SENDEZEIT
Nachmittags ein Kommentar, aber abends ziehen
Sterne über den Bildschirm, die rascher entstanden
aaaaasind
als die Spur der Gedanken. Sie öffnen und schließen
Türen dieses Systems, in dem wir unser Mögliches
tun, bis zum Dementi. Dann hockt auf einmal
nachts auf der Fensterbank eine Eule, und es ist
eine neue Situation, die in den Nachrichten nicht
erwähnt wird. Irgend etwas mußt du jetzt
sagen. Alles gespeichert. Du kannst auch versuchen,
Gesagtes zu variieren; im Archiv stehen Leute
zum Nachschauen bereit. Oder die Sonne bricht
durch den Dunst, der morgens zwischen den Hügeln liegt,
und das wäre schon der folgende Tag, den man
anfangen muß, ohne die Nachrichtenlage zu kennen.
die Prosa gehört dazu und das Hörspiel – ist die Lyrik inzwischen bestimmend geworden. Dabei hat Becker zu einer poetischen Sprechweise gefunden, die seine Gedichte zu unverwechselbaren Gebilden macht; sie sind beispielhaft für die Präzision des Wahrnehmens und die Intensität des Erinnerns, für eine Technik des Assoziierens, das konkrete Orte und reale Ereignisse mit entrückten Vorgängen und dunklen Imaginationen verschmilzt. Schauplatz seiner Gedichte ist eine Bewußtseins-Landschaft, in die alle Erfahrung wirklicher Landschaft eingegangen ist, mit Orten und Gegenden, die sie wiederfinden auf Feldern einer poetischen Landkarte, in den Entwürfen einer möglichen Topographie. Von Anfang ist es ein erzählerischer Impuls, der sich durch Jürgen Beckers Gedichte zieht und der viele davon zu einem Journal macht, das vom augenblicklich Erlebten spricht wie vom langen Reisen, vom Suchen nach dem entschwundenen Einst. Das führt – vor allem in den langen Gedichten, mit denen Becker zunehmend seine Eigenart gefunden hat – zu Entdeckungen verschütteter Erinnerungen, zu Wahrnehmungen von Gleichzeitigkeit, in der das Jetzt mit der Vergangenheit unmittelbar korrespondiert, „… das Schreiben dehnt den Augenblick aus und bleibt unterwegs zu diesem Horizont aus Herkunft, Zeit, Gesichtern und Dingen, der nie zu erreichen ist, aber doch in dein Leben tritt mit einer Folge von Wörtern…“
Suhrkamp Verlag, Klappentext, 1995
Heinrich Vormweg: Ein Poet in seinen Umgebungen
NRW literarisch, Heft 5, 1992
Walter Hinck: Vielleicht das letzte Glänzen: Sinfonien, Radiostimmen
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.7.1992
Sabine Küchler: Die Entdeckung des „multiplen“ Ich
Der Tagesspiegel, 10.7.1992
Wolfgang Schirmacher: Geräusche, Gerüche und Signale
Rheinische Post, 8.7.1997
Armin Ayren: Die Wirklichkeit als Sprache
Stuttgarter Zeitung, 10.7.2002
Nico Bleutge: Erinnerungsreise
Süddeutsche Zeitung, 10.7.2002
Hannes Hintermeier: Der Landschaftsmaler
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.7.2002
Beatrix Langner: Selbstporträts mit dem Rücken zum Betrachter
Neue Zürcher Zeitung, 10.7.2002
Jochen Schimmang: Ockerfarben in Deutschland
Frankfurter Rundschau, 10.7.2002
Cornelia Geissler: Mit dem Rücken sieht man schlecht
Frankfurter Rundschau, 10.7.2012
Norbert Hummelt: Leise landen die Abendmaschinen
Neue Zürcher Zeitung, 10.7.2012
Lothar Schröder: Autor Jürgen Becker wird 80
Rheinische Post, 10.7.2012
Gisela Schwarz: Jürgen Becker wird 80 Jahre alt
Kölner Stadt-Anzeiger, 10.7.2012
Frank Olbert: In diesen neuen alten Gegenden
Kölner Stadt-Anzeiger, 10.7.2017
Jürgen Becker: „Da wagt einer, mich zu verreißen? Das muss ich aber genauer wissen.“
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