Es muss doch mehr als eine Alternative für Deutschland geben, beschließen die Kumpels beim Bier in ihrer Stammkneipe. Ein kneipenphilosophischer Schwank von Martin Schult über den nächsten möglichen Neuzugang der deutschen Politik.
von Martin Schult
Da saßen wir in der Jammerbremse und einer am Tresen erzählte von Wirtschaftsflüchtlingen: „Die sind mir lieber als Asylsuchende. Die wollen wenigstens arbeiten.“
Der Wirt schüttelte den Kopf und nahm dem Kerl sein Glas weg. „Du immer mit deinen seltsamen Behauptungen! Wenn man will, kann man nämlich genau vom Gegenteil überzeugt sein, und keiner kann was dagegen tun.“
„Gib mir mein Bier wieder!“
„Erst wenn du zugibst, dass das Scheiße war, was du gerade gesagt hast.“
„Ich kann sagen, was ich will!“
„Und ich kann mir aussuchen, wem ich was zu trinken gebe.“
„Kannst mich mal“, sagte der Kerl, klopfte aufs Tresenholz und packte seine Kippen ein.
„Ich bin jetzt auch einer.“
„Ein was?“
„Ein Wirtschaftsflüchtling.“
Und dann ging er. Ohne zu zahlen. Wir sahen den Wirt an. Der zuckte nur mit den Schultern.
„Das sagt er jeden Tag. Morgen ist er wieder da und bittet um Asyl. Meine Schwägerin ist nämlich echt ein Drache.“
„Ach, das war dein Bruder?“
„Wir sind so dicke.“
Der Wirt verhakte zwei Finger ineinander.
„Gemeinsames Leid schweißt zusammen. Hab nämlich die Schwester von seiner Frau geheiratet. Ha! Drachentöter wollten wir sein. Und was haben wir bekommen? Ewig Feuer unterm Arsch!“
Dann zapfte er uns noch zwei.
***
„Wie hast du das übrigens gemeint“, fragte mein Freund.
Der Wirt lachte.
„Du bist gut. Was von dem ganzen Müll, den ich von mir gegeben habe, meinst du denn?“
„Na, das mit den Behauptungen. Dass man sie einfach umdrehen kann.“
„Stimmt das etwa nicht? Du kannst behaupten, dass Wirtschaftsflüchtlinge faul sind. Aber weil du das nicht beweisen kannst, kannst du genauso gut auch das Gegenteil behaupten. Ist nur ‘ne Frage der Perspektive. Es gibt immer mehr als nur eine Alternative.“
Schweigend tranken wir unser Bier.
„Alternative“, brummte ich.
„Ich kann dieses Wort echt nicht mehr hören“, sagte mein Freund.
„Früher, da gab’s noch ‘ne Alternative Liste. Da hat das Wort noch nach vorne gedeutet. Aber jetzt…“
„Aber das ist doch alles Merkels Schuld. ‚Meine Politik ist alternativlos.‘ Ha!“
Mein Freund konnte sie echt gut nachmachen. Selbst das Herzchen mit den Händen formen, das beherrschte er perfekt.
„Holen wir es uns doch wieder“, schlug ich vor.
„Noch ’n Bier“, fragte der Wirt. Wir nickten.
***
„Was sollen wir uns eigentlich wiederholen?“
„Na das Wort: ‚Alternative‘. Niemand verbietet es uns, es selbst zu benutzen. Wir können sogar eine Partei gründen, die so heißt. DA: Die Alternative. Oder DAP: Die Alternative Partei.“
„Aber warum nicht einfach nur P?“
„Gibt’s doch schon so ähnlich. Die Partei.“
„Macht doch nüscht.“
„Oder AfE“, überlegte ich, „Alternative für Europa. Da kriegen wir bei den Wahlen automatisch ein paar Prozent, weil bestimmt ein paar der AfD-Anhänger an der falschen Stelle ihr Kreuz machen werden. Und wir behaupten einfach immer das Gegenteil von dem, was die AfD behauptet.“
„Cool. Und unser Parteiprogramm ist das Grundgesetz. Damit haben wir ja schon das Gegenteil behauptet.“
„Ja, und die Genfer Konvention, das ist dann unsere Forderung. Unser Wahlprogramm.“
„AfEfGK: Alternative für Europa fordert Genfer Konvention.“
„Nee, das klingt blöd. Aber was mit Freiheit und Frieden im Namen, das wäre gar nicht so schlecht. Weil wir als Partei ja auch Visionen brauchen. Und offen. Offen für alle, das müssen wir sein.“
„Noch ’n Bier“, fragte der Wirt. Wir nickten.
***
„Alternative für ein freies, offenes, friedliches Europa. Meinst du sowas?“
Ich war beeindruckt.
„Ja, das meine ich. AFEFOFE.“
„Afefofe“, wiederholte mein Freund. Mehrmals. Wir prosteten uns zu.
„Ich finde, das klingt ganz gut, oder?“
„Da werden sich die anderen Parteien echt wundern.“ Mein Freund lachte und zeigte auf den Wirt. „Wir machen denen so richtig Feuer unterm Arsch. Wir werden nämlich ganz nah am Menschen sein.“
„Wir sind die Menschen. Schluss mit diesem Nachplappern von Parolen. Bei uns kann jeder das behaupten, was er will.“
„Und das Gegenteil. Afefofe!“
Wieder prosteten wir uns zu und verhakten unsere Zeigefinger ineinander. Wir waren nämlich auch sowas von dicke.
„Ich freu mich schon drauf, wenn Judith Rakers das in der Tagesschau sagen muss.“
„Die ist ja übrigens in Paderborn geboren.“
„Sind die nicht gerade abgestiegen?“
Mein Freund lachte auf.
„Haha! In die dritte Liga. Vor zwei Jahren waren sie ja mal Tabellenführer. In der Bundesliga.“
„Das behauptest du doch jetzt nur so.“
„Beweis‘ mir das Gegenteil.“
„Noch ’n Bier“, fragte der Wirt. Wir nickten.
* * *
Links
Flokati oder mein Sommer mit Schmidt auf den Seiten der Ullstein Buchverlage
Die offizielle Website von Martin Schult