir Solowjows Interpretation des Panmongolismus an, die der Mystiker außer in einem Gedicht, aus dem Block das Epigraph zu den „Skythen“ nahm, in einem seiner letzten Prosa-Texte 1899 gegeben hatte. Eine eingeschobene Erzählung enthält die Prophezeiung über eine fünfzigjährige Herrschaft der Mongolen im Europa des zwanzigsten Jahrhunderts. Beendet werden sollte sie durch die Arbeit zahlreicher Geheimgesellschaften und das Auftreten eines Volksführers, der sich als Messias fühlt, zum Herrscher Europas aufsteigt, aber als er in Jerusalem auch zum geistlichen Oberhaupt ausgerufen werden will, als der Antichrist erkannt wird.
Man wird bemerken, daß Majakowskis Weltklassenkampf-Hyperbeln in „Mysterium buffo“ und „150 Millionen“ der Beginn der analytischen Erkundung dieser ungeheuren Zusammenschau Blocks sind, die einem Kalenderzeitrechnen natürlich niemals standhielte. Für Blocks Skythen-Synthese gilt aber, was er in der Catilina-Prosa von seinem Vorgehen sagte:

1. Ich mache mich nicht an eine akademische Untersuchung der ersten besten historischen Epoche, sondern suche jene Epoche aus; die meiner Zeit im historischen Prozeß am meisten entspricht. Durch das Prisma meiner Zeit sehe und verstehe ich klarer jene Einzelheiten, die dem Forscher, der den Gegenstand betrachtet, entgehen müssen; 2. ich bediene mich des Vergleichs von Erscheinungen, die aus den Lebensbereichen stammen und scheinbar nichts miteinander zu tun haben; im vorliegenden Fall stelle ich zum Beispiel die römische Revolution und Verse Catulls gegenüber. Ich bin überzeugt, daß man nur mit Hilfe solcher und ähnlicher Vergleiche den Schlüssel zur Epoche finden, ihr Beben spüren, sich ihren Sinn erklären kann.

Die Skythen als ein Nomadenvolk, das in der zweiten Hälfte des vorchristlichen Jahrtausends die osteuropäischen Steppen beherrschte, hatten geschichtlich für Block genau die Unschärfe, die nötig war, um sie zu Sprechern für das welthistorische Problem zu machen, das er in der Konfrontation von revolutionär verjüngtem Rußland und vergreistem Westeuropa sah. Unbehaust und ungeborgen befindet sich der Skythe ewig im Aufruhr, doch Europa ist ihm lieb. Die entscheidenden Verse des Gedichts sind dann:

Ja, so lieben, wie dies Blut hier liebt,
aaaaaKönnt ihr schon längst nicht mehr. Und nicht erkennen,
Daß es auf Erden eine Liebe gibt,
aaaaaDie euch zerbrechen kann und auch verbrennen.

Wir lieben alles: gallischen Esprit,
aaaaaDer Zahlen kalte Glut, das Ahnen
Des Unbekannten, doch auch das Genie
aaaaaDes finster brütenden Germanen.

Und wir erinnern uns der Hölle auch,
aaaaaDer Straßen von Paris. Venedigs Feste
Sind uns so nah wie jener graue Rauch,
aaaaaDer sich auf Kölns Gemäuer niederpreßte.

Diese Sicht des „Skythen“ Alexander Block umgreift und vertilgt sowohl den Rußland-Messianismus, die Idee von der besonderen Rolle Rußlands in der Welt, als auch den Panmongolismus, die Idee von der permanenten Bedrohung der europäischen Welt. Sie gelangt zu einem synthetischen Rußland-Bild, das die phantastische Produktivität dieses Landes wie deren Gefährdungen in den Widersprüchen seiner universalgeschichtlichen Stellung begreift.

Fritz Mierau, Sinn und Form, Heft 3, Mai/Juni 1977

Die musikalische Zeit – Alexander Block im Gespräch

Etwa vor einem Monat, im Dezember 1977, trat wieder einmal Alexander Block in mein Zimmer. Jener große, im Gedächtnis seines Volkes bis auf den heutigen Tag wirklich lebendige russische Dichter, der 1921 vierzigjährig in Petrograd verstarb. Sein Kommen überraschte mich nicht, hatte ich ihn doch gerufen. Unsere Bekanntschaft währte inzwischen sechs Jahre und rührte aus einer Arbeit her, die ich damals als einer von vielen für ihn besorgt hatte: der Nachdichtung etlicher seiner Gedichte für eine dreibändige Auswahl seiner Werke. Bei dieser Art war natürlich ich derjenige gewesen, der da profitiert hatte. Blocks Gedichte, die ich mir vom leisesten Tonfall her und bis ins kleinste Einzelwort hinein vergegenwärtigen, verständlich und nachempfindbar machen mußte, bevor ich daran gehen konnte, ihren Sinn und ihre Sinnlichkeit im Deutschen derart genau zu verschließen, daß sich ihre Dichte jedem aufmerksamen Leser wieder zu erschließen vermag, Blocks Gedichte also wurden für mich zum Gewinn. Freilich, ich mußte mich mit ihnen erst einmal sachlich und nüchtern beschäftigen, sie nicht so sehr als Äußerungen der Kunst, sondern als Entäußerungen eines wirklichen, authentischen Lebens betrachten. Aber der Zwang, sich für mehr als fünf Minuten in die Haut eines anderen zu versetzen, erhöht – welcher gründliche Leser wüßte das nicht! – das eigene Lebensgefühl, erweitert es um die mit anderen Sinnen gemachten Erfahrungen. Und wenn diese scheinbar fremden Erfahrungen sich mit den scheinbar eigenen Erfahrungen und Empfindungen voll und ganz decken, fühlt man sich eins mit dem anderen. Das sind die hohen Augenblicke, die jeder kennt, der je für sich bekannte, von einem Kunstwerk fasziniert worden zu sein. In der Faszination dieses Sich-im-Innersten-Wiederfindens angesichts einer fremden Äußerung gipfelt für mich die Bestimmung aller Künste. Daß sich bei solcher Begegnung die Zeitschranke hebt und unser Verstehen sich aus der Enge des bloß auf unsere Tage gerichteten Zeitempfindens befreit, ist weniger mysteriös als vielmehr zwangsläufig und realistisch. Alexander Block selbst hat dieses Phänomen mit den Begriffen „musikalische Zeit“ und „Kalenderzeit“ umschrieben. Und meine erste Frage, die ich ihm im Dezember vergangenen Jahres stellte, zielte darauf ab, mehr darüber zu erfahren.
Nehmen Sie bitte Platz, Sascha! sagte ich, und Block lächelte und folgte meiner Einladung.
Wenn ich Sie recht verstehe, begann ich, kritisieren Sie mit dem Ausdruck Kalenderzeit die Betrachtung unseres individuellen und historischen Daseins als lediglich chronologisch verstandene Folge von Abläufen und Ereignissen. Eine Betrachtungsweise, die nicht nur Ihren, sondern auch den meisten meiner Zeitgenossen so vernünftig und allein richtig erscheint. Dabei übersehen wir, daß uns diese Betrachtung begrenzt und beschränkt, zur puren Selbstgenügsamkeit, zur Genüge am Täglichen unserer Tage verführt. Dagegen plädieren Sie, Alexander Block, für ein Denken, Empfinden und Handeln in den Räumen der „musikalischen Zeit“. Was verstehen Sie darunter?
Block, der mir aufmerksam zugehört hatte, sagte: Sie, als einer meiner Nachdichter, sollten es eigentlich schon begriffen haben. Erinnern Sie sich denn nicht wenigstens eines meiner Gedichte oder Poeme, in dem ich – besser als es jede Erklärung vermag – genau vorführe, was ich unter musikalischer Zeit verstehe?
Ich genierte mich meiner Frage, sah aber, daß Block ohne jede Ironie, die ihm verhaßt war, zu mir herüberblickte und wirklich Antwort erwartete.
Doch, sagte ich nach einigem Zögern, in Ihrem Poem Die Zwölf lassen Sie Jesus Christus leibhaftig als Revolutionär in den Tagen der Oktoberrevolution mitmarschieren…
Sehen Sie, warf Block ein, ich bin es gewohnt, Tatsachen aus allen Lebensbereichen, die mir zu einer Zeit zugänglich sind, einanderzuzuordnen, und ich bin überzeugt, daß sie alle zusammen immer einen einheitlichen musikalischen Impetus schaffen. Und bedenken Sie, je sensibler ein Dichter, desto unzertrennter empfindet er Eigenes und Nicht-Eigenes! Daher sind die zartesten und intimsten Sehnsüchte in der Seele des Dichters in Zeiten der Stürme und Katastrophen übervoll von Sturm und Katastrophe.

Gut, daß Sie das betonen, sagte ich, das nimmt all denen Wind aus den Segeln, die voreilig meinen könnten, Ihr musikalischer Zeitbegriff sei ahistorisch und verhindere demnach Zeitgenossenschaft. Das Gegenteil ist der Fall. Indem Sie den Unterstimmen des Vergangenen und den Oberstimmen des Künftigen gestatten, sich der dominierenden Melodie eines als gegenwärtig empfundenen Geschehens beizuordnen und sich nach musikalischen Gesetzen miteinander zu verschlingen oder sich kontrapunktisch zu ergänzen, entsteht wahre Vielstimmigkeit. Und die Melodie des Gegenwärtigen, die Disharmonien und Dissonanzen keineswegs ausschließt, tritt reicher, kräftiger und Überzeugender zutage. Das ist – wie mir scheint – die eigentliche Musikalität Ihrer Gedichte. Und die sprachliche Eleganz Ihrer Verse dient dem nur als Kleid.
Block errötete, neigte den Kopf leicht in meine Richtung und sagte: Ich freue mich, wenn Sie das so sehen und verstehen… Blocks Verlegenheit irritierte mich. Womöglich hatte ihn das Lob, das aus meinen Worten sprach, auch mißtrauisch gemacht. Darum beeilte ich mich, etwas mir eher problematisch Erscheinendes einzuwerfen.
Bei manchen Ihrer Gedichte, sagte ich, die an und für sich schreckliche Vorgänge beschreiben, etwa den Selbstmord einer Frau, an der das Leben immer nur vorüberglitt, oder den Tod eines Jockeys, das Ertrinken eines Hafenarbeiters, sprechen Sie in einer Sprache, die das Häßliche nahezu verschönt und übertönt. Sind Sie – ich bitte um Entschuldigung für die rigorose Frage – ein Ästhet?
Block schien nicht überrascht. Sicher, sagte er, sicher bin ich Ästhet. Aber keiner von denen, die vor der Zeit müde geworden sind und sich der notwendigen Einsicht versperren, daß ihr Leben – insgeheim und offenkundig – ein Martyrium zu sein hat. Denn wahrhafte Ästheten müssen sich die Hände zerstechen an allen Stacheln und Dornen der Schönheit; sie dürfen nicht auf einem Lager aus Rosen ruhen, das nicht ihre, sondern fremde Hände für sie bereitet haben. Sie müssen wissen, daß sie Verantwortung tragen, weil sie mit Begabungen gesegnet sind. Ich erwarte von ihnen, daß sie zeigen, was mit dem Arbeiter und dem Bauern geschehen soll, wenn er sie in eben diesem Augenblick danach fragt. Ich erwarte, daß sie den Alltag des Lebens wahrhaft erleuchten und zu seiner Läuterung beitragen. Sie, lieber Rennert, werden mir vielleicht sagen, daß ich über Unmögliches spreche, über etwas, was man längst vergessen haben sollte. Sie werden sagen, daß ich naiv sei und daß die Literatur längst aufgehört habe, jene Rolle im Leben zu spielen, die sie einst gespielt hat. Einwände gibt es viele, sie sind bekannt; ich jedoch spreche trotz allem so und nicht anders; nur über das Große lohnt es nachzudenken, nur große Aufgaben soll sich der Schriftsteller stellen, kühn und unbeschadet seiner geringen persönlichen Kräfte; der Schriftsteller ist ja ein Glied einer endlosen Kette; von Glied zu Glied muß man seine Hoffnungen, mögen sie auch unerfüllt geblieben sein, und seine Vorhaben, so unvollendet sie auch sind, weiterreichen, weitergeben…
Die Größe Ihrer Aufgabe, unterbrach ich Blocks vehement vorgebrachtes Bekenntnis, verführt Sie allem Anschein nach nicht zu Arroganz und Besserwisserei. In vielen Ihrer Gedichte fällt mir jedoch auf, daß Sie die Rolle eines Beobachters spielen, nicht als direkt Beteiligter oder Betroffener reagieren. In Ihrem 1903 geschriebenen Gedicht „Die Fabrik“, das Ihnen Ärger mit der Zensur eintrug, heißt es: „Von oben werde ich zum Zeugen“, im Gedicht „Über den Tod“ sagen Sie: „Und ich, von einem Baumstumpf aus, ich sah / Auf einmal alles…“, und in „Aufsitzt die Barke des Lebens“ beschreiben Sie das Dilemma einer gewissen eigenen Isoliertheit. Ich käme darauf nicht so hartnäckig zu sprechen, wenn es nicht zugleich auch in anderer Weise mein Dilemma wäre…
Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, sagte Block, lassen Sie mich deshalb indirekt und mit einem Erlebnis auf das Fragliche antworten. Unlängst, es mag 1908 oder 1909 gewesen sein, schrieb mir ein Bauer aus einem nördlichen Gouvernement einen Brief, in dem, wie ich glaube, goldene Worte stehen. „Entschuldigen Sie meine Kühnheit“, schreibt er, „aber mir scheint, wenn unsereiner nur die Zeit zum Hervorbringen von Bildern hätte, stünden sie nicht hinter den Ihrigen zurück…“ Schauen Sie, ich halte diesen Bauern für einen beginnenden Dichter. Und was kann ich auf seine Worte, die neben dieser Wahrheit noch andere Wahrheiten erbarmungslos zur Sprache bringen, antworten? Wie kann ich mich rechtfertigen in meiner Privilegiertheit? Ich denke, daß man sich nicht rechtfertigen kann… Ich bin ein Intellektueller, ein Literat, und meine Waffe ist das Wort. Ich fürchte die Worte und spreche sie dennoch aus. Ich fürchte die „Wortkunst“, ich fürchte das Literatentum und warte dennoch auf literarische Antworten. Wir alle hegen insgeheim die Hoffnung, daß die Kluft zwischen Worten und Taten nicht ewig bestehe, daß es ein Wort gebe, das in die Tat übergeht…
Ist das nicht eine übermäßige Forderung, die Sie da erheben? fiel ich Block ins Wort.
Block musterte mich lange, ehe er sagte: Es lohnt nur dann zu leben, wenn man übermäßige Forderungen an das Leben stellt: alles oder nichts; wenn man das Unerwartete erwartet, wenn man nicht an das glaubt, was es „auf der Welt nicht gibt“, sondern an das, was es auf der Welt geben soll, selbst wenn es jetzt noch nicht da ist und noch lange nicht da sein wird. Aber das Leben wird es uns geben, denn das Leben ist und ich weiß, was ich sage – herrlich.
Lieber Sascha, brachte ich meine Zweifel ins Spiel, erwarten Sie, daß der Leser dies so unbesehen glaubt?
Den Lesern, sagte Block gelassen, rate ich: Hört nicht auf unser Lachen, hört auf den Schmerz, der sich dahinter verbirgt. Glaubt keinem von uns, glaubt dem, was hinter uns steht. Wenn wir nicht imstande sind, euch zu zeigen, was hinter uns steht, was manche von uns ersehnen und erwarten, dann wendet euch so rasch wie möglich von uns ab. Macht aus unserer Sache keine Mode, aus unserer Seele keine Jahrmarktspuppe, die man zur Belustigung des Publikums durch Straßen, literarische Abende und Almanache schleift… Das erste und wichtigste Kriterium dafür, ob ein Schriftsteller nicht nur als zufällige und vorübergehende Größe gelten kann, ist das Gefühl für den Weg. Dieser sattsam bekannten Wahrheit sollte man immer eingedenk sein, in unserer Zeit besonders. Betrachtet man die zeitgenössischen Schriftsteller unter diesem Gesichtspunkt, so muß man viele in Frage stellen, selbst die anerkannten – und manch andere sogar ganz verwerfen. Doch auch bei solcher Wertung sollte man Vorsicht walten lassen und alle persönlichen Besonderheiten des Milieus berücksichtigen, aus dem der Schriftsteller hervorgegangen ist.
Blocks letzter Satz schien mir vor allem in meine Richtung gesagt zu sein. Und ich bedachte die hohe Forderung, die er trotz aller Rücksichtnahme enthielt. Block bemerkte, daß etwas in mir zu arbeiten begann, was ich nur selbst zu Ende bringen konnte. Er erhob sich, reichte mir die Hand und sagte: Bis bald! Bis bald! erwiderte ich und schloß das Buch, die Tür.
(Die Äußerungen Alexander Blocks in diesem Gespräch sind, bis auf geringe rhetorische Einschübe, authentisch und wurden seinen Reden und Essays entnommen, die sich im zweiten Band der von Fritz Mierau besorgten dreibändigen Ausgabe seiner Ausgewählten Werke finden – J. R.)

Jürgen Rennert, aus: Helmut Baldauf (Hrsg.): Schriftsteller über Weltliteratur. Ansichten und Erfahrungen, Aufbau Verlag, 1979

 

VERSE FÜR ALEXANDR BLOK1
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I

Wie ein Vögelchen in meiner Hand, ein Leichtgewicht –
Dein Name, wie ein Stückchen Eis im Mund, er spricht
Sich aus mit einem Zungenschlag und gleitet schwerelos
Von meinen Lippen, er umfasst vier Lettern bloss,
Ist wie ein Ball, rasch aus der Luft gegriffen, noch im Flug.
Ein Silberglöckchen, das ich gern im Gaumen trug.

Ein Stein, den grade jemand in den Teich geworfen hat,
Erzeugt den Gleichklang, der zu deinem Namen passt.
In fernem Hufgeklapper klingt er wie ein Echo nach,
Verstärkt sich und dröhnt mächtig durch die Nacht,
Bevor er wie ein Abzugshahn an meiner Schläfe klackt,
Metallisch, klangstark und – dein Name wird zum Akt.

Dein Name – aber ach, was soll’s! – er wird zum Kuss,
Senkt sich auf meine Augen, ja, es ist ein sanftes Muss,
Er löst den Frost, der meine Lider lähmt,
Dein Name ist ein Kuss, der schweren Schnee erwärmt.
Ein Schluck aus blauem, eisig kaltem Quellenschlund.
Denn meinem Traum verleiht dein Name sichern Grund.

15. April 1916

 

II

Wer ruft dich in mein junges Leben,
Du Ritter
2 ohne jeden Tadel?
Du zärtliches Gespenst! Verwegen
Und von höchstem Adel!

Du stehst im bläulich grauen
Dunkel, trägst einen rauhen
dichten Schneebehang.

Nein, nicht der Wind ist’s,
Der mich durch die Strassen hetzt.
Der Feind, der mir im Nacken sitzt,
Beherrscht und lenkt mich jetzt.

Mich hat der Barde längst behext,
Sein blauer Blick,
umflort von Schnee.

Der Schnee – ein Schwan –
Spreizt vor mir sein Gefieder.
Die Federn fangen langsam an
Zu schweben, fallen nieder.

So geh ich auf den Federn
Hin zur Türe, hinter der
Der Tod sich regt.

Hinter dunkelblauen Fenstern
Singt er sein Lied,
Er singt für mich aus fernster
Nähe, es klingt wie ein Geläut.

Eine Reihe von Schreien,
Die Schwanenleier –
Mir zur Feier.

Gespenst! Geliebter!
Alles – ich weiss – nur ein Traum.
Bleibt nur meine Bitte:
Verlier dich im Raum! Und amen,
Endlich amen!

1. Mai 1916

 

III

Du folgst der Sonne in den abendlichen Westen,
Betrittst schon bald den Dämmerschein.
Du folgst der Sonne in den abendlichen Westen,
Schon bald wird deine Spur im Schnee verschwunden sein.

Gleichmütig gleitest du vorbei an meinen Fenstern,
Verlierst dich im Gestöber und bist wieder fort,
Mein Herrlicher, mein Göttlicher und mein Gerechter,
Mein sanftes Licht und meiner Seele Hort!

Ich will von deiner Seele nichts für mich allein
Und werde deinen Gang nicht stören!
Nie werde ich in deine blasse, oft gekoste Hand
Auch bloss den Fingernagel bohren.

Nie werd ich dich bei deinem Namen rufen
Und auch nicht meine Arme nach dir recken.
Dir Ehre zu erweisen, fühl ich mich berufen,
Dein fahles Antlitz aus der Ferne anzubeten.

Umweht von feinen leichten Flocken
Lass ich mich nieder auf die Knie,
In deinem Namen lass ich mich verlocken
Zu einem Kuss tief in den Schnee –

Erhaben schreitest du an mir vorüber,
Durchmisst die Grabesstille und gehst fort,
Mein sanftes Licht, mein Seelenhüter,
O meine Heiligkeit – dein Ort ist dort.

2. Mai 1916

 

IV

Dem Tier – seine Höhle,
Dem Pilger – die Wege.
Dem Toten – die Bahre.
Ja, jedem – das Seine.

Frauensache – Lug und Trug,
Zarenpflicht – sprich: Herrsche gut!
Mir bleibt zu tun – genug,
Den Namen zu rühmen, den deinen.

2. Mai 1916

 

V

Alle Kuppeln sind in Moskau voll entflammt,
Die Glocken dröhnen durch mein Land,
Die Gräber liegen vor mir allesamt,
In ihnen ruhen unsre Zaren.

Im Kreml, weisst du, geht der Atem leicht,
Geht leichter als in jedem andern Reich!
Und abends bete ich dich an, du weisst,
Du hast es schon erfahren.

Du überquerst in Petersburg den Fluss Newà,
In Moskau überquere ich den Fluss Moskwà,
Mit tief gesenktem Kopf steh ich nun da,
Derweil die Strassenlampen starren.

Vom Schlaf verlassen liebe ich dich um so mehr,
Vom Schlaf verlassen nehme ich dich wahr,
Wenn in der Früh die Kremlglocken schwer
Von allen Türmen hallen.

Doch trifft mein Fluss nicht deinen Fluss
Und unsre Hände machen miteinander Schluss,
Man bleibt geschieden – das ist unser Muss,
Bis Früh- und Abendrot zusammenfallen.

7. Mai 1916

 

VI

Ach, bloss ein Mensch! So dachte man
Und liess ihn einfach sterben.
Nun ist er tot, der engelhafte Mann –
Nun ist es Zeit, um Klage zu erheben!

Er war’s, der abends jeden Tag besang
Und seine Schönheit rühmte.
Drei Lichter flackerten, gespeist von Tran
Und abergläubischem Bemühen.

Er trat heran im Strahlenmeer –
Er spannte heisse Saiten in den Schnee.
Drei Kerzen gab er für die Sonne her –
Damit sie uns mit ihrem Licht verseh!

Schaut hin, wie seine dunklen Lider nun
Herunter brechen!
O schaut, wie seine Flügel schon rundum
Gestaucht sind und gelöchert!

Der schwarze Rezitator liest,
Das unbedarfte Publikum mag es nicht hören…
– Tot liegt der Dichter im Verlies,
Um seine eigne Auferstehung zu beschwören.

9. Mai 1916

 

VII

Dort, hinter jenem Wäldchen, muss das Dorf
Verborgen sein, wo ich einst wohnte.
Was ich von der Liebe sicherlich nun sagen darf –
Sie ist leichter, als ich einstmals wähnte.

– He, ihr Idole, sollt alle verrecken!
Die Knute, rasch gereckt – sie fällt und trifft,
Dem Aufschrei folgen Schmerzen, Flecken,
Und wieder ruft das Glöckchen in die Pflicht.

Aus den öden Erntefeldern ragen
Reihenweise Pfosten für den Strom,
Und die Drähte, die den Himmel tragen,
Singen und besingen leis den Tod.

13. Mai 1916

Marina Zwetajewa
Übersetzung Felix Philipp Ingold

 

Fakten und Vermutungen zum Autor
Fakten und Vermutungen zum Übersetzer + ÖM + ArchivIMDb +
PCLZ +KLG
Georg-Büchner-Preis
shi 詩 yan 言 kou 口
Nachrufe auf Paul Celan: Neue Literatur ✝︎ NZN



Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.

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