Ernst Birkholz und seine Kameraden
erleben das Ende des Ersten Weltkrieges an der Westfront. Während sie den
Rückmarsch in die Heimat antreten, bricht in Deutschland die Revolution aus. In
der Heimat angekommen, müssen sie erkennen, daß von
der Begeisterung, mit der man sie vor Jahren in den Kampf fürs Vaterland
schickte, nichts geblieben ist. Die anfänglichen Hoffnungen auf eine
grundlegende Revolution der bestehenden Verhältnisse wird
bald enttäuscht. Der Weg zurück in ein Leben, wie sie es vor dem Krieg kannten,
erscheint ihnen nach den Jahren im Schützengraben unmöglich. Das zivile Leben
kommt ihnen nun langweilig und belanglos vor. Das Gefühl der Verlorenheit
verstärkt sich noch, als auch die Kameradschaft, die sie vier Jahre an der
Front aufrecht hielt, zu bröckeln beginnt. Denn während sich einige wenige mit
den neuen Verhältnissen arrangieren oder als Schieber aus der allgemeinen Not
Kapital schlagen, herrscht bei den meisten Orientierungslosigkeit.
Adolf Bethke, dessen Frau das Alleinsein nicht ertragen konnte, zerbricht.
Albert Troßke, erschießt einen Menschen, weil das
Mädchen, das er liebt, ihn betrogen hat. Daß er nach
den Jahren an der Front nun als Mörder verurteilt werden soll, kann er nicht
begreifen. Ludwig Breyer, der an einer aus einem Frontbordell verschleppten Syphillis leidet, schneidet sich die Pulsadern auf. Ernst
Birkholz beendet das vor dem Krieg begonnene Lehrerexamen und tritt eine Stelle
als Dorfschullehrer an, die er jedoch bald wieder aufgibt. Die Perspektive
eines auf Jahre absehbaren, gleichförmig verlaufenen Dorflebens langweilt ihn.
Von Kriegserinnerungen gequält und geschockt von Ludwigs Tod, erleidet er einen
Nervenzusammenbruch, von dem er sich nur schwer wieder erholt. Georg Rahe, von
der Revolution enttäuscht, versucht vergeblich, die alte Kameradschaft in einem
Freikorps wiederzufinden. Er reist nach Frankreich, wo er sich durch die
Erinnerungen übermannt auf einem Soldatenfriedhof erschießt. Nach seiner
Genesung erkennt Ernst Birkholz, daß auch wenn vieles
in den Jahren der Maschinengewehre und Grananten
verschüttet worden ist, es vieles aufzubauen und fast alle wieder gutzumachen
gibt.
Wir haben uns alles anders vorgestellt.
Wir haben geglaubt, mit gewaltigem Akkord würde ein starkes intensives Dasein
einsetzen, eine volle Heiterkeit des wiedergewonnenen Lebens: so wollten wir
beginnen. Aber die Tage und Wochen zerflattern unter unseren Händen, wir
verbringen sie mit belanglosen, oberflächlichen Dingen, und wenn wir uns
umsehen, ist nichts getan. Wir waren gewohnt, kurzfristig zu denken und zu
handeln - eine Minute später konnte immer alles aus sein. Deshalb geht uns
jetzt das Dasein zu langsam, wir springen es an, aber ehe es zu sprechen und zu
klingen beginnt, haben wir schon wieder davon abgelassen. Wir hatten zu lange
den Tod als Genossen; der war ein schneller Spieler, und es ging jede Sekunde
um den höchsten Einsatz. Das hat uns etwas Sprunghaftes, Hastiges, auf den
Augenblick Bedachtes gegeben, das uns jetzt leer macht, weil es hierher nicht
mehr paßt. Und diese Leere macht uns unruhig, denn
wir fühlen, daß man uns nicht versteht und daß selbst Liebe uns nicht helfen kann. Es klafft eine
unüberbrückbare Kluft zwischen Soldaten und Nichtsoldaten. Wir müssen uns
selber helfen. (Teil IV)
Weil wir
betrogen worden sind, betrogen, wie wir es kaum erst ahnen! Weil man uns
furchtbar mißbraucht hat! Man sagte uns Vaterland und
meinte die Okkupationspläne einer habgierigen Industrie - man sagte uns Ehre
und meinte das Gezänk und die Machtwünsche einer Handvoll ehrgeiziger
Diplomaten und Fürsten - man sagte uns Nation und meinte den Tätigkeitsdrang
beschäftigungsloser Generale! [...]
In das Wort Patriotismus haben sie ihr Phrasengewäsch,
ihre Ruhmsucht, ihren Machtwillen, ihre verlogene Romantik, ihre Dummheit, ihre
Geschäftsgier hineingestopft und es uns dann als strahlendes Ideal vorgetragen!
Und wir haben geglaubt, es sei eine Fanfare zu einem neuen, starken, gewaltigen
Dasein! Begreifst Du denn nicht? Wir haben gegen uns selbst Krieg geführt, ohne
es zu wissen! Und jeder Schuß, der traf, traf einen
von uns! Hör doch, ich schreie es dir in die Ohren: Die Jugend der Welt ist
aufgebrochen, und in jedem Lande ist sie belogen und mißbraucht
worden, in jedem Lande hat sie für Interessen gefochten statt für Ideale, in
jedem Lande ist sie zusammengeschossen worden und hat sich gegenseitig
ausgerottet! [...] Unsere Zukunft ist tot, denn die Jugend ist tot, die sie
trug. (Teil IV, Kapitel V)
Hier stehe ich
vor euch, einer der hunderttausend Bankrotteure, denen der Krieg jeden Glauben
und jast alle Kraft zerschlug. - Hier stehe ich vor
euch und empfinde, wieviel lebendiger und
daseinsverbundener ihr seid als ich - hier stehe ich vor euch und soll euch nun
Lehrer und Führer sein. Was soll ich euch denn lehren? Soll ich euch sagen, daß ihr in zwanzig Jahren ausgetrocknet und verkrüppelt
seid, verkümmert in euren freiesten Trieben und unbarmherzig zu Dutzendware gepreßt? Soll ich euch erzählen, daß
alle Bildung, alle Kultur und alle Wissenschaft nichts ist als grauenhafter
Hohn, solange sich Menschen noch mit Gas, Eisen, Pulver und Feuer im Namen
Gottes und der Menschheit bekriegen? (Teil V, Kapitel III)
1930/31 schrieb Erich Maria Remarque den
Roman Der Weg zurück, der von den Kritikern sehr unterschiedlich
aufgenommen wurde. Das Werk ist mit seinen autobiographischen Zügen sehr
authentisch, spannend und stellenweise humoristisch geschrieben. Der Weg zurück
bildet die Fortsetzung zu dem zuvor erschienenen Roman Im Westen nichts Neues und beschreibt
fortsetzend die zurückkehrende Generation von Soldaten im Jahre 1918/19. Diese
jungen Männer haben auf dem Schlachtfeld all ihre Ideale, ihre Ziele und
Zukunftsperspektiven verloren und stehen, zurück in der Heimat, vor dem Nichts.
Sie scheitern in der Beschreibung von Remarque an dem „Weg zurück“ ins normale
Leben als Zivilisten. Die Schwierigkeiten, wieder in den Alltag in der Heimat
zurückzufinden, müssen diese Männer ganz allein überwinden, und sie scheitern.
Alleingelassen, von den Daheimgebliebenen mit Vorwürfen und Missachtung
gestraft, vertieft sich ihr Gefühl, dass alles umsonst gewesen ist. Niemand
hilft ihnen zurück in das Leben, das sie verloren, bevor sie es beginnen
konnten. Ihre Nachkriegssozialisierung scheitert an mangelnden
zwischenmenschlichen Beziehungen, an bröckelnden Kameradschaften und an dem
Gefühl, ausgenutzt und weggeworfen zu sein. So scheint der Selbstmord für viele
Mitglieder der „verlorenen Generation“ der letzte Ausweg zu sein, und selbst
der Hoffnungsträger Ludwig Breyer, der Held des Romans, stirbt an den Folgen
des Krieges.
Ein weiteres Thema des Romans ist die Verdrängung des Geschehenen in der
Weimarer Republik. Zur Zeit der Erscheinung des Buches dienen die verschobenen
Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg bereits zur Anstachelung des
Nationalsozialismus. Die Schreckensbilder des Krieges scheinen bereits
vergessen, und die Nation steuert euphorisch getrieben auf ein neues Unglück
zu. Dieses Zustreben auf einen neuen Krieg beschreibt Remarque mit nahezu
prophetischer Vorausschau. Während er in Im Westen nichts Neues eher einen neutralen
Bericht aus der Sicht eines Beobachters geschaffen hat, wechselt er in Der
Weg zurück zu einem direkten Appell an die Bevölkerung, um wachzurütteln
und Schlimmeres zu vermeiden. Remarque befürchtete schon damals, die
Erfahrungen des Ersten Weltkrieges hätten nicht gereicht und Deutschland
steuere auf eine neue Katastrophe zu. Auch aus diesen Gründen zieht er sich
1931 nach Porto Ronco in die Schweiz zurück.
Schon zwei Jahre später wurden seine Romane Im Westen nichts Neues und Der Weg zurück
von den Nationalsozialisten wegen „literarischem Verrat am Soldaten des
Weltkrieges“ öffentlich verbrannt.
Vorher bekam der Roman Der Weg zurück jedoch noch die Möglichkeit, den
deutschen Lesern vorgestellt zu werden - mit geteilten Reaktionen. Vom
7.12.1930 bis zum 29.1.1931 wurde der Roman in Fortsetzungen in der Berliner Vossischen Zeitung abgedruckt. Kurz danach,
am 30.4.1931, erschien das Buch im Propyläen-Verlag des Ullstein-Konzerns
und wurde noch im gleichen Jahr in 25 Sprachen übersetzt. Die deutsche Auflage
betrug schon nach wenigen Wochen 185.000 Exemplare und wurde von einer
gigantischen Werbekampagne begleitet. Der Erfolg hielt sich jedoch in Grenzen.
Besonders die Kritiker bemängelten die künstlerische Ausführung und den
anhaltenden Pessimismus, der keine Zukunftsaussichten ermögliche. Ganz anders
hingegen klangen die Kritiken in den USA, wo Remarque als erfolgreicher Autor
gefeiert wurde. Die New York Times beschrieb Der Weg Zurück im Mai 1931 als gelungene Fortführung von Im
Westen nichts Neues. In Deutschland jedoch blieben die Meinungen über das
Werk geteilt. Die einen zerrissen Remarque förmlich, wieder andere lobten ihn,
wie zum Beispiel Heinrich Mann. Die Kritiken waren so kontrovers, dass dem Roman eine gewaltige Presseaufmerksamkeit gesichert war.
Harte Gegentöne kamen vor allem von nationalistischer Seite. Die aufsteigende
NSDAP sah den Soldaten in seiner Ehre gekränkt und entstellt. Wie man aufgrund
dieser inhaltsschweren Diskussionen merkt, ist Remarques Roman geladen mit
politischem Stoff und fordert die Auseinandersetzung.
Dem bildhaft deutlichen Inhalt steht jedoch ein eher unausgefeilter
Stil gegenüber, so dass Remarque selbst nach den
ersten Vorabdrucken noch Veränderungen vorgenommen hat. Auf diese Weise sind
zwei Versionen von Der Weg zurück entstanden. Die eine ist die
Zeitungsversion mit einem hoffnungslosen Ende, und die andere ist die spätere
Buchversion mit einem Schimmer von Hoffnung und Lebensmut als Ausklang. Die
unterschiedliche Wirkung wird allein durch wechselnde Anordnung der Kapitel
erreicht und dient zwei fast entgegengesetzten Schlussdeutungen.
Maren
Koch
·
Johannes Brautzsch.
Untersuchungen über die Publikumswirksamkeit der Romane »Im Westen nichts
Neues« und »Der Weg zurück« von Erich Maria Remarque vor 1933. Potsdam: Universität
[Diss.], 1969 [masch.].
·
Christine
R. Barker, Rex W. Last. Erich
Maria Remarque. London: Oswald Wolff; New York: Barnes & Nobles,
1979, 69–109.
·
Annick Ducret.
Die Weimarer Gesellschaft im Werke Erich Maria Remarques. Dijon: Universität
[Examensarbeit], 1984 , [masch.] 127 pp.
·
Richard
A. Firda. Erich
Maria Remarque. A
thematic analysis of his novels.
New York, Bern, Frankfurt/Main, Paris: Peter Lang, 1988 (American University
Studies XIX, 8), 65–102.
·
Harley
U. Taylor. Erich Maria Remarque. A literary and film biography. New York, Bern, Frankfurt/Main, Paris: Peter Lang, 1989
(American University Studies I, 65), 87–92.
·
Tilman Westphalen. »Nachwort. Kameradschaft
zum Tode«. Erich Maria Remarque. Der
Weg zuück. Roman. Mit einem Nachwort
von Tilman Westphalen. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1990 (KiWi 229), 313–333.
·
Tilman Westphalen. »Kameradschaft zum Tode«. Erich Maria Remarque. Der Weg zuück. Roman. Mit einem Nachwort von
Tilman Westphalen. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1998 (KiWi
491), 313–334.
·
Hans
Wagener. Understanding Erich
Maria Remarque. Columbia/SC:
University of South Carolina Press, 1991 (Understanding Modern European and
Latin American Literature), 37–45.
·
Bernd Stegemann. Fakten
und Fiktionen – E.M. Remarque als Lehrer 1919 – 1920 und seine Darstellung von
Schule, Lehrern und Schülern in den Romanen »Im Westen nichts Neues« und »Der
Weg zurück«. Osnabrück: Universität Osnabrück [Magisterarbeit], 1995,
[masch.] 117 pp.
·
Alicja Kwiatkowski-Wozniak.
Die Identitätskrise der Nachkriegsgeneration als Folge des Ersten Weltkriegs
in der Sicht Erich Maria Remarques. Wien: Universität [Diplomarbeit], 1996,
[masch.] 112 pp.
·
John Fotheringham.
»Ernst Toller’s Eine Jugend in Deutschland and Remarque’s Der Weg zurück«.
Brian Murdoch, Mark Ward (eds.). Remarque
against War. A collection of essays for the centenary of Erich Maria Remarque. Glasgow, 1998 (Scottish
Papers in Germanic Studies 11), 98–118.
·
Günter Hartung. »Gegenschriften zu Im
Westen nichts Neues und Der Weg zurück«. Thomas F. Schneider (ed.). Erich
Maria Remarque. Leben, Werk und weltweite Wirkung.
Osnabrück: Universitätsverlag Rasch, 1998 (Schriften des Erich Maria
Remarque-Archivs 12), 109–150.
·
Günter Hartung. »Gegenschriften zu ›Im Westen
nichts Neues‹ und ›Der Weg zurück‹ (1997/98)«. Günter Hartung. Werkanalysen
und Kritiken. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2007 (Gesammelte
Aufsätze und Vorträge 5), 307–350.
·
Bernhard Stegemann. »Autobiographisches aus
der Seminar- und Lehrerzeit von Erich Maria Remarque im Roman Der Weg zurück«.
Thomas F. Schneider (ed.). Erich Maria Remarque.
Leben, Werk und weltweite Wirkung. Osnabrück: Universitätsverlag Rasch,
1998 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs 12), 57–68.
·
Mark Ward. »The Structure
of Der Weg zurück«. Brian Murdoch, Mark Ward,
Maggie Sargeant (eds.). Remarque against War. A collection of essays for the
centenary of Erich Maria Remarque.
Glasgow, 1998 (Scottish Papers in Germanic Studies 11), 85–97.
·
E.V.
Zavarzina. »Roman ›Vozvrashchenie‹
v kontekste tvorchestva
E.M. Remarka (perevodovedcheskij
aspekt)«. Idei, Gipotezy, Poisk...
(Magadan) 6 (1999), 21–24.
·
Bernd Hidding. Bilder
der Weimarer Republik in drei Romanen (1931, 1937, 1956) von E.M. Remarque.
Münster: Universität [Examensarbeit], 2000, [masch.] 109 pp.
·
Brian Murdoch. »Vorwärts auf dem Weg zurück.
Kriegsende und Nachkriegszeit bei Erich Maria Remarque«. Text + Kritik
(2001), 149: Erich Maria Remarque, 19–29.
·
R.R. Tschaikowski, S.V. Kiprina,
E.A. Kostenko. »Dve redaktsii
odnogo perevoda (russkie versii ›Vozvrashcheniia‹ E.M. Remarka
1936 i 1959 godov)«. R.R. Tschaikowski (ed.). Perevod i perevodtsiki. Nauchnij al’manakh. Vypusk 2: E.M. Remark. Magadan: Kordis,
2001, 34–41.
·
Daniela Franke. Erich Maria Remarque: Der
Weg zurück. München: GRIN [Seminararbeit, Internetveröffentlichung], 2003,
16 pp.
·
Rikke Christoffersen.
»Three Comrades – One Perspective. Contextualizing Remarque’s Drei Kameraden with
the Two Early War Novels«. Erich Maria Remarque
Jahrbuch/Yearbook 15
(2005), 36–62.
·
Grazina Droessiger.
» Zur Polyfunktionalität der deutschen Modalverben oder: Was ist modal an den
deutschen Modalverben?«. Zmogus ir Zodis.
Svetimosios Kalbos 7 (2005), 3, 85–92.
·
G.
Scott Seeger. »E. M. Remarque: War-Shattered Generations in Search for the Road
Home«. Will Wright, Steven Kaplan (eds.). The Image
of the Road in Literature, Media, and Society. Pueblo/CO: Society for the
Interdisciplinary Study of Social Imagery, Colorado State University-Pueblo,
2005, 227–232.
·
Brian
Murdoch. The Novels of Erich Maria Remarque. Sparks of Life.
Rochester/NY, Woodbridge: Camden House, 2006, 31–66.
·
Thomas F. Schneider. »Die Revolution in der
Provinz. Erich Maria Remarque: Der Weg zurück (1930/31)«. Ulrich Kittstein, Regine Zeller (eds.). »Friede,
Freiheit, Brot!« Romane zur deutschen
Novemberrevolution. New York, Amsterdam: Rodopi,
2009 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik 71), 255–267.
Vergleichende Studien/Comparative
Studies
Renn, Ludwig
·
Heinz Bär. »Kriegsbücher – so oder so. Einige
Gedanken über Remarque und Renn«. Heute und Morgen (1950), 230–236.