EIN KLEINES KOSMOLOGISCHES GEDICHT,
AUCH MIT TIEREN, PFLANZEN UND MENSCHEN
mit vielen tieren
beginnt ein staubkorn sich zu drehn
gleich mücke fängt sich an zu wehren
da flügel federleicht verwehn
auf erden würmer sich beschweren
ein krebs die scheren schleift in meeren
dass maus wie mann auch untergehn
in streifen tiger zebras sehn
wo pfade schlängelnd schlangen queren
gevierteilt kind träumt drachen, bären
da eltern märchen brummen, krähn
rein schwänen schwant die luft in höhn
wie unten schwein muss ferkel nähren
zusammenhängen spinnen lehren
dass augen sonnen sich in seen
ein pferd führt lustig eselsehn
wo schäfchen wolken zähln bis zehn
kein stern will steinchen nur gebären
hund katzen, katzen hund empören
wo männchen um ihr weibchen flehn
ein täubchen schwebt in höhern sfären
da ihre schleier eulen nähn
sanft lämmer löwenmaul begehren
wie affenlieb uns selbst verklären
stillschweigen fische, engel, feen
WO DORNEN SCHARF VOR AUGEN STEHN
Das Entstehen eines Gedichts ist der Evolution natürlicher Arten insofern verwandt, als auch dabei ausgesondert – gewählt und verworfen – wird. Ein bestimmtes Gedicht wäre dabei das Ergebnis einer Auslese und damit eine Art Gewinner; das Verworfene hat sich vielleicht im Aussonderungskampf nicht durchsetzen können.
Sind aber die Wörter, die Verse, ist das manifeste Gedicht tatsächlich Gewinner und das Verworfene in einem Jenseits des Gedichts ein Verlierer? Poetische Darstellung könnte doch enthalten, dass sich die Begriffe des Auswählens, des Verwerfens und des Gewinnens und Verlierens, zumindest in ihrem Wet, mitverwandeln. Etwas auch deshalb, weil sie dabei Merkmale von Spielen annehmen? So könnte das manifeste Gedicht gerade das sein, was dem Untergang anheimgegeben ist, der eigentliche Verlierer, der auch deshalb so laut und wie ein säugling tief im dunklen walde singt. Und wenn Verwandlung Spielerisches enthält, dann können die verworfenen Verse manchmal die im übertragenen Sinn auserwählten sein. Vielleicht sucht die Poesie gerade auch Niederlage und Verlust und mit ihnen Verborgen- und Verlorenheit, vielleicht ist sie ein Letztes, das kein Erstes sein will oder kann. Eben darin läge ein wesentlicher Unterschied zwischen ästhetischer und spielähnlicher Auswahl und natürlicher Selektion, zwischen ästhetischer und natürlicher Evolution. Wenn die Begriffe, etwa die des Gewinnens und Verlierens, selbst in verwandelnde Bewegung geraten, dann könnte das, was nicht in den Versen selbst und ausdrücklich steht, dennoch gegenwärtig und wirksam sein, ja, gegenwärtiger und wirksamer als das, was für die Sinne und das unmittelbar verstehende Lesen gegenwärtig scheint. Dann wären die sinnlich und sprachlich gegenwärtigen Verse geradezu Exemplifikationen dessen, was sie nicht sind. Dann würde der strauss durch verwandelten streit deshalb dreimal schön, weil der Strauss in der Poesie als Vogel, Streit und Blumengebinde auf einmal gegenwärtig sein kann, auch wenn nur ein Wort dafür in den Versen selbst manifest zu sein scheint.
Die hier versammelten Aufsätze sind in den letzten Jahren entstanden, einige auch schon in Zeitschriften und Jahrbüchern veröffentlicht, alle jedoch wurden überarbeitet. Dem jeweiligen Anlass und Thema gemäss reichen sie von eher literarischen bis zu einigermaßen sprachphilosophischen Darstellungsformen.
Franz Josef Czernin, Nachwort, Juni 2014
Franz Josef Czernin: Mainzer Poetikvorlesung 1
Josef Czernin im Gespräch mit Frauke Tomczak: Literaturkritik ist eine Erkenntnisform
Sehr seltene Single einer österreichischen Band namens YOUNG SOCIETY, drei Singles hat man um das Jahr 1970 herum (immerhin bei Decca) gemacht, hier zu hören die B-Seite der Single Flowers – Songschreiber ist ein gewisser F.J. Czernin – er hatte damals Musik studiert.
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