MITTAG
Es ist gerade mal wieder nichts los.
Aus Höflichkeit zeigt die Uhr,
daß es Mittag ist.
Ein feines Geräusch wie Lebenserwartung
kommt auf und verschwindet.
Man ist einfach da.
Am Himmel ist Licht an.
Die Luft ist zu süß, wie gewöhnlich
bei dieser Windrichtung.
Wenn man geradeaus geht,
riecht es nach Eierkuchen.
Aber das könnte schon wieder
Chemie sein. Die Arbeitnehmer
machen jetzt Pause.
Bei geschlossenem Autofenster
fährt man den eigenen Körper
spazieren, die Seele,
sein Glück mit der Zeit,
die vorbei ist wie Landschaft.
Auf Null angekommen.
So vielfältig die Spannungen, Bezüge und Traditionen sind, aus denen Karl Krolows lyrisches Werk sein Gesicht gewinnt, der prägende Zug ist der des unruhigen, bewegten, kritischen Blicks. Es ist eine Dichtung, die in all ihren Umbrüchen als Ganzes erscheint, als ein Plädoyer für einen tätigen Humanismus. Dem begegnet man im Mut des Autors, die sogenannten ewigen Wahrheiten erneut und neu zu sagen, in der Kraft, mit der er gegen die Schatten der Vergangenheit anschreibt, in der Beharrlichkeit, mit der er die eigene Situation – in ihren individuellen und geschichtlichen Dimensionen – erkundet.
Verlag Neues Leben, Ankündigung in Anna Achmatowa: Poesiealbum 240, 1987
Und ob. Leicht? Kaum zu wiegen. Es gelingt ihm, so zu schreiben, wie Fragonard malte. Aber zwischen dem Rokoko und seinen Versen liegen die furchtbaren Schattenfelder der verflossenen Zeit. Vor denen flieht er nicht. Trocken und sarkastisch schlägt er den kritischen Ton an, ohne den seine Poesie nicht denkbar ist.
Peter Härtling (1962), Verlag Neues Leben, Klappentext, 1987
leicht fiel ihm, aber so wirkte es vermutlich nur, die Arbeit des heutigen Tages, er ist im Schreiben geübt, er kann es, leicht fällt ihm die Selbstironie, Leichtigkeit ist ein Wort, das zu ihm paßt, an dem man jedoch Fleiß und Selbstkontrolle messen muß, ohne die Krolows Œuvre nicht hätte entstehen können und die er, wiederum leicht, zu kaschieren versteht. Er würde sich nie als den von Vorträgen, Lesungen, Sendungen, zu entstehenden Gedichten gedrängten Schwerarbeiter präsentieren, der er doch ist, zu urteilen nach den Ergebnissen.
Gabriele Wohmann (1970), Verlag Neues Leben, Klappentext, 1987
Peter Jokostra: Wenn die Schwermut Fortschritte macht. Zum 65. Geburtstag
Die Welt, 11. 3. 1980
Walter Helmut Fritz: Großer Weg zur Einfachheit. Zum 65. Geburtstag
Stuttgarter Zeitung, 11. 3. 1980
Joachim Kaiser: Einzigartiger lyrischer Zeitzeuge
Süddeutsche Zeitung, 10./11.3.1990
Kurt Drawert: Das achte Leben der Katze
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.3.1995
Curt Hohoff: Schlechtes vom Menschen, nichts Neues also
Die Welt, 11.3.1995
Oliver Bentz: Lyrik, luft- und lichtdurchlässig
Wiener Zeitung, 8.3.2015
Fritz Deppert: Karl Krolow: Der Wortmusiker von der Rosenhöhe
Echo, 9.3.2015
Christian Lindner: Gedichte aus der frühen Bundesrepublik
Deutschlandfunk, 11.3.2015
Alexandru Bulucz: „Immortellen, Nebel“
faustkultur.de, 11.3.2015
Peter Mohr: Allianz von Wort und Wahrheit
titel-kulturmagazin.net, 11.3.2015
Michael Braun: Die Defäkation Dasein
Frankfurter Rundschau, 23.6.1999
Harald Hartung: Algebra der reifen Früchte
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.6.1999
Charitas Jenny-Ebeling: Dichter der Abschiede
Neue Zürcher Zeitung, 23.6.1999
Kurt Oesterle: Aufzuschreiben, daß ich lebe
Süddeutsche Zeitung, 23.6.1999
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